Athleten geben Richtung vor – aber wenden sich nicht gegen IOC-Präsident Bach
Ein Kommentar von Gerd Graus [RINGE]
Der Deutsche Olympische Sportbund will die deutschen Olympia-Athleten und Athletinnen befragen, wie sie zu einer Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio stehen.
Gut so.
Ganz egal, wie die Fragen formuliert werden, ob einfach ja oder nein, oder ob noch andere Möglichkeiten zugelassen werden. Es ist richtig, die Meinung der Sportler und Sportlerinnen einzuholen.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hätte ihnen schon zuvor Sicherheit geben können durch eine Verschiebung der Olympischen Spiele, deren Durchführung so schwer vorstellbar ist. Und das wäre wohl die richtige Maßnahme – schon seit Tagen.
Die Sportler und Sportlerinnen, nicht nur in Deutschland, haben sich in den vergangenen Tagen zum Teil klar positioniert. Sie haben deutlich geäußert, wie schwer ihnen eine Absage der Wettkämpfe, auf die sie sich so intensiv und lange vorbereitet haben, fallen würde.
Aber, ihre Äußerungen zeigen, dass sie den Teamgedanken, der dem Sport innewohnt, ernst nehmen. Ihnen geht die Gesundheit der Athleten und Athletinnen, auch der aller Konkurrenten und Konkurrentinnen, vor dem Gewinn von Medaillen. Dieses Denken zeugt von Solidarität.
Diese Selbständigkeit der deutschen Olympia-Teilnehmer und Teilnehmerinnen jetzt aber als persönliche Niederlage für Dr. Thomas Bach werten zu wollen, ist jedoch weit gefehlt.
Die Sportlerinnen und Sportler haben sich nicht gegen den IOC-Präsidenten gewandt. Dem Großteil von ihnen ist bewusst, dass sich der ehemalige Präsident des Deutschen Olympischen SportBundes, Fechter, Olympiasieger, die Entscheidung über eine Empfehlung für eine Verschiebung oder gar Absage der Spiele ganz bestimmt nicht leicht macht.
Sie können nachfühlen, was es bedeutet, ein Sportereignis, das die ganze Welt zusammen bringt, auf das ganz viele Menschen auf der ganzen Welt hin gearbeitet und trainiert haben, absagen zu müssen.
Dabei denken die meisten ganz sicher nicht zuerst in wirtschaftlichen Dimensionen, auch wenn die, für das IOC im großen, für viele Sportler in einem kleineren, aber ihre Lebensgrundlage bestimmenden Maßstab, ohne Frage eine wichtige Entscheidungsgrundlage sind.
Aber eben nicht die alles Entscheidende. Das weiß, auch Thomas Bach. Als IOC-Präsident muss er jedoch in internationalen und nicht nur in nationalen Kategorien denken und handeln. Aber, er wird die Sportler hören – ihr Signal ist ein wahrhaft olympisches. Und es wird keine vier Wochen dauern, wie jetzt angekündigt, bis das IOC zu einer Entscheidung kommen wird.
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Gerd Graus ist redaktioneller Berater des Olympischen Feuers. Der ehemalige Sprecher der Olympiamannschaft und Leiter Medien des DOSB hat das “neue” Olympische Feuer mit entwickelt. Gerd Graus gehört dem Präsidium der DOG Berlin an.