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Das Startup aus NRW: die Olympiabewerbung

von Daniel Theweleit

Es herrscht etwas Unordnung in den Büros der Rhein Ruhr City GmbH, Umzugskartons stehen in den Ecken, es riecht nach Aufbruch, hier, ein paar hundert Meter östlich des Müngersdorfer Stadions in Köln. Das kleine Unternehmen ist gerade erst eingezogen in die Zentrale, aus der der Unternehmer Michael Mronz ein bislang einzigartiges Großprojekt realisieren möchte. Angestoßen von einer Privatperson und mit Hilfe von Geldgebern wie der Deutschen Post, Evonik oder Daimler sollen 2032 erstmals seit 1972 wieder Olympische Sommerspiele in Deutschland stattfinden. Genauer: in der Region Rhein-Ruhr zwischen Bonn, Dortmund, Aachen und Wuppertal. „Unsere Initiative versteht sich als Angebot aus der Mitte der Gesellschaft heraus“, sagt Mronz, der ausschweifende und perfekt ausformulierte Monologe halten kann, wenn er über seine Pläne spricht. Der 52 Jahre alte Kölner schwärmt von einem „ökonomisch nachhaltigen Regionen-Konzept“, führt an, dass „knapp 90 Prozent der benötigten Sportstätten bereits heute vorhanden sind“, und versichert „zunächst ohne öffentliche Gelder auszukommen“. Die großen Gewinner sollen am Ende die Menschen in Nordrhein-Westfalen sein.

Das ganze Bundesland könnte – so sieht es der ambitionierte Plan vor – in eine goldene Zukunft geführt werden. Es geht nicht darum, „dass man sich schön macht für Olympische und Paralympische Spiele, expressis verbis: Nein!“, sagt Mronz. „Unser Ansatz ist, diesen Stichtag 2032 zu nutzen, um notwendige Infrastrukturprojekte durch Olympia voranzutreiben.“ Die Spiele sollen den Ausbau der Verkehrsnetze und die Digitalisierung der Schiene beschleunigen. Das olympische Dorf ist als Maßnahme gegen den Wohnungsmangel konzipiert, nach Ansicht des Unternehmers steht die einwohnerstärkste Region Deutschlands vor einer einzigartigen Chance. In Momenten der Begeisterung zieht Mronz, der jenseits der Sportszene bekannt wurde, als er 2010 den damaligen Außenminister Guido Westerwelle heiratete, Vergleiche zwischen seiner Vision für NRW und dem größten Innovationslabor des Planeten: „Wir tun immer so, als sei das Silicon Valley ein Ufo aus dem All, aber eigentlich sind die Unternehmen dort auch nur Ausgründungen von klugen Frauen und Männern mit Geschäftsideen.“ Nordrhein-Westfalen habe „die Chance, zur modernsten Metropolregion Europas zu werden“, und Olympische Spiele sollen dazu beitragen, diese Idee zu verwirklichen.

Diese Idee ist auch von einer sechsmonatigen USA-Reise inspiriert, auf der Mronz nach neuen Gedanken und Ideen suchte. Das dortige Sportbusiness ist auf vielen Ebenen vergleichsweise innovativ, besonders was die Möglichkeiten der Digitalisierung betrifft. Der Wunsch nach Neuem war aber auch war eine Reaktion auf den Tod des 2016 an Leukämie verstorbenen Westerwelle, den Mronz als Zäsur in seinem Leben beschreibt. Die Zeit der Trauer war lang, voller schwerer Momente. „Ich nehme Dinge einfach bewusster wahr als ich das vor dem Tod von Guido gemacht habe“, sagt er jetzt. Der Umbruch führte zu Veränderungen. Aus seinem ehemaligen Unternehmen MM Promotion ist er ausgestiegen, dafür gründete er ein Start-Up, das inzwischen 80 Mitarbeiter beschäftigt: Gemeinsam mit Kai Diekmann, dem früheren Chef-Redakteur der „Bild“-Zeitung und dem ehemaligen stern.de-Chef Philipp Jessen betreibt er die Agentur Storymaschine. Journalisten arbeiten dort gemeinsam mit Werbefachleuten und Datenanalysen an modernen Social Media-Kampagnen. Für Kunden, die meist ungenannt bleiben. Laut „Spiegel“ betreute das Unternehmen Ursula von der Leyen auf dem Weg ins Präsidentenamt der europäischen Kommission. Dieses Geschäft macht Mronz finanziell unabhängig und stärkt die Glaubwürdigkeit des Olympia-Projektes. „Ich muss mein Geld nicht im Sport verdienen“, sagt er.

