Sport findet Stadt! Perspektiven des Vereinssports.
von Andreas Klages
Gegenwärtig ist häufig von einer „Renaissance der Städte“ und von einer „Reurbanisierung“ die Rede. Dabei werden unterschiedliche Trends deutlich: Zum einen gibt es Städte, darunter auch mittelgroße Universitäts- und Dienstleistungsstandorte, die sehr attraktiv sind und deren Bevölkerung wächst. Zum anderen gibt es aber Kommunen, die nach dem Wegbrechen ehemals dominanter Industriezweige wirtschaftliche Schwierigkeiten und einen Strukturwandel bewältigen müssen.
Aufgrund sozialer Ausdifferenzierung und sozialer Heterogenität sind aber auch in wachsenden Städten schrumpfende Quartiere anzutreffen und in insgesamt schrumpfenden Städten kann es wachsende Quartiere geben. Die Entwicklung der Bodenmärkte und -preise verschärft die sozialräumliche Segregation. Kurz: Große Städte wie kleinere Kommunen in Deutschland sind mit vielfältigen stadtentwicklungspolitischen Herausforderungen konfrontiert und es ist zunehmend schwerer, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu organisieren.
Vor diesem Hintergrund ist die Handlungsfähigkeit der Städte unter Druck, zumal weitere Themen auf den Tagesordnungen der Kommunen stehen, wie z.B. kommunaler Klimaschutz, Kinderbetreuung oder Digitalisierung („Smart City“). Trotz dieses Handlungsdrucks gehen viele Kommunen und insbesondere die größeren Städte weiterhin davon aus, dass sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt alleine mit den herkömmlichen (Förder-) Instrumenten der Stadtentwicklung gestalten können.
Doch das Gegenteil ist richtig: Die Stadtentwicklung braucht Partner! Ohne zivilgesellschaftliche Kooperationspartner wird es den Städten zunehmend schwerfallen, sozialen Zusammenhalt zu organisieren und Lebensqualität vor Ort zu schaffen.
Die Sportvereine sind ein zentraler Partner der Stadtentwicklungspolitik im 21. Jahrhundert! Sie sind Integrationsmotor und wichtiger Faktor für die Schaffung von Lebensqualität. Die Bedeutung von Sport und Spiel wird – jenseits der Sportämter – von Kommunalpolitik und -verwaltung jedoch noch unterschätzt.
Während die Integrationspotenziale der Sportvereine überwiegend anerkannt sind, sind ihre flächendeckenden Angebote zur gesundheitlichen Prävention und ihre zeitgemäße Zielgruppenarbeit (z.B. im Bereich der Inklusion durch und im Sport) und allgemein ihr breites Kooperationsspektrum meist nicht Bestandteil übergreifender kommunaler Handlungsstrategien. Insgesamt sind Sportvereine zu selten als Zukunftsfaktoren integrierter Stadtentwicklungskonzepte vor Ort anerkannt.
Dabei bieten Sportvereine vielfältige Potenziale für Deutschlands Städte und zur Gestaltung stadtentwicklungspolitischer Herausforderungen. So sind die Sportvereine Deutschlands Sportanbieter Nr. 1. Gleichzeitig sind sie der größte Kooperationspartner im Ganztag und übernehmen durch ein breites Angebots- und Kooperationsspektrum konkret Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort. Darüber hinaus integriert keine Freiwilligenorganisation mehr Kinder- und Jugendliche sowie Angehörige anderer sozialer Gruppen. Sportvereine verkörpern Werte wie Demokratie und Fair Play und sie treten gegen Rassismus ein, sie engagieren sich zunehmend im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes und sie übernehmen als Eigentümer oder Betreiber von Sportstätten auch Verantwortung für Infrastruktur und städtische Räume in gesellschaftlicher Verantwortung.
Vor diesem Hintergrund ist es politisch sinnvoll, Sportvereine und ihre Potenziale in kommunale Handlungsstrategien systematischer als bisher aktiv einzubeziehen. Die Zusammenarbeit sollte sich nicht nur auf die Kooperation des Sportamtes mit den Vereinen beschränken, sondern auch das Grünflächenamt, das Schuldezernat, die Planungsbehörde, das Umweltamt etc. miteinbeziehen.
Sport findet Stadt! Beispiel Frankfurt/Main: “Starker Sport – Starke Stadt” – unter diesem Motto versteht sich der Sportkreis Frankfurt als politische Interessenvertretung der Vereine. Der Sportkreis Frankfurt ist die Dachorganisation aller Frankfurter Turn- und Sportvereine, er ist dem Landessportbund Hessen angeschlossen und vertritt die Interessen der 420 Frankfurter Turn- und Sportvereine mit über 235.000 Sportlerinnen und Sportlern. Er arbeitet intensiv mit der Stadtverwaltung sowie dem Landessportbund zusammen. Der Sportkreis und die Vereine werden durch vielfältige und zeitgemäße Förderansätze durch die Stadt Frankfurt finanziell unterstützt.
Eine gut entwickelte Vereinslandschaft ist wesentlich für eine lebenswerte Stadt. Der Sportkreis wirbt nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern für mehr Sport und Bewegung, sondern seine Arbeit steht in einem wichtigen gesellschaftspolitischen Kontext: Zu den Schwerpunkten der Arbeit gehören Gesundheit, Integration, Behinderten- sowie Seniorensport und Jugendarbeit. Seine Projekte fördern das Zusammenleben unterschiedlichster Gruppen in der Stadt, beispielsweise durch die Betreuung einer Reihe von Projekten im Stadtteil Gallus, die Sport mit sozialpädagogischen Angeboten für Jugendliche verknüpfen.
Sporträume sind ein stadtentwicklungspolitisch wichtiges Kooperationsfeld, denn ohne Sporträume kein Sport! Zur Sicherstellung der kommunalen Sportinfrastruktur sollten die Städte ihre Sanierungs- und Modernisierungsanstrengungen ausbauen und vereinseigene Sportanlagen konsequent finanziell fördern sowie hierfür entsprechende Flächen zur Verfügung stellen.
Besonders wachsende Städte benötigen Grün- und Freiräume. Sportvereine können wichtige Partner und Akteure in der politischen Arena und beim Verhandeln von Flächenkonkurrenzen (Gewerbe vs. Grünräume, Verkehr vs. Freiräume) sein. Darüber hinaus benötigt vor allem der informelle Freizeitsport (z.B. die urbane Läuferszene), attraktive und gesundheitsfördernde Flächen und Strecken, beispielsweise in städtischen Parks. Sportvereine können zudem Kooperationspartner der Stadt und zugleich Anbieter von „Sport im Park“-Angeboten auch und gerade für Nicht-Mitglieder sein (wie z.B. in vielen Städten in Nordrhein-Westfalen).
Die Reform der Sportanlagenlärmschutzverordnung (SALVO) hat zwar seit September 2017 einen sportfreundlicheren Interessenausgleich geschaffen, jedoch werden die Entwicklungsmöglichkeiten von Sporträumen – insbesondere in wachsenden Städten – von immissionsrechtlichen Grundlagen weiterhin eingegrenzt. Ein Beispiel hierfür sind die Einschränkungen von Ansätzen der Innenentwicklung durch die SALVO, wenn die Aufgabe von zwei Altanlagen zugunsten des Baus einer neuen Anlage an den strengeren Richtwerten für die Neuanlage scheitert. Daher besteht auf Bundesebene unverändert Bedarf, die SALVO weiterzuentwickeln, z.B. durch Einfügung des im Immissionsrecht bereits anderweitig verankerten sogen. „Kinderlärmprivilegs“.
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Andreas Klages ist seit August 2018 Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes Hessen. Der Diplom-Politologe arbeitete zuvor 17 Jahre lang beim DOSB, zuletzt als stellvertretender Geschäftsbereichsleiter Sportentwicklung und Ressortleiter Breitensport/Sporträume. Als Experte für Sportentwicklung, Sportstätten, Sport und Umwelt sowie Kommunalpolitik und Sport war er Mitglied in zahlreichen Fachgremien, zudem hat er zahlreiche Veröffentlichungen zu Themen der Sportentwicklung vorgelegt.