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Spitzensport droht Sponsoringverbot für Krankenkassen

von Frank Schneller [ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT | FÖRDERER | WIRTSCHAFT]

 

In Zeiten, in denen es auch für den Sport vermeintlich kaum noch schwieriger werden könnte, wird es nun womöglich – noch schwieriger. Die Pandemie verlangt fast allen Protagonisten im Ökosystem Spitzensport ohnehin schon ein Maximum an Durchhaltevermögen und Flexibilität ab. Nun droht im Überlebenskampf von Verbänden, Vereinen, Dienstleistern, Eventbetreibern und den freilich nicht minder von Sponsoren abhängigen Spitzensportlern und Spitzensportlerinnen zusätzliches Ungemach durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

 

Jens Spahns Behörde versetzte die vom Lockdown und dem damit einhergehenden Mitgliederschwund gebeutelte Branche in Alarmbereitschaft mit der Ankündigung, gesetzliche Krankenkassen sollten künftig ein weitgehendes Werbeverbot – auf Bande und Trikot – für den Spitzensport erhalten.

 

„Ein solches Gesetz käme angesichts der für die Vereinsbasis folgenreichen Corona-Pandemie zu einer absoluten Unzeit”, sagte Mark Schober dem Sport-Informations-Dienst (SID). Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Handballbundes (DHB) blickt auf ein beängstigendes Szenario, denn für die Handballer würde das den Verlust ihres langjährigen Sponsor-Partners AOK bedeuten.

 

Die sich anbahnende Krise in der Krise hat schnell um sich gegriffen. Der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) forderte in einem Brief an die Politik, diese Verordnung zurückzunehmen. Dadurch würden bestehende und auch gelebte Gesundheitspartnerschaften zwischen Sport und den gesetzlichen Krankenkassen gefährdet und der Sport „empfindlich getroffen“.

 

Ob der umstrittene Entwurf der Gesundheitspolitiker tatsächlich noch einmal kassiert wird, ist indes zumindest äußerst fraglich. Prävention und Gesundheitsangebote seien keineswegs mit Spitzensportförderung zu verwechseln, so die amtliche Sichtweise. Ein Budgetierungsmissstand auf Seiten der Kassen solle im Sinne der Beitragszahler korrigiert werden. Die Werbe-Ausgaben der Kassen nämlich würden steigen, jene für Aufklärung und Beratung derweil abnehmen.

 

Dass beispielsweise die Werbeausgaben für die vorläufig bis Ende 2021 laufende Partnerschaft der AOK mit dem DHB laut eines SID-Berichts jährlich nur bei rund sechs Cent pro Mitglied, also circa 1,2 Millionen Euro, liegen – und dass diese sechs Cent bei 4,57 Euro (West) und 4,04 Euro (Ost) pro Mitglied und Jahr einen verschwindend geringen Anteil ausmachen, taugt den Behörden nicht als Gegenargument. Das gesamte Engagement im Fußball koste die AOK jährlich nur 3,2 Millionen Euro. Dennoch soll mit Spitzensport-Sponsoring – ob für AOK, Barmer, Techniker oder all die anderen – zeitnah Schluss sein.

 

Für die AOK – nicht nur beim DHB, sondern zudem auch bei acht Profifußballklubs als Gesundheitspartner am Ball – ist der politische Vorstoß aus Berlin ebenfalls nicht nachvollziehbar. Nur durch die kontinuierliche Arbeit vor Ort – flankiert durch die Botschaften der Profi- und Spitzensportler – könnten der AOK zufolge nachhaltige Einstellungs- und vor allem Verhaltensänderungen folgen.

 

Doch dem vielfach vernehmbaren und eindringlichen Hinweis auf den Präventions-Effekt der nun ins Visier genommenen Partnerschaften wird vom BMG nur wenig Bedeutung beigemessen. Die Behörde argumentiert in ihrem Verordnungsentwurf, dass das Sponsoring nicht zur Vermittlung sachbezogener Informationen diene, sondern „allenfalls der Steigerung des Bekanntheitsgrades und der Aufwertung des öffentlichen Images der Krankenkasse durch die Assoziation mit einem beliebten Verein oder Turnier”.

 

Dennis Trautwein, Managing Director der Consulting- und Full Service-Agentur Octagon, ist sich indes sicher: „Die positiven Effekte werden da nicht gesehen – es gibt keinen präventiveren Charakter.” Paradox sei zudem, dass gleichzeitig Bund und Länder alleine in der ersten Hälfte 2021 rund 330 Millionen Euro Coronahilfen für den Spitzensport bereitstellen. Um ihm am anderen Ende nun wichtige Einnahmequellen fortan verwehren zu wollen. „Warum hier explizit der Sport in den Fokus genommen wird, bleibt mir schleierhaft – in meiner Vorstellung macht es ungeachtet der Effizienz anderer Kommunikationskanäle wenig Sinn, die Budgets, die weiterhin existent sind, in andere Werbeformen zu zwingen, die hierüber explizit bevorzugt werden. Eins dürfte klar sein: Der Wettbewerb wird mit einer solchen Regelung nicht abgeschafft.“

 

Trautwein schließt einerseits nicht aus, dass sich auch die Gerichte mit dem Thema auseinander setzen werden müssen, und erwartet andererseits als Reaktion auf das drohende Verbot ein Umdenken des Marktes in Richtung „alternativer Aktivierungen, um weiterhin adäquate Reichweiten generieren zu können“. Zudem wirft er dringende Fragen auf, deren Beantwortung auch dem BMG nicht ganz einfach fallen dürfte: „Die bisher vorliegenden Texte wirken weich und voller Schlupflöcher. Wie beispielsweise gehen wir mit Einzelsportlern um, wie bei Marathon-Events oder Radrundfahrten? Wo ziehen wir die Grenze zwischen Amateur und Profisport? Wie wird angesichts derartiger Verbote E-Sport definiert? Und in diesem Zusammenhang: Suchen sich die gesetzlichen Krankenkassen jetzt neue Sponsoring-Plattformen? Wo fänden sie überhaupt Platz, wenn man die BMG-Argumentation konsequent zu Ende denken würde?“

 

Spannender könnte die Gemengelage in dieser für viele Sponsoring-Empfänger womöglich sogar existenziellen Frage kaum sein. Vielen dürfte es aktuell viel zu spannend sein. Zumal in der Sportszene längst befürchtet wird, dass sich die Werbeverbote auf andere Branchen ausweiten könnten. Ein Schulterschluss zwischen Politik, Sport und den gesetzlichen Krankenkassen hätte vermutlich Signalwirkung. Ein außergerichtliches Übereinkommen allerdings ist dieser Tage nur schwer vorstellbar.

Fotos: Beitragsfoto: picture alliance/dpa | Sascha Klahn | Textfoto: Octagon Germany | Frank Schneller: Frank Schneller Medienmannschaft

Frank Schneller (50), Sportjournalist und Themenproduzent aus Hamburg. Seine Laufbahn begann Frank Schneller beim SportInformationsDienst, arbeitete dann viele Jahre in der Redaktion der Sport-Bild. Seit 2001 arbeitet  Schneller als Freelancer und ist seit 2011 Leiter des Reporter- und Dienstleister-Netzwerks Medienmannschaft.

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