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„Was zählt is auf’m Platz“

Von Michael Schirp

Wenn die Spieleindustrie nicht vor einigen Jahren auf die Idee gekommen wäre, ihre Produkte und
Veranstaltungen als eSport zu vermarkten, würde das Olympische Feuer an dieser Stelle ein anderes
Thema diskutieren. Die Branche jedoch brauchte den Imagetransfer vom Sport zum Spiel. Zu viele
Eltern, Mediziner oder Pädagogen hatten zu viel auszusetzen: Kinder und Jugendliche würden vor
dem Bildschirm sediert, wo doch deren gesamter Lebensstil bereits ohnehin immer bewegungsärmer
werde. Die Dauerdebatte um den Gewaltaspekt bei Ego-Shootern wollte auch nicht abebben, obwohl
die Spieletitel schon etwas mehr zu bieten haben als Straßen- und Häuserkampf.

Mittlerweile gehört man zum Establishment, füllt Arenen und Streaming-Channels und bietet
Markenartiklern und Agenturen den Zugang zur jungen Zielgruppe. Nur die Anerkennung als Sport
fehlt. Gemeint ist die formale, die auch beim Gang zum Finanzamt hilft. Wer könnte die geben, wenn
nicht der DOSB? Nun ist der kein Sport-TÜV und erklärt auch nicht seine Definition von Sport als die
allein selig machende. Der Dachverband der Verbände und Vereine versagt den Computerspielen
nicht die Anerkennung, sondern die Aufnahme in die Organisation, was gelegentlich verwechselt
wird.

Die Aufnahmeordnung formuliert Bedingungen, eine DOSB-Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern,
Juristen, Gaming-Experten und Verbandsvertretern kam 2018 zu dem Schluss, dass Computerspiele
diese in Summe nicht erfüllen. Gaming bringt eher zu wenig als zu viel Bewegung mit, verletzt in
manchen seiner Inhalte ethisch-moralische Kategorien und ist vor allem in all seinen Aspekten
ökonomisch getrieben, ein Business, macht sich seine Spielregeln wie und wann es der Unternehmer
will und nicht in einem transparenten und von der Basis in einem demokratischen Diskurs gestalteten
Prozess.

Auf der anderen Seite anerkennt der DOSB Computerspiele als lebendigen Teil von Jugendkultur und
schließt nicht aus, dass Sportvereine Computerspiele als Teil der außersportlichen sozialen
Aktivitäten von Vereinen anbieten – dann jedoch begleitet von pädagogischen Konzepten für den
Umgang mit elektronischen Sportartensimulationen und eGaming. Auch an einer inhaltlichen Brücke
baute die AG, indem sie zumindest diejenigen Spiele, die Sport zum Inhalt haben, als mögliche
Aktionsfelder für die jeweiligen Sportverbände benennt. Gleichzeitig wird die Diskussion um eSport
auch im IOC geführt. Auch dort eine Arbeitsgruppe, auch dort Interesse am Thema, aber eine klare
Abgrenzung in Richtung von Ego-Shootern und mehr Interesse an elektronischen
Sportartensimulationen.

Während das IOC um die Entwicklung seines Formats Olympische Spiele und den Weltsport Sorge
tragen muss, steht hinter dem Handeln des DOSB immer die Frage: Was hilft den Mitgliedsverbänden
und ihren Vereinen? Und hier gilt am Ende die alte Preisler-Weisheit .
Kinder und Jugendliche wachsen in eine immer massiver digitalisierte und virtualisierte Welt hinein.
Jede Stunde, die sie nicht im Netz, sondern mit Freunden auf dem Spielfeld, in der Halle oder im
Becken verbringen, ist „the real thing“ und in ihren Folgen für Körper, Geist und Charakter durch
keine noch so perfekt programmierte Kunstwelt ersetzbar. Insofern ist für den DOSB entscheidend,
dass Sportvereine, die Computerspiele integrieren, dies immer damit verbinden, Menschen für mehr Bewegung zu begeistern.

Foto: Francesco Militello Mirto/NurPhoto

Michael Schirp ist stellvertretender Ressortleiter Medien/Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

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