Kritiker halten die Vision von einer goldenen Zukunft für das abgewirtschaftete Ruhrgebiet dennoch für überambitioniert, und wer die trostlosen Straßenzüge mit den vielen verbarrikadierten Läden in Gelsenkirchen oder Herne kennt, braucht tatsächlich viel Fantasie, um Mronz zu folgen. Auch der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) ist bislang eher zurückhaltend. „Michael Mronz ist mit seiner Initiative sehr weit. Aber nur, weil einer sehr schnell sehr weit vorgeprescht ist, ist er nicht automatisch der einzige Kandidat“, sagt DOSB-Vorstand Veronika Rücker in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Aber die Zuversicht und sein bisheriges Lebenswerk sprechen für den Diplom-Kaufmann.

Im Alter von 21 Jahren veranstaltete der Sohn eines Architekten und einer Galeristin sein erstes Tennisturnier. Sein Bruder Alexander spielte damals als Profi auf der Tour und war eine Zeit lang mit Steffi Graf liiert. Hinter Stefan Raabs Bundesvision Song Contest zog Mronz die Fäden, an Heidi Klums Finale von Germanys Next Topmodel wirkte er mit, ebenso wie bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin. Und beim internationalen Reitturnier CHIO in Aachen ist er bis heute geschäftsführender Gesellschafter. Wirtschaftlich haben all seine Projekte gut funktioniert, weshalb der Unternehmer verkündet: „Wir werben mit unserem Konzept bei den Menschen um Vertrauen und hoffen, dass sie uns dieses Vertrauen entgegenbringen, weil sie sagen: Dort wird ein Weg begangen, der ökonomisch und ökologisch nachhaltig ist und weil das Team einhält, was es zusagt.“ Die Botschaft des Rheinländers: Wir sind besser als die Funktionäre aus den Sportverbänden und die ehemaligen Politiker, die mit ihren Olympia-Bewerbungen von Berlin, Leipzig, Hamburg oder München scheiterten. Die Initiative Rhein Ruhr City agiert bislang außerhalb der dunklen Schatten, die über den großen internationalen Verbänden und den mit Großprojekten oftmals überforderten Kommunen liegen.

Aber warum geht dieser Mann solch ein kompliziertes und auch riskantes Projekt an? Mronz bewegt sich in einer Welt, die voll ist mit Figuren der Öffentlichkeit, wo Eitelkeiten und Geltungsbedürfnis weit verbreitet sind. Es wäre also naheliegend, wenn auch er zu diesem Menschen gehören würde, die darauf hinarbeiten, irgendwann mal für ein großes Lebenswerk erinnert zu werden. So wie die Bürgermeister, die das neue Stadien in ihrer Stadt auch als eine Art Denkmal des eigenen Wirkens betrachten. Mronz aber sagt: „Ich brauche für meine persönliche Vita nirgends stehen haben: Michael Mronz hat dazu beigetragen, die Olympischen und Paralympischen Spiele nach Deutschland zu holen.“ Das Geld ist es auch nicht, der gelernte Betriebswirtschaftler erhält für seine Geschäftsführer-Tätigkeit Null Euro. Aber was treibt ihn dann? „Freude“, antwortet er. „Ich komme aus dem Sport, ich liebe die Metropolregion, es würde mich total faszinieren, wenn wir das vorhandene Potential der Region durch Olympia 2032 als Katalysator vorantreiben könnten!“  Es geht also um die Menschen in einer Region, die zwar traditionell eine starke Industrie hat, die aus der Perspektive Bayerns, Baden-Württembergs oder Hamburgs aber immer als proletarisch und weniger kultiviert wahrgenommen wurde.

In der Zukunft, wo die wertvollste Ressource Deutschlands mehr und mehr die vielen gut ausgebildeten Menschen seien, habe NRW enorme „Chancen, sich im internationalen Wettbewerb entsprechend zu positionieren“, sagt Mronz. „Hier leben 500.000 Studierende, das gibt es in Europa sonst nirgends.“ Die Kommunen und die Landesregierung sind längst überzeugt, sogar die Grünen ziehen mit. Offen ist allerdings, ob sich auch der DOSB auf so ein Wagnis mit einem Mann einlässt, der die alten Pfade der Sportpolitik verlassen hat.

Foto: picture alliance / Günther Ortmann

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