Thomas Weikert, der Präsident des DOSB
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“Müssen dem Sport wieder eine stärkere Stimme verleihen”

Ein Interview von Hans-Joachim Lorenz [ALLGEMEIN |MENSCHEN]

Olympisches Feuer: „Der DOSB befand sich in einer schwierigen Situation, gekennzeichnet durch Mistrauen und Zwietracht. Die Ethik-Kommission musste eingeschaltet werden. Wo und wie wollen Sie ansetzen, um wieder Vertrauen herzustellen, unabdingbar für eine gute Zusammenarbeit?“

Thomas Weikert: „Seit meiner Wahl Anfang Dezember habe ich bereits zahlreiche Gespräche geführt. Mit den Mitarbeiter*innen in der Zentrale in Frankfurt am Main, mit den Verbänden, mit Vertreter*innen aus der Politik und mit Journalist*innen. Es ist wichtig, hier mit allen wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu kommen. Dabei spielt auch eine Rolle, die Vorkommnisse des vergangenen Jahres zu prüfen. Im Präsidium haben wir uns dazu entschlossen, ein Prüfungsgremium einzusetzen, das unabhängig die Vorgänge bewerten soll.“

 

Olympisches Feuer: „Benötigt der DOSB veränderte Strukturen und mehr Transparenz?“

Thomas Weikert: „Die Strukturen des DOSB müssen aus meiner Sicht nicht geändert werden, sie sollten aber an der ein oder anderen Stelle anders gelebt werden. Genau das möchte das neu gewählte DOSB-Präsidium.“

 

Olympisches Feuer: „Im Koalitionsvertrag der Ampel bekennt sich die neue Regierung vor allem zum Breitensport, übt zwischen den Zeilen Kritik am Spitzensport, bemängelt fehlende Transparenz und will die Mittelvergabe evaluieren, das heißt übersetzt, kürzen. Welche Folgen hätte das?“

Thomas Weikert: „Ich kann im Koalitionsvertrag nicht erkennen, dass Mittel für den Spitzensport gekürzt werden sollen. Fakt ist, dass es weiteren Optimierungs- und Entbürokratisierungsbedarf bei der Leistungssportreform gibt. Wichtig ist mir, dass bei all diesen Diskussionen der Sport mit am Tisch sitzt und in die Entscheidungen einbezogen wird. Denn bei uns liegt die sportfachliche Expertise.

DOSB-Präsident Thomas Weikert
Thomas Weikert, Präsident des Tischtennis-Weltverbandes ITTF und Bewerber um das Amt des DOSB-Präsidenten, aufgenommen während einer Verbändekonferenz des Deutschen Olympischen Sportbunds (DSOB). Der DOSB wählt am 4. Dezember einen neuen Präsidenten.

Aber man muss beides zusammendenken: ohne Breite keine Spitze. Daher wehre ich mich dagegen, das eine gegen das andere auszuspielen. Wird der Breitensport besser gefördert, profitiert auch der Spitzensport. Und wenn es mehr Erfolge im Spitzensport gibt, gibt es mehr Vorbilder und mehr Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, werden zum Sporttreiben animiert.“

 

Olympisches Feuer: „Die neue Regierung fordert mehr Effektivität bei der Mittelvergabe im Spitzensport, zuletzt waren das 293 Millionen Euro. Im Ergebnis seht das schlechteste Ergebnis bei Olympischen Sommerspielen, 37 Medaillen waren es in Tokio. Die Leistungssportreform hat nicht gegriffen. Ist Kritik berechtigt und muss alles auf den Prüfstand?“

Thomas Weikert: „Wir sind alle nicht zufrieden mit der Medaillenausbeute von Tokio und wir müssen gemeinsam analysieren, welche Konsequenzen gezogen werden müssen. Auf Grund der Ergebnisse von Tokio die komplette Leistungssportreform in Frage zu stellen halte ich nicht für sinnvoll. Wir müssen sie gemeinsam weiterentwickeln. Die ersten Positiveffekte der Leistungssportreform werden wir hoffentlich in Richtung Paris 2024 und Mailand/Cortina 2026 erleben.“

 

Olympisches Feuer: „Die Vereinigung Athleten Deutschland e.V. soll nach Koalitionsvertrag stärker gefördert werden. Sie war bei der alten DOSB-Führung nicht besonders akzeptiert, hat jetzt mit Karla Borger eine neue Präsidentin. Welche Rolle spielt die Vereinigung der deutschen Spitzensportler im neu aufