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Olympiabewerbung Rhein Ruhr 2032 – (Wie) Können wir gewinnen?

Liebe Leser, liebe Freunde des “Olympischen Feuers”, in der letzten Woche ist dieser spannende Beitrag von Wolfgang Maennig in insgesamt drei Teilen erschienen. Falls Sie ihn verpasst haben oder Sie ihn nochmal als Ganzes nachlesen möchten – bitte schön! Viel Spaß dabei.

von Wolfgang Maennig [RINGE | ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT | WIRTSCHAFT]

Rhein-Ruhr hat für Olympia 2032 seinen Hut in den Ring geworfen, und der DOSB unter seinem Präsidenten Alfons Hörmann hat sich hinter die Bewerbung gestellt. Ein mutiges und optimistisches Zeichen in einer Zeit, in welcher unter anderem Korruption und Doping, aber auch Kostenprobleme dem Ansehen des Treffens der besten AthletInnen der Welt viel Schaden zugefügt haben. Die Privatinitiative Rhein Ruhr setzt dem die Hoffnung auf Ehrlichkeit und Offenheit entgegen – ein neues Sommermärchen…

Aber wie realistisch sind unsere Chancen, den Zuschlag zu erhalten? Erinnern wir uns zunächst an die letzten deutschen Olympiabewerbungen. Berchtesgaden erhielt mit seiner Bewerbung für die Winterspiele 1992 sechs(!) der 84 abgegebenen IOC-Stimmen und schied als erste der sieben Bewerberstädte aus. Berlin bewarb sich für die Sommerspiele 2000, erhielt neun(!) der 89 Stimmen und schied – nach Istanbul – als zweite Stadt aus. Die Leipziger Bewerbung für die Sommerspiele 2012 scheiterte bereits in der ersten Bewerbungsphase und wurde zur IOC-Abstimmung nicht mehr zugelassen. München wollte die Winterspiele 2018, erhielt 25 der 92 abgegebenen Stimmen und unterlag dem südkoreanischen Pyeongchang (63 Stimmen) bereits im ersten Wahlgang. Zu einer zweiten Bewerbung Münchens für 2022 kam es nach einem negativen Volksentscheid nicht mehr. Auch Hamburg 2024 scheiterte an einem Volksentscheid.

Angesichts dieser nur begrenzt positiven Erfahrungen mit deutschen Olympiabewerbungen sollte die Eingangsfrage anders gestellt werden: Was können wir aus der Vergangenheit lernen – wie (anders) sollte eine Olympiabewerbung aussehen, damit sie erfolgreich sein kann?

Fangen wir mit den Einflussfaktoren an, die grundsätzlich für Deutschland sprechen: Am wichtigsten: Deutschland ist „an der Reihe“. Die Spiele von München werden im Jahre 2032 60(!)Jahre Geschichte sein – unfassbar lange für eine international als wirtschaftlich stabil, politisch liberal und sportlich stark wahrgenommene Nation. Einer Nation, welcher ohne Zweifel international zugetraut wird, dass sie die Spiele organisieren und finanzieren kann.

Weitere Faktoren, die sich in empirischen Untersuchungen als wichtig (Maennig und Vierhaus 2015 und 2016) herausgestellt haben, sprechen für Deutschland und Rhein Ruhr 2032: Es ist ein Land mit großer urbaner Bevölkerung, guter Infrastruktur von großen Sportstätten, und wir haben viel Erfahrungen mit dem Ausrichten von Weltmeisterschaften in Olympischen Disziplinen. Wir waren stets verlässliche und gute Gastgeber, Auch dass das IOC die Sommerspiele häufig an Nationen gegeben hat, die im fraglichen Zeitraum die Fußball-WM organisiert haben (vgl. Deutschland 1972/ 1974, USA 1994/1996, Brasilien 2014/2016) spricht eher für Deutschland: Die rauschende Fußball-Party 2006 ist der internationalen Sportfamilie in guter Erinnerung, und in 2024 werden wir die Fußball-EM ausrichten. Wahrscheinlich könnte eine erfolgreiche Bewerbung um die Fußball-WM 2030 oder 2034 unsere Olympia-Chancen weiter steigern…

