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Sportvereine in Corona-Zeiten

Ein Interview von Birgit Hasselbusch mit Boris Schmidt  [RINGE | ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT | MENSCHEN]

„Es darf nicht passieren, dass es Vereine nach dieser Krise nicht mehr gibt!“

Die Bälle ruhen, Spielbetrieb eingestellt, Sporthallen und Plätze bleiben vorerst verschlossen. Wie schwer treffen die Corona-Einschränkungen die ganz normalen Sportvereine?

Darüber haben wir mit Boris Schmidt gesprochen. Er ist Diplom-Sportlehrer, Vorsitzender der TSG Bergedorf und Präsident des Hamburger Basketball-Verbandes. Lange Jahre war er als Schiedsrichter aktiv, einer der bekanntesten in Deutschland. Zudem ist er Vorsitzender des Freiburger Kreises e.V., dem Zusammenschluss großer Sportvereine mit insgesamt mehr als einer Million Mitgliedern.

 

Olympisches Feuer:

Wie hat Sie die Corona-Krise persönlich erwischt?

Boris Schmidt:

In den Hamburger Märzferien war ich als Skilehrer – wie seit mehr als 30 Jahren – mit einer Kinder- und Jugendgruppe unseres Vereins TSG Bergedorf in der Schweiz. Auf Empfehlung der Gesundheitsbehörde bin ich seit meiner Rückkehr in zweiwöchiger häuslicher Quarantäne.

O F:

Als der offizielle Beschluss kam, dass der Trainings- und Spielbetrieb ausgesetzt wird, dass es keine Treffen in Sportstätten mehr geben darf, wie waren die ersten Reaktionen aus den Vereinen?

Boris Schmidt:

Sehr unterschiedlich. In der Masse haben die Mitglieder dafür Verständnis, dass ausgesetzt wird. Dennoch gibt es auch nicht wenige, die es übertrieben finden. Aber das sind vielleicht auch Menschen, die sich grundsätzlich nicht gerne in ihren Rechten einschränken lassen. Man muss die Bevölkerung noch mehr dafür sensibilisieren, dass es sich um ein ernstzunehmendes Problem handelt.

O F:

Welche finanziellen Konsequenzen ergeben sich für die normalen Sportvereine in Deutschland im Amateurbereich, die also nicht im Big Business unterwegs sind?

Boris Schmidt:

Das ist stark abhängig davon, wie lange dieser „Ausnahmezustand“ anhalten wird. In Hamburg gelten die Ausnahmebedingungen erstmal bis zum 30. April. Ich glaube, dass die Vereine das mit der Solidarität ihrer Mitglieder schaffen können. Aber wenn es länger anhalten sollte, wird es schwierig. Es gibt viele kleine Vereine, die keine eigenen Anlagen haben, die haben ganz andere Kosten als größere Vereine, die im Breitensport tätig sind und eigene Anlagen betreiben. Die haben hohe Ausgaben und hauptamtliches Personal, das bezahlt werden muss. Die Leute haben ja momentan aber eigentlich gar nichts zu tun.

O F:

Könnten Einnahmeausfälle für Sportvereine das Aus bedeuten?

Boris Schmidt:

Vereine, anders als Unternehmen, haben für solche Katastrophen keine Rücklagen, weil allein das Vereinsförderungsgesetz es schon ausschließt, dass Non-Profit-Organisationen Rücklagen bilden. Auch die Beiträge sind so bemessen, dass man daraus kaum Grundlagen in der Masse bilden kann. Jetzt stehen sie vor dem Spagat, dass sie viele Übungsleiter, Freiberufler, Honorarkräfte haben, die aber aktuell ohne Aufgaben sind. Für die dürfen die Vereine auch gar nicht bezahlen, weil sie nicht für eine Leistung bezahlen können, die nicht erbracht wird. Dann würde sofort die Diskussion losgehen, dass der Verein seine Gemeinnützigkeit verliert.

O F:

Haben sich die Vereine Alternativen überlegt?

Boris Schmidt:

Viele sind kreativ unterwegs. Auch wir von der TSG Bergedorf werden Online-Live-Streams schalten. Da bieten Trainer Kurse an, bei denen man von zu Hause aus mitmachen kann. Aber wir möchten auch Rückhalt für die Gesellschaft und solidarisch sein. Unser Verein hat zum Beispiel mehr als tausend Mitglieder, die über 70 Jahre alt sind. Gerade diese Personengruppe ist extrem durch das Corona-Virus gefährdet. Wir möchten, dass diese Menschen gerne noch spazieren gehen, aber nicht mehr zum Einkaufen. Das können dann jüngere Mitarbeiter, Freiwilligendienstleistende oder Auszubildende aus unserem Verein übernehmen. Deswegen richten wir jetzt eine Hotline ein, bei der unsere Mitglieder anrufen können. Wir haben ja auch einen Fuhrpark.

O F:

Könnten Mitglieder Beitrags-Rückzahlungen fordern?

Boris Schmidt:

Rückforderungen der klassischen Vereinsbeiträge wären gar nicht möglich, denn – das unterscheidet die Vereine von kommerziellen Anbietern – mit dem Beitrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist keine Gegenleistung verbunden.

O F:

Gibt es Unterschiede bei den Vereinen?

Boris Schmidt:

Auch die Großvereine als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe haben ähnliche Probleme. Da geht es nicht nur um die Grundbeiträge, sondern auch um Zusatzbeiträge, die Mitglieder schon zurückverlangen könnten. Wir hoffen ganz stark, dass es eine Solidarität der Mitglieder gibt, denn die Vereine sind trotz allem Non-Profit-Organisationen. Sie können ganz schnell an ihre Existenzgrenze kommen, weil die Kosten immer weiterlaufen. Wir haben schauen auch im Freiburger Kreis, inwieweit wir mit dem Deutschen Olympischen Sportbund zusammen helfen können. Es wird von Seiten der Vereine darum gehen, auch vom Staat auf finanzielle Unterstützungen zu hoffen, weil die Vereine für die Gesellschaft und das Allgemeinwohl Aufgaben übernehmen, die immens wichtig sind. Es darf nicht passieren, dass es Vereine nach dieser Krise nicht mehr gibt. Das könnte ganz schnell passieren.

O F:

Sie kümmern sich sehr viel um jugendliche Sportler mit großem Bewegungsdrang. Was raten Sie denen in diesen Zeiten?

Boris Schmidt:

Ich bin gerade an der größten Skate-Anlage Hamburgs vorbeigefahren, die wir als TSG Bergedorf betreiben. Die ist ganz bewusst nicht eingezäunt. Die Anlage war völlig übervölkert. Und wir sind dafür zuständig zu sagen: „Ihr dürft da nicht hin.“ Wir haben mehrere Schilder aufgehängt vom Bezirksamt: Anlage gesperrt. Die meinen dann, das würde reichen. Dies Kindern zu vermitteln ist schon sehr schwierig. Aber sie müssen es einfach mal aushalten. Da muss es Gespräche in der Familie geben. Mit Eltern und Geschwistern kann man ja mal joggen gehen. Und die Generation Z, die sowieso viel am Handy rumhängt, die muss man jetzt eben auch einfach mal ganz viel digital machen lassen.

O F:

Sie waren einst sehr stark in Hamburgs Bewerbung um die Olympischen Spiele involviert. In diesen Tagen tagt das IOC per Video bzgl. Olympia in diesem Jahr Tokio. Wie schätzen Sie die Chancen auf Ausrichtung der Spiele ein?

Boris Schmidt:

Das Problem ist, dass das IOC und die internationalen Sportfachverbände unglaublich unter Druck stehen mit den ganzen Qualifikations-Wettbewerben. Meine Prognose ist, dass die Spiele nicht stattfinden werden, aber ich habe großes Verständnis dafür, dass man erst mal abwartet. Für die Athleten hat das eine unglaubliche Bedeutung. Würde man es jetzt verschieben, könnte es sein, dass einige vielleicht in einem Jahr nicht dabei sein könnten, die jetzt eigentlich schon sicher qualifiziert sind. Für die Athleten einen gerechten Modus zu schaffen, das ist extrem schwierig. IOC-Präsident Thomas Bach hat ja aber auch in Interviews gesagt, man werde die Empfehlungen der WHO umsetzen.

Das Interview wurde geführt von Birgit Hasselbusch. Sie ist Kommentatorin bei Eurosport, hat für Euronews in Lyon gearbeitet und für Radio Plus Monte Carlo die Fußball-Bundesliga moderiert, genau so wie für den NDR in ihrer Heimatstadt Hamburg. Dort gehört sie auch zum Team der Medienmannschaft und schreibt Bücher für Erwachsene und Jugendliche, unter anderem eine Sportkrimi-Reihe.

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