Wozu die Aufregung? Lasst Sie doch spielen in der Super-League!
Kommentar von Gerd Graus [ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]
Es war einmal mein Fußball. Da hatte ich noch Lust auf das Spiel. Zugegeben, auch da ging es schon um Geld, auch da wurde getrickst, gelogen und betrogen. Aber, Fußball war dennoch mein Spiel.
Ich habe es geliebt. Auch so manches 0:0. Ich mochte das Mittelfeldgeplänkel, ich mochte es zu sehen, wie ein Spiel aufgezogen wird, wie eine Mannschaft versucht zu verteidigen. Und ich mochte die genialen Ideen so mancher Spieler: innen ebenso wie deren Ballbeherrschung und Spielwitz. Und natürlich mochte ich auch Tore. Das alles machte für mich den Reiz des Spiels aus. Ok, ich gebe es zu, trotz meiner Sportbesessenheit, ich bin ein Fußball-Banause.
Seit einiger Zeit aber wird die Flamme der Leidenschaft immer kleiner. Ich finde das Spiel noch immer großartig, aber ich verspüre immer weniger Lust, mir Spiele anzuschauen. Egal ob Bundesliga, Champions League oder Nationalspiele.
Und jetzt beschweren sich alle über die Super-League.
Ich kann die Aufregung nicht verstehen. Soll sie doch kommen. Sollen die Klubs aus Manchester, Madrid, Barcelona, Liverpool, London, Mailand, Turin doch verschwinden. Mir ist es egal. Bayern und Dortmund gleich mit.
Aber auf keinen Fall sollen sie dann noch in der Bundesliga spielen. In den nationalen Ligen haben sie dann nichts mehr verloren. In der Super-League Milliarden scheffeln wollen, und dann national alles vom Platz fegen mit den Spielern, die sie sich dank ihrer geschlossenen Gesellschaft leisten können. Nein danke, beides dann doch nicht.
Der DFB schreibt in seiner Pressemitteilung vom 19. April: „Auch und gerade angesichts der weltweiten Corona-Krise dürfte klar sein, wofür der Fußball mit seinen Werten stehen sollte: Solidarität statt Egoismus.
Herr Keller, Herr Koch, Herr Curtius? Habe ich das richtig gelesen, und erinnere ich mich der Schlagzeilen zum DFB aus den vergangenen Wochen richtig? Solidarität statt Egoismus? Schon gut…
Und haben sie das vernommen beim FC Bayern, der gerade ausgesprochen einträchtig und transparent und fair versucht, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Wissen das all die Berater – und deren Spieler -, die aus einer der schönsten Nebensachen der Welt eines der profitabelsten Geschäfte der Welt gemacht haben. Ablösesummen, die die 100-Millionen-Euro-Grenze überschreiten, Spieler, die annähernd so viel pro Jahr als Einnahme verzeichnen.
Ich gestatte mir die Frage, wo es da um Solidarität geht. Oder ist nur die Solidarität der oberen Tausend gemeint.
OK, dann erklärt euch mal solidarisch, wenn ihr es denn irgendwo mal schaffen solltet.
Mit Solidarität zu den Fußball-Fans hat das nichts zu tun. Auch nicht mit der zu den Wettbewerbern. Das ist Heuchelei, wenn da behauptet wird, es ginge um den Fortbestand des Fußballs. Es geht um den wirtschaftlichen Fortbestand der Klubs, die mit dem Geld von Investoren nur noch den Interessen dieser Investoren verpflichtet sind – und deren Geldbeutel. Diese Klubs haben sich ausgeliefert, weil sie dem Irrlicht, dass sie selbst ins Leben gerufen haben, anders nicht mehr folgen konnten. Immer mehr, immer mehr.
Eigentlich ist es egal. Mich persönlich, und auch alle anderen, zwingt doch keiner, die Super-League zu schauen, mir noch ein Abo zu kaufen, ein Trikot, eine teures Eintrittsticket. Lasst sie doch spielen. Und sollten Bayern und Dortmund in die Super-League gehen, vielleicht würde die Bundesliga dann spannender, und wir könnten uns wieder freuen auf Duelle, Zweikämpfe und andere Namen auf der Meisterschale. Und auch in der Champions-League ohne die Super-League-Klubs wird es spannende Spiele geben. Es muss doch nicht immer Real, Barca, oder London sein!
Ich lese in der Mitteilung der DFL und des DFB: „Jenes Miteinander, das auch den Topklubs ihr Wachstum in den vergangenen Jahrzehnten erst ermöglicht hat.“ Ach so? Nur blöd, dass die Reichen jetzt noch reicher werden wollen, und die anderen jetzt nicht mehr so viel abbekommen. Das ist Marktliberalismus, und für den steht der Profifußball – oder etwa nicht?
Also bitte keine Klagen derjenigen, die die vergangenen Jahre alles mitgemacht haben im Fußball-Kapitalismus Und wenn ich lese „Der Fußball in Europa lebt auch davon, dass es theoretisch für jeden Klub möglich ist, sich in einem Wettbewerb mit den Besten des Kontinents zu messen. Dieser Traum darf nicht durch eine nahezu geschlossene Gesellschaft ersetzt werden“, lese ich tatsächlich nur das Wort theoretisch.
Ja theoretisch, praktisch sieht das doch schon längst anders aus.
Foto: picture alliance/dpa | Bernd Thissen
Gerd Graus ist redaktioneller Berater des Olympischen Feuers. Der ehemalige Sprecher der Olympiamannschaft und Leiter Medien des DOSB hat das “neue” Olympische Feuer mit entwickelt. Das Olympiastadion Berlin war für ihn Arbeitsplatz als Pressesprecher von Hertha BSC und Kommunikationschef im Organisationskomitee der Fußball-WM 2006.