Allerdings gibt es auch Faktoren, bei denen wir noch arbeiten müssen: Zwar lässt die neue Strategie des IOC ausdrücklich auch die Möglichkeit der Bewerbung von Regionen anstatt von einzelnen Städten zu. Dennoch: Das IOC hat in den letzten Dekaden die Sommerspiele ausschließlich an Städte mit mehr als 2,5 Millionen Einwohnern vergeben, und die Städte wurden eher größer und splendider. Wir wissen, dass Rhein Ruhr eigentlich eine riesige Metropole ist, aber die entsprechende Außendarstellung gelingt international bislang nicht immer. Es wird eine zentrale Aufgabe, das Gebiet Rhein Ruhr so zu integrieren, dass es international so wahrgenommen wird, wie es sich selber sieht. In Rhein Ruhr sagt man, dass eher Berlin und München fusionieren, als dass Gelsenkirchen und Recklinghausen, Düsseldorf und Köln zusammengehen. Von außen ist das wenig verständlich, und auf Nachfragen kommen auch von örtlichen Experten nur wenige international vermittelbar Argumente. Olympia hat etwas damit zu tun, unterschiedlichen Menschen zusammenzubringen. Ist es anlässlich der Olympiabewerbung an der Zeit, über „Ruhrstadt“ (oder emotionaler: „Ruhrhaven“), der größten deutschen Stadt nachzudenken? Dann wäre ein nachhallendes Erbe der Olympiabewerbung gesichert, für Rhein Ruhr und für Deutschland.

Wichtig für einen Erfolg der Olympiabewerbung ist auch ein konfliktfreies Verhältnis zum IOC. Mit Thomas Bach als Präsidenten des IOC haben wir die wichtigste Persönlichkeit des Sportes nahe bei uns. Allerdings ist er als IOC-Mitglied an erster Stelle dessen Präsident, und erst in zweiter Linie Deutscher. Und so wird er sich damit schwertun, dass in jüngerer Zeit aus Deutschland auch Probleme auf den internationalen Sport zugekommen sind.

Die Einordnung des Dopings ins deutsche Strafrecht passt nicht jedem im internationalen Sport, weil befürchtet wird, dass Doper aufgrund der Prozeduren im Strafrecht zu oft straffrei ausgehen. Immerhin, Deutschland steht mit dem strafrechtlichen Vorgehen nicht alleine, und die deutsche Staatsanwaltschaft hat sich mit Aufdeckungen von Straftaten verdient gemacht, die sonst wohl nicht erkannt worden wären. Deutschland ist leider auch immer wieder in Korruptionsfälle verwickelt, zuletzt wurden dubiose Zahlungen im Zusammenhang mit der Fußball-WM angeklagt. Allerdings haben die deutschen Behörden keinen Zweifel gelassen, dass sie die Korruption unnachgiebig verfolgen. Im internationalen Klima-Protest und bei den Klagerechten gegen Infrastrukturprojekte haben Deutschland und Rhein Ruhr eine weltweite Spitzenstellung. Das kann die Bewerbung behindern – aber wenn die Protagonisten und Gesetzgeber klarmachen und praktizieren, dass sie nicht gegen Wachstum, sondern für ein besseres, nachhaltiges, sprich: langfristig höheres Wachstum sind, dann kann daraus ein Pro-Argument werden. Und zuletzt haben die Forderungen von deutschen AthletInnen, dass das IOC einen Teil der Einnahmen direkt an die Olympioniken ausschütten solle, im IOC Unruhe verursacht. Für das IOC ist die Diskussion offensichtlich noch (zu) früh, und es könnte sich schwertun, just in einer solchen Situation die Spiele nach Deutschland zu geben. Andererseits haben die deutschen AthletInnen international bei vielen AthletInnen Sympathie und Respekt erfahren. Die Forderung der AthletInnen ist allerdings durchaus nachvollziehbar, und vielleicht überdenkt der Reformer Thomas Bach seine Sicht noch einmal. Jedenfalls ist Thomas Bach hoch angesehen – wenn er es wirklich will, werden ihm seine IOC-Kollegen die Vergabe der Spiele nach Deutschland nicht abschlagen!

Zuletzt gibt es noch einen ganz wichtigen, wahrscheinlich zentralen Einflussfaktor für erfolgreiche Olympiabewerbungen:  mindestens 2/3 der Bevölkerung einer Olympiabewerber-Stadt sollten zustimmen. Für Rhein Ruhr 2032 zeigen aktuelle Umfragen, dass solche Zustimmungswerte in erreichbarer Nähe liegen. Dennoch wird es auch in Rhein Ruhr wichtig sein, die bislang zurückhaltenden Bevölkerungsmilieus noch stärker mit einem frischen, vielleicht provozierenden Konzept zu überzeugen.

Für die Entwicklung eines solchen Konzeptes ist das neue Auswahlverfahren des IOC übrigens ideal. Früher mussten die Bewerberstädte ein Konzept entwickeln, über welches dann im IOC abgestimmt wurde. Heute bietet sich das IOC als langjähriger Gesprächspartner an, mit dem eine Strategie gemeinsam entwickelt werden kann. Wir brauchen also keine Sorge zu haben, „zu“ innovativ zu sein.

Rhein Ruhr 2032 sollte hierfür sein bevölkerungsnahes, transparentes und partizipatives Konzept bewahren und ausbauen. Die Entwicklung eines solchen Konzeptes kann nicht die Aufgabe der Eliten aus Politik und Verwaltung sein. Im Gegenteil, für manche ist das, was „von oben“ kommt, grundsätzlich schlecht. Insofern war es ein Glücksfall, dass Rhein Ruhr 2032 eine Bürgerinitiative ist. Für viele kritische Menschen in den Städten schafft dies Vertrauen. Für viele Menschen ist „Partizipationsgerechtigkeit“ genauso wichtig wie Gleichheit vor dem Gesetz, Verteilungs- oder Chancengleichheit. Im Falle der mit Olympia oft verbundenen Stadtentwicklung dürfte dies auch daran liegen, dass die Kenntnisse der formalen Eliten aus Politik und Verwaltung zur „richtigen“ Entwicklung von Stadt, Bezirk und Kiez von größer werdenden Milieus nicht mehr als überlegen anerkannt werden.

Die digitalen Pioniere in Rhein Ruhr könnten für Rhein Ruhr 2032 eine App entwickeln, mit Eigenschaften, welche die Partizipation weltweit auf eine neue Ebene stellen: ehrliche Identifikation der Beteiligten, Ausschließen von Bots und Fake-Accounts; clevere aber transparente statistisch/mathematische Verfahren zur „Präferenzaggregation“. Eine solche App könnte weltweit Verwendung finden, insbesondere bei Fragen der Stadtentwicklung, und die Innovationskraft der Region demonstrieren.

Die Ideen, die in einem solchen Beteiligungsverfahren aufkommen, können auch schmerzhafte Hinweise auf die wunden Punkte Olympischer Spiele ergeben. Das wäre der Fall etwa bei der Forderung, Ausgleichsmaßnahmen nicht nur ökologisch, sondern auch sozial zu konzipieren, um beispielsweise den Menschen die Angst vor Mietpreissteigerungen zu nehmen. Eine stärkere Integration von Kunst und Musik in den Bewerbungs- und Austragungsprozess, Gastaufenthalte ausländischer Familien. Gratis Public Viewing vor jeder Sportstätte und die Chance für deren Besucher, eine Eintrittskarte zu erhalten, wenn – wie oft –Zuschauerplätze drinnen (trotz „ausverkauft“) unbesetzt bleiben und diese verlost werden.

Zu einer transparenten und ehrlichen Bewerbung gehört auch ökonomische und finanzielle Redlichkeit. Es braucht keine volkswirtschaftlichen Studien, die erneut Einkommenszuwächse von mehreren Milliarden Euro und hunderttausende von zusätzlichen Jobs aufgrund Olympischer Spiele versprechen. Die weltweite statistische Evidenz zu allen Sport-Megaevents zeigt, dass die volks- und regionalwirtschaftlichen Effekte, wenn überhaupt positiv, dann äußerst klein sind (Maennig 2019b). Haben wir aufgrund der WM 2006 einen Konjunkturaufschwung gehabt? Nein, und dennoch gibt es heute breite Zustimmung zu dem Event. Studien, die wider besseres Wissen Konjunkturimpulse versprechen, schaden der Glaubwürdigkeit einer deutschen Olympiabewerbung. Es gilt grundsätzlich: Es sollte nicht zu viel versprochen werden.

Thema Stadtentwicklung: Rhein Ruhr 2032 sollte seinen Charakter als Privatinitiative bewusst behalten. Das würde sicherstellen, dass Olympia nicht als Argument für Infrastrukturprojekte missbraucht wird, die sonst schwer durchsetzbar sind. Bitte keine „unabweisbaren“ Flughafenerweiterungen, Autobahnausbauten etc.. Erstens stimmt es eben nicht, dass Olympia mehr Flughafenkapazitäten braucht. Und zweitens wird ein Widerstand, der eigentlich die Flughafenerweiterung treffen soll, auf das unschuldige Olympia projiziert. Und die „Kostenrechnungen“ zu Olympia würden um Milliardenbeträge steigen, obwohl die Belastungen nichts mit Olympia zu tun haben.

Es wird bei einem partizipativem Vorgehen Vorschläge geben, an die der organisierte Sport nicht gedacht hat. Viele werden schwer umsetzbar erscheinen, aber langfristig dafür umso wirksamer sein. Es könnte der Vorschlag kommen, „nichts neu zu bauen“. Im Fall von Rhein Ruhr 2032 stehen die Zeichen gut: je nach Quellenlage existieren bereits 80-95% der notwendigen Sportstätten. Der kleine unabweisbare Rest sollte privat finanziert werden – keine Kosten für die Öffentliche Hand! Dass die rund 18 Millionen Menschen im Einzugsgebiet für eine gute Nachnutzung sorgen würden, ist übrigens gerade kein Argument für staatliche Finanzierung. Bei sinnvoller Nachnutzung finden sich private Investoren. Die Privat-Finanzierung ist geradezu der Lackmus-Test, ob die Neubauten nachhaltig sind.

Auch die Bewerbungskosten, die für Rhein Ruhr 2032 deutlich unter 30 Millionen € liegen sollen, sollten weiterhin privat finanziert werden. Die bisherige Strategie von Rhein Ruhr 2032 war für Deutschland einzigartig und sollte fortgesetzt werden: Die Bewerbungskampagne muss von einem – im Sport durchaus üblichen – ehrenamtlichen Engagement von Managern, Mitarbeitern und Gutachtern (weiter)getragen werden. Und unabweisbare Kosten (wie die für Flüge) müssten von Mäzenen und Spendern getragen werden. In Rhein Ruhr gibt es hinreichend viele Persönlichkeiten, die ihrer Region für die langjährigen Rahmenbedingungen dankbar sind, in denen sie Lebensglück und finanzielle Sicherheit fanden. Sie bräuchten nicht lange gebeten zu werden.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Weder der Arbeitseinsatz noch die Finanzierung darf „den Arrivierten“ vorbehalten sein. Persönlichkeiten wie die genannten brauchen die Ergänzung durch Menschen in anderen Lebensphasen, aus anderen sozialen Geflechten und mit anderen Erfahrungen. Bei der Finanzierung ist auch auf „crowd funding“ zurückzugreifen, was dem Bedürfnis moderner Milieus, partizipieren zu können, erneut entgegenkäme. Mit welch einzigartigem Beweis von Enthusiasmus stünde eine deutsche Bewerbung mit Null-Belastung der Öffentlichen Haushalte im internationalen Konzert der derzeitigen Millionen-Kampagnen da!

