„Den Traum von Olympia will ich mir unbedingt noch erfüllen“
Leichtgewichts-Ruderer Jonathan Rommelmann peilt in Tokio seine ersten und aller Voraussicht nach einzigen Olympischen Spiele an. Nach der Neuterminierung der Spiele verschiebt der 25-jährige Student der Humanmedizin nochmals seine beruflichen Pläne und will sich so seinen großen Traum von Olympia erfüllen. [MENSCHEN | RINGE | FÖRDERER | SPORTHILFE]
Jonathan, eigentlich stündest Du jetzt kurz vor Deinen ersten Olympischen Spiele – doch dann kam Corona und die Verschiebung auf 2021. Wie gehst Du mit der Situation um?
Jonathan Rommelman: Erst einmal bin ich sehr froh, dass die Olympischen Spiele nicht komplett ausfallen sollen. Es wären meine ersten und voraussichtlich auch meine letzten, weil das Leichtgewichts-Rudern nach Tokio aus dem olympischen Programm fliegen wird. Vorher will ich mir meinen Traum von Olympia unbedingt erfüllen. Aber natürlich hängen wir gerade im Training etwas in der Luft. Wann wieder ein Wettkampf stattfindet, ist unklar. Allerdings rudern mein Partner Jason (Osborne, Anm. d. Red.) und ich ja erst seit vergangenem Jahr zusammen, so haben wir jetzt mehr Zeit, uns noch besser einzuspielen. Das könnte uns also in die Karten spielen.
In Eurem ersten gemeinsamen Jahr habt Ihr erst Gold bei der EM, dann die Weltcup-Gesamtwertung und im Herbst Bronze bei der WM gewonnen – in dieser Bootsklasse die erste deutsche WM-Medaille seit 20 Jahren. Wieso passt es zwischen Euch so gut?
Jonathan Rommelman: Diese Frage höre ich tatsächlich häufiger (lacht). Eine einfache Erklärung gibt es dafür nicht. Wir sind beide starke Einer-Fahrer, gehören zu den physisch stärksten Leichtgewichten auf der Welt. Außerdem besitzen wir ein gutes gemeinsames Grundverständnis. Dass es bei uns aber direkt wie die Faust aufs Auge passt, dazu gehört natürlich auch ein bisschen Glück.
Du lebst in Mülheim an der Ruhr, Jason in Mainz – wie funktioniert da das gemeinsame Training im Leichtgewichts-Doppelzweier?
Jonathan Rommelman: Sprichwörtlich im selben Boot sitzen wir eigentlich nur in den Trainingslagern und in der unmittelbaren Vorbereitung auf die großen Wettkämpfe. Dass das Zusammenrudern dann nicht immer ein Selbstläufer ist, ist logisch. Aber die Passagen zwischen den gemeinsamen Trainings schaden uns nicht, im Gegenteil: Sie helfen uns, individuell im Einer an unseren Schwächen zu arbeiten.
Parallel zum Sport studierst Du Humanmedizin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, bist inzwischen scheinfrei. Wie geht es nun weiter?
Jonathan Rommelman: Eigentlich käme jetzt im Oktober der Zeitpunkt, an dem ich mein praktisches Jahr gestartet hätte – das habe ich wegen Tokio aber noch einmal um zwölf Monate aufgeschoben, wie schon letztes Jahr im Herbst. Aber das PJ ist quasi ein Fulltimejob und lässt sich nicht nebenbei absolvieren. Die Erwartung, das wirklich seriös zu betreiben, habe ich auch an mich selbst.
Deine letzte Klausur für das zweite Staatsexamen hast Du kurz vor der Abreise ins WM-Trainingslager geschrieben und bestanden, nur eine Woche nach dem letzten Weltcup der Saison. Wie hast Du dieses Pensum geschafft?
Jonathan Rommelman: Es war teilweise wirklich sehr stressig, aber ich bin es ja nicht anders gewohnt. Wenn man seinen Sport gerne macht und auch das studiert, das man möchte, dann findet sich ein Weg. In den entscheidenden Phasen ist das natürlich nicht angenehm, weil das Lernpensum in unserem Fach enorm ist. Aber schlussendlich ist es ja gut ausgegangen.
Für ein „klassisches“ Studentenleben bleibt da keine Zeit, auch nicht für einen Nebenjob…
Jonathan Rommelman: … nein, beim besten Willen: Dafür reicht die Zeit wirklich nicht. Insofern ist die Unterstützung durch die Sporthilfe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium natürlich immens wichtig. Das nimmt uns Sportlern eine enorme Last, sodass wir uns auf unseren Sport konzentrieren können. Auch in Sachen Wertschätzung: Schlussendlich opfert man ja sehr viel für den Leistungssport und investiert eine Menge Zeit. 2019 dafür dann zum Sporthilfe Club der Besten und zum Ball des Sports eingeladen worden zu sein, hat mich sehr stolz gemacht.
Ganz anders als 2019 ist Dein Jahr 2020 nun viel weniger durchgetaktet. Wie hältst Du bis Tokio 2021 die Motivation hoch?
Jonathan Rommelman: Zu sagen, dass man in so einer Phase die Spannung immer zu einhundert Prozent hochhalten kann, wäre gelogen. Aber inzwischen gibt es erste Fixpunkte, an denen man sich orientieren und wieder Fahrt aufnehmen kann. Die Motivation ist ohnehin da. Und wenn ab Oktober die konkrete Olympia-Vorbereitung startet, sind wir wieder Feuer und Flamme.
Du hast es erwähnt: Tokio ist für Dich die letzte Chance auf eine Olympia-Medaille, weil das Leichtgewichts-Rudern anschließend nicht mehr zum olympischen Programm gehören wird. Welche Perspektive siehst Du für Dich danach?
Jonathan Rommelman: Mein Fokus soll wie gesagt dem praktischen Jahr gelten und danach schaue ich mal, wie sehr ich den Leistungssport vermisse. Vielleicht versuche ich es im Schwergewichtsbereich, aber da ist es als Leichtgewicht natürlich schwierig, in eines der Boote reinzukommen. Dass ich noch eine Saison im Leichtgewichts-Rudern dranhänge, ist eher unwahrscheinlich – ständig das Gewichtslimit von 70 kg einhalten zu müssen, ist körperlich und mental sehr schwierig und schränkt auch sozial sehr ein.
Steckbrief
Jonathan Rommelmann (*18. Dezember 1994 in Mülheim an der Ruhr)
Sportart: Rudern
Wohnort: Mülheim an der Ruhr
Verein: Crefelder Ruder-Club 1883 e.V
Größte Erfolge: WM-Bronze 2019, EM-Gold 2019, Weltcup-Gesamtsieger 2019
Studium: Humanmedizin
Universität: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Fotos: Deutsche Sporthilfe