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“Bisher hat noch kein Journalist eine Würstchenbude aufgemacht.“  

Ein interview von Birgit Hasselbusch mit Erich Laaser, Präsident des Verbandes deutscher Sportjournalisten [ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT | MENSCHEN ]

Auszeit: Der Sportjournalismus leidet währen der Corona-Krise immens. Durch Absagen und Verschiebungen von Events (Olympische Spiele, Fußball-EM, Bundesliga, Tennis-Grand Slams) fallen etliche Aufträge weg. Darüber hat das Olympische Feuer mit Erich Laaser gesprochen, Sportreporter und Präsident des Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS).

Olympisches Feuer: Wen trifft die Corona-Krise bei den Sportjournalisten am meisten?

Erich Laaser: In solchen Fällen trifft es ja immer die Schwächsten. Hier die freien Sportjournalisten, die kein Gehalt beziehen. Wenn kein Sport stattfindet, gibt es auch keine Aufträge. In Sachen Finanzen haben wir als VDS schnell versucht zu helfen, indem wir aus allen möglichen Angeboten des Bundes, der Länder, der Städte ein Extrakt gefiltert und mit Links versehen ins Internet gestellt haben – auf unsere Seite www.sportjournalist.de. Das war damals die Erste Hilfe. Die meisten haben sich da durchgewühlt und das in Anspruch genommen.

Olympisches Feuer: Inwieweit konnten Sie als VDS noch helfen?

Erich Laaser: Bei den Lockerungen haben wir uns gemeinsam mit der DFL und später mit der Basketball-Bundesliga darum gekümmert, dass Journalisten zu den Veranstaltungen wieder zugelassen werden konnten. Stichwort: Geisterspiele. Da waren zunächst zehn Schreibende und Onliner auf der Tribüne zugelassen und drei Fotografen im Innenraum. Mittlerweile haben wir es nach einem Appell (gemeinsam mit dem BDZV und dem DJV) an die Politik geschafft, dass die Zahl auf 18 auf der Pressetribüne und acht Fotografen erhöht wurde. Wir haben uns auch darum gekümmert, welche Kollegen als Erste wieder in die Stadien durften, von Agenturen und großen Zeitungen. Da spielte die Reichweite eine Rolle. Als Festangestellter hatte man dadurch wieder Inhalt und als Freier ein Einkommen.

Olympisches Feuer: Wissen Sie, ob die Rettungsprogramme für Selbständige gut gegriffen haben?

Erich Laaser: Der Ansatz galt zunächst für kleinere Firmen mit maximal zehn Mitarbeitern. Das ist bei freien Journalisten ja gar nicht das Thema. Daher haben wir Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier in einem Brief aufgefordert, sich etwas einfallen zu lassen, dass auch Solo-selbständige Sportjournalisten eine Hilfe bekommen. Da wäre eine einheitliche Vorgabe ganz gut gewesen, mit den 16 Bundesländern haben wir einen ganz schönen Flickenteppich. Bei den einen hat es ganz gut geklappt, bei den anderen weniger. Der VDS ist ja der Dachverband, ruht auf mehreren Säulen, das sind die eigentlichen Ansprechpartner. In Corona-Zeiten macht es meiner Meinung nach auch mehr Sinn, sich regional zusammenzuschließen. In Berlin-Brandenburg beispielsweise wurde kurzfristig ein Fonds eingerichtet aus überschüssigen Geldern. Nicht viel, aber wenn man gar nichts mehr hat, ist ja jeder Hunderter wichtig, um die Miete zu zahlen.

Olympisches Feuer: Worüber berichten Sportzeitungen und Sender denn momentan überhaupt am meisten, abseits des Fußballs? Hat sich der Themenfokus verändert?

Erich Laaser: Viele haben den Ausweg gewählt und an große Ereignisse erinnert. Das ist ja keine schlechte Idee, wenn man nochmal Geschichten auch mit regionalem Bezug ausgräbt. Wobei eine Zeitung dabei ein Manko hat, denn die bewegten Bilder können natürlich eine Geschichte ganz anders erzählen. Da waren die Kollegen vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen besser dran, vor allem auch wegen ihres riesigen Archivs. Da kann man aus der Konserve einiges zeigen, auch wenn man vorher leider schon weiß, wie es ausgeht.

Olympisches Feuer: Haben Sie davon gehört, dass Sportjournalisten sich mangels Aufträgen umorientieren?

Erich Laaser: Nein, aber das muss nichts heißen. Ich hab von verschiedenen Kollegen gehört, dass sie aus finanziellen Gründen über Alternativen nachdenken, aber konkret weiß ich noch von keinem Fall, wo gesagt wird: Journalismus ist für mich tot, ich mache jetzt eine Würstchenbude auf.

Olympisches Feuer: Könnte es sein, dass viele Auftraggeber, Verleger, Senderchefs jetzt sagen: „Eigentlich müssen wir gar nicht mehr so viel Geld ausgeben!?“

Erich Laaser: Das ist die große Gefahr. Beispiel: Am nächsten Montag wird bekanntgeben, wie die Bundesliga-Fernsehrechte ab 2021 aussehen werden. Da hat man früher eine große Pressekonferenz gemacht, Kollegen sind von München nach Frankfurt gefahren. Das wird alles nicht passieren. Das wird eine virtuelle Geschichte werden, da wird gestreamt, aber man kann nicht am Objekt und vor Ort arbeiten. Da kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der Verantwortliche für die Finanzen bei einem Medienhaus sagt, „Och, geht ja auch so.“ Nehmen Sie Radioübertragungen von Fußballspielen. Da könnte der Gedanke sein: „Kann man doch auch vom Fernseher kommentieren, muss man doch keinen hinschicken. Das merkt doch keiner.“ Das ist, wie ich finde, der falsche Ansatz. Der richtige, der gute Journalismus funktioniert nur, wenn man vor Ort ist.

Olympisches Feuer: Sollten immer weniger Journalisten auch aus Hygienegründen „on site „geschickt  werden, könnten Sie da als VDS Lobbyarbeit betreiben?

Erich Laaser: Bei der Geschichte mit den Geisterspielen war es eine ganz klare Anordnung der Politik. Da hatte die DFL mit den Ministerien für Gesundheit, Arbeit und des Inneren Kontakt. Die ganz klare Aussage: 321 Personen dürfen in den Stadien sein, mehr nicht. Fußballspieler plus Ersatz, plus Betreuer, plus Teammanager. Ein kleiner Rest blieb für die Journalisten übrig. Fußball funktioniert ja finanziell durch die Fernsehgelder, atmosphärisch ist es `ne tote Veranstaltung. Nix gegen den FC Bayern, aber wenn der 1:0 in Bremen gewinnt und dadurch Deutscher Meister wird, das war Totentanz. Für den Fan ist es ein anderer emotionaler Bezug, wenn er seinen Verein im Fernsehen zuschauen, ihn aber nicht im Stadion unterstützen kann. Für den Journalisten, der eine professionelle Distanz hat, ist es wieder was anderes. Der muss versuchen, so objektiv wie möglich zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Geisterspiele eine Zukunft haben. Vor allem nicht bei Hallensportarten. Die Basketball-Bundesligisten machen eine Art Quarantäne-Turnier, wo sie alle drei Wochen lang abgeschottet sind. Das funktioniert für diesen Zeitraum, aber längerfristig doch nicht. Alle Hallensportarten leben von der Atmosphäre.

Olympisches Feuer: Im Journalismus gibt es eh schon die Ellenbogen-Mentalität. Wenn jetzt noch das Gerangel um Akkreditierungen anhält, wird es dann möglicherweise noch unsozialer?

Erich Laaser: Ich weiß nicht, ob es menschlich oder nur in Deutschland so ist. Der Mensch versucht, sich seinen Platz zu erkämpfen innerhalb der Gesellschaft. Trotzdem muss es Regeln geben, wie alles abläuft. Speziell in der Branche der Foto-Journalisten ist Ellenbogen-Einsatz nicht nur im Innenraum, sondern insgesamt wichtig. Da hatten wir die größeren Probleme gegenüber den Schreibenden, weil man allein bei einem Spiel wie Dortmund-Schalke 150 Journalisten akkreditieren könnte, davon dann mindestens 50 Fotografen. Bei Olympischen Spielen ist das Verhältnis ungefähr 1:4. Auf einen Fotografen kommen vier Schreibende und Onliner. Bei der Bundesliga haben wir es jetzt etwas anders gelöst, weil der Aufschrei der Fotografen auch größer war.

Olympisches Feuer: Wenn Sie heute in einem Jahr eine Sportzeitung aufschlagen oder eine Sportsendung anschauen, was vermuten Sie, werden Sie sehen?

Erich Laaser: Ich bin guter Dinge, dass wir wesentlich bessere Zustände haben werden als im Sommer 2020. Auch im Hinblick auf Olympia hängt eine Menge von der Disziplin der Menschen ab, von der Medizin, den Virologen, denjenigen, die Impfstoffe entwickeln. Man stelle sich mal vor, man will Olympia veranstalten. Ohne Zuschauer wäre es Quatsch, hirnrissig, sinnlos. Genauso wenig wie es Sportveranstaltungen perspektivisch geben darf mit nur einem Zehntel der Menschen. Dann könnte man es auch gleich alles einstampfen.

 

Beitragsfotos: Erich Laaser: Picture Alliance, Axel Heimken, dpa; Stadionfoto: Picture Alliance, augenklick, Helge Prang

Das Interview wurde geführt von Birgit Hasselbusch. Sie ist Kommentatorin bei Eurosport, hat für Euronews in Lyon gearbeitet und für Radio Plus Monte Carlo die Fußball-Bundesliga moderiert, genau so wie für den NDR in ihrer Heimatstadt Hamburg. Dort gehört sie auch zum Team der Medienmannschaft und schreibt Bücher für Erwachsene und Jugendliche, unter anderem eine Sportkrimi-Reihe.

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