Übrigens würde eine solche Finanzierung über das Engagement Privater die Olympischen Spiele wieder dichter an ihre Wurzeln als Sportereignis bringen, und abbringen von der Verirrung, Olympische Spiele als Stadt- und Regionalentwicklungskonzept zu interpretieren.

Dies könnte bedeuten, kein Leichtathletik- und Olympiastadion zu bauen, sondern in eine der großen Fußball-Arenen eine temporäre Athletik-Ebene einzubauen. Die dann verbleibenden Kapazitäten entsprechen sicher nicht den aktuellen, hohen Anforderungen. Der Widerstand des einflussreichen Internationalen Leichtathletikverbandes ist abzusehen und würde die Bewerbung Stimmen kosten. Aber hat das IOC nicht oft genug Ärger mit dem Bau von Olympiastadien gehabt, die anschließend nicht mehr angemessen genutzt werden konnten?

Für eine solche Haltung der Nachhaltigkeit, Einfachheit und Sparsamkeit und den Mut, den oft überzogenen Ansprüchen internationaler Verbände zu widerstehen, wären Rhein Ruhr 2032 die Sympathien auch von Wettbewerbern sicher. Bei den nächsten Runden könnten andere Bewerberstädten einige Elemente übernehmen. Die Spirale des Gigantismus, immer größere und bessere Sportstätten zu fordern, wäre gebrochen. Ein Beitrag zum Ende der Ära von stromlinienförmigen, auswechselbaren Olympiakonzepten wäre geleistet.

Um zu testen, ob der partizipative Ideenfindungsprozess gelungen ist, muss am Ende eine Volksabstimmung entscheiden, welche den entscheidenden Vorteil im internationalen Wettbewerb erbringen könnte. Paris, Los Angeles Tokio, Rio, London, Peking, … keiner der Ausrichter hatte solche eine Volksabstimmung; Rhein-Ruhr 2032 würde ein starkes und vielerlei Sicht einzigartiges Zeichen an die olympische Sportfamilie senden, dass sie willkommen ist. Es mag eine vergleichsweise längere Zeit dauern, ein solches Konzept zu entwickeln, dass eine breite Zustimmung in einer Volksabstimmung findet, aber die Qualität der Bewerbung dürfte steigen – zumindest gegenüber den Konzepten, die Deutschland in den vergangenen Jahren abgeliefert hat. Nach einer solchen Volksabstimmung wäre dann die Organisation erleichtert um die ansonsten mühselige Kommunikationsarbeit. Der gesparte Aufwand nach der Volksabstimmung und während der Vorbereitungsphase könnte den Aufwand vor der Volksabstimmung überwiegen.

Ein Wort zu den Olympiamanagern: Benötigt werden fachkundige, sympathische, pragmatische, aber willensstarke und erfolgreiche, im Sport und darüber hinaus glaubwürdige Persönlichkeiten. Michael Mronz vereinigt diese Eigenschaften. Die Findung weiterer solcher Persönlichkeiten sollte nicht wie bisher kleinen Kreisen von Entscheidungsträgern in einem intransparenten Verfahren vorbehalten sein. Dies führte bei den deutschen Olympiabewerbungen der letzten 25 Jahre nicht immer, aber allzu oft dazu, dass anderweitig Gescheiterte mit einem Posten versehen wurden. Nein, gerade die Auswahl der Führungspersönlichkeiten sollte einem öffentlichen Partizipationsprozess vorbehalten sein.

Mit Ausnahme des – sehr positiven – Beispiels von Kati Witt für München 2018 haben Olympioniken bei den bisherigen deutschen Bewerbungen kaum eine Rolle gespielt. Das verwundert; bei praktischen allen erfolgreichen internationalen Olympiabewerbungen der letzten Zeit waren Olympioniken in der Geschäftsführung aktiv. Sie waren geradezu das internationale Gesicht der Bewerbungen. Für die Olympische Familie schafft es Vertrauen, wenn die Ihrigen die Geschicke mitbestimmen.

Rhein Ruhr hat so viele starke Olympische Charaktere wie keine andere deutsche Region. Es ist ganz einfach, die Liste der lokalen Olympiasieger nach Persönlichkeiten zu durchsuchen, die auch nach dem Sport brillierten. Das Ergebnis könnte manche verblüffen, allein ob der großen Zahl der Geeigneten, die für Überzeugung, Hingabe und Erfolg stehen. Genau diese weiteren Persönlichkeiten braucht es für eine national und international begeisternde Olympiabewerbung.

Vielleicht kommt in einem solchen Personalfindungsprozess sogar heraus, dass es an der Zeit ist, sich von Ein-Personen-Lösungen zugunsten von Teams zu verabschieden. In anderen Lebensbereichen sind wir längst so weit, dass beispielsweise stets ein Mann und eine Frau „vorsitzen“ sollen. Sicher dürfte nur sein, dass es Überraschungen geben wird; der Autor ist sicher: sehr positive!

Letzte Bemerkung des Autors, eines gebürtigen und überzeugten Berliners: Ja, Berlin könnte auch „Olympia“ – technisch gesehen. Der große Engpassfaktor ist jedoch die unzureichende Zustimmung in der Bevölkerung. Hier ist viel Arbeit nötig. Diese Arbeit kann übrigens nicht von der Landesregierung, der Industrie- und Handelskammer o.ä. geleistet werden – der Versuch wäre angesichts der berlinspezifischen Milieus kontraproduktiv. Berlin braucht Typen wie Michael Mronz. Solange Olympia Berlin solche Protagonisten nicht hat, ist es ein sicheres Zeichen, dass es nicht olympiareif ist. Aber es tut sich Einiges in Berlin; junge Aktive mit neuen Horizonten kommen in die Stadt und bringen neuen Schwung; Alt-Berliner Sport-Enthusiasten schöpfen wieder Hoffnung. Jetzt aber sollte Berlin sich ohne Vorbehalte hinter Rhein Ruhr 2032 stellen. Nur dann kann es – sollte Rhein Ruhr 2032 nicht erfolgreich sein – bei späteren eigenen Versuchen auch die Solidarität und Unterstützung von Rhein und Ruhr einfordern.

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Literatur:

Maennig (1991b), Kosten-Nutzen-Analyse Olympischer Spiele in Deutschland, in: List-Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, 43, pp. 336-362.

Maennig (2014), Wir haben keine Chance – nutzen wir sie. Zur deutschen Olympiabewerbung, in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.08.2014, S. 27

Maennig (2016), Preventing corruption in the planning of major sporting events: open issues, in: Transparency International (Ed), Global Corruption Report Sport, 169-173

Maennig, Ch. Vierhaus (2015), Olympiabewerbung 2024: Erfolgsfaktoren aus sozialökonomischer Perspektive, in: Wirtschaftsdienst, 95(3), 213-219. doi: 10.1007/s10273-015-1808-9, http://www.wirtschaftsdienst.eu/archiv/jahr/2015/3/olympia-bewerbung-2024-erfolgsfaktoren-aus-sozialoekonomischer-perspektive/

Maennig, Chr. Vierhaus (2016), Winning the Olympic host city election: key success factors, Applied Economics, http://dx.doi.org/10.1080/00036846.2016.1254339

Maennig (2019a), Public Referenda and Public Opinion on Olympic Games, in: P. Downward, B. Frick, B. Humphreys, T. Pawlowski, J. Ruseski, & B. Soebbing (Eds.) Handbook of Sports Economics: SAGE Publications Ltd

Maennig (2019b), Major Events: Economic Impact, in: P. Downward, B. Frick, B. Humphreys, T. Pawlowski, J. Ruseski, & B. Soebbing (Eds.) Handbook of Sports Economics: SAGE Publications Ltd

 

Foto: Fabian Sommer / dpa

 

 

 

 

Wolfgang Maennig ist Professor für Wirtschaftswissenschaften. 1988 gewann er mit dem Deutschlandachter die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul und war von 1995 bis 2001 Vorsitzender des Deutschen Ruderverbandes (DRV).

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