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Ein Vorbild für andere Sportgroßereignisse

Von Sven Albrecht und Mark Solomeyer [GESELLSCHAFT | RINGE]

Es ist der Abend des 17. Juni 2023. Zehntausende im Berliner Olympiastadion und Millionen vor den Fernsehgeräten verfolgen, wie das Olympische Feuer nach fast 90 Jahren wieder in der Hauptstadt ankommt. Der Jubel der Zuschauer ist ohrenbetäubend und für kurze Zeit gerät in Vergessenheit, was für ein historischer Moment hier eigentlich passiert: Zum ersten Mal in der deutschen Sportgeschichte hat ein Mensch mit geistiger Behinderung das Olympische Feuer entzündet….

Alles ganz anders – und doch so normal. Es ist der Startschuss zu neun olympischen Tagen, die die deutsche Sportlandschaft verändern werden. Vom 17. bis 24. Juni 2023 werden in Berlin die Special Olympics World Games stattfinden. Für tausende von Athleten und Athletinnen sowie Unified Partnerinnen und partner wird mit den Weltspielen ein Lebenstraum wahr. Doch in dem Großereignis steckt noch vieles mehr: Diese ersten Weltspiele auf deutschem Boden werden eine enorme Ausstrahlung und Kraft entwickeln, das Sportbewusstsein in der Bevölkerung stärken und ein positives Image für Sportgroßveranstaltungen schaffen.

Sie werden für Diskussionen sorgen und einen wichtigen Beitrag zur Nationalen Strategie für Sportgroßereignisse leisten, Olympische Spiele, Welt- und Europameisterschaften als Katalysator für den Breiten- und Spitzensport in Deutschland zu nutzen. Denn wie bei keiner anderen Großveranstaltung zuvor geht es bei der Planung, Organisation und Durchführung der Weltspiele vor allem um eine nachhaltige Wirkung. Ein möglichst großes Erbe zu hinterlassen, ist nicht nur ein Beiwerk, es ist inhaltlich der wichtigste Treiber für das Veranstaltungskonzept. Und zeigt so in aller Deutlichkeit auch mit Blick auf zukünftige Events: Nachhaltige und breit akzeptierte Sportgroßereignisse sind in Deutschland möglich.

Die Spiele sollen die inklusivsten aller Zeiten werden. Menschen mit geistiger Behinderung werden zu handelnden Akteuren in unserer Gesellschaft, die selbstbestimmt leben und an Sportangeboten teilhaben können. Und das bei freier Wahlmöglichkeit und dauerhaft! Denn während 81 Prozent der Deutschen ohne Beeinträchtigungen einem Sport nachgehen, sind es bei den Menschen mit körperlichen Behinderungen nur noch 33 Prozent und mit geistigen Einschränkungen sogar nur noch sieben Prozent. Und auch diese sieben Prozent nehmen fast ausschließlich an Sportangeboten in ihren Wohn- und Arbeitseinrichtungen teil – nicht im organisierten Breiten- und Freizeitsport!

Die Special Olympics World Games Berlin 2023 wollen und werden diese Quote deutlich verbessern. Auch mit diesem Ziel hatten wir uns als Special Olympics Deutschland mit Unterstützung des Landes Berlin, des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sowie des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) um die Ausrichtung der Sommerspiele beworben ­– und im November 2018 den Zuschlag erhalten. Dazu werden wir im Rahmen der Vorbereitung Strukturen auf regionaler Ebene schaffen und den Organisationsgrad in den Vereinen und Verbänden erhöhen.

Special Olympics ist eine weltweite Bewegung, die Menschen mit geistiger Behinderung mit den Mitteln des Sports die Chance zu mehr Selbstbewusstsein, Anerkennung und gesellschaftlicher Teilhabe bietet. Unsere Bewegung wurde 1968 in den USA durch Eunice Kennedy-Shriver gegründet, einer Schwester von US-Präsident John F. Kennedy. Heute ist Special Olympics mit mehr als fünf Millionen Athletinnen und Athleten in 174 Ländern die weltweit größte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat Special Olympics offiziell anerkannt.

Wie die Olympischen Spiele werden auch Special Olympics World Games generell alle zwei Jahre im Wechsel als Sommer- und Winterspiele ausgetragen. In Berlin werden wir im Sommer 2023 neben den etwa 7000 Athletinnen, Athleten und Unified Partnern rund 3.000 Begleitpersonen und 12.000 Familienangehörige begrüßen dürfen. 20.000 Volunteers empfangen, betreuen und unterstützen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die erwarteten 2.000 Medienvertreter und bis zu 300.000 Besucherinnen und Besucher. Doch viel wichtiger als alle Zahlen: Die entstehenden Begegnungen werden das Bewusstsein vieler Menschen verändern.

Die größte inklusive Veranstaltung der Welt hat für die Athletinnen und Athleten einen unglaublich hohen Wert. Und diesem Anspruch wird die Sportmetropole Berlin mit ihrer perfekten Infrastruktur gerecht. Sie bietet modernste Sportstätten, die Messe Berlin als Veranstaltungs- und Medienzentrum sowie einige der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. Nach der Eröffnungsfeier im Berliner Olympiastadion und vor dem Abschluss am Brandenburger Tor heißt es in der ganzen Stadt und in 26 Sportarten: Dabei sein ist alles! 14 dauerhafte und temporäre Sportstätten laden dazu ein, darunter Beach Volleyball vor dem Brandenburger Tor, Triathlon am Wannsee, Leichtathletik und Radrennen im Olympiapark, Kanurennen an der Oberbaumbrücke und vieles mehr…

Die Weltspiele 2023 werden nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland ein besseres Bewusstsein für die Belange von Menschen mit geistiger Behinderung, für kulturelle Vielfalt und Inklusion bewirken. Und damit wären wir bei der größten Innovation und zugleich dem wichtigsten Baustein des Nachhaltigkeitsprogramms der Weltspiele: dem einzigartigen Host Town Programm. Darin werden die mehr als 170 anreisenden Delegationen in Zusammenarbeit mit den Special Olympics Landesverbänden, Sportvereinen, Organisationen der Behindertenhilfe und Schulen in ganz Deutschland willkommen geheißen. In über 170 gastgebenden Städten und Gemeinden wird es vier Tage lang inklusive Angebote geben, die Menschen mit geistiger Behinderung mit den Mitteln des Sports mehr Selbstbewusstsein, Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe verschaffen. Die aufgebauten Strukturen werden nachhaltig dazu beitragen, dass das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung in der Kommune selbstverständlicher wird.

Eingebettet sind die Special Olympics World Games in ein umfangreiches Begleitprogramm, das zahlreiche innovative Ansätze verfolgt. Dazu zählt ein wissenschaftlicher Kongress für Jugendliche, die an der Gestaltung einer inklusiven Gesellschaft mitwirken möchten, genau wie ein internationaler Athletenkongress und ein vielseitiges buntes Kulturprogramm, das Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenbringt. Zahlreiche weitere Initiativen sind in Planung, darunter Schul- und Fanprojekte oder ein Familienprogramm zum Austausch von Erfahrungen und Informationen sowie Angebote gegenseitiger Unterstützung. Fast schon traditionell ist das von Special Olympics entwickelte Gesundheitsförderprogramm Healthy Athletes mit kostenlosen gesundheitlichen Beratungen, Kontrolluntersuchungen und Fortbildungen.

Bei der Organisation und Durchführung von Berlin 2023 werden Menschen mit geistigen Behinderungen erstmals von Anfang an „ihre Weltspiele“ mitgestalten. Sie haben zu Beginn der operativen Phase in einem Athletenforum ihre Wünsche und Anregungen für erfolgreiche Weltspiele einbringen können und sind in alle Organisationsbereiche eingebunden. Das klare Motto: Spiele von Athletinnen und Athleten für Athletinnen und Athleten. Bei uns gestalten sie die Spiele mit. Wir hören zu, was die Athletinnen und Athleten zu sagen haben, ihre Ideen und Erfahrungen sind maßgeblich für alle Entscheidungen.

Denn wir sind überzeugt, dass nur mit der direkten Beteiligung der Sportler das olympische Feuer in den Herzen der Menschen auch nach dem Ende der Weltspiele weiter lodert.

Fotos: Special Olympics

Sven Albrecht studierte Diplom-Pädagogik und Sport an der Christian-Albrechts-Universität in seiner Heimatstadt Kiel (Schleswig-Holstein). Bereits mit sieben Jahren kam er erstmals im Sport in Kontakt mit Menschen mit geistigen Behinderungen. Seit 2003 ist er für Special Olympics Deutschland tätig und seit 2010 Bundesgeschäftsführer des Verbandes.

Mark Solomeyer aus Bad Ems (Rheinland-Pfalz) ist seit 2014 Athletensprecher und Mitglied im Präsidium von Special Olympics Deutschland. Der ehemalige Badminton-Spieler setzt sich – auch über den Sport hinaus – für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung ein. Bei den Special Olympics Weltspielen 2007 in Shanghai gewann er je eine Gold- und Bronzemdaille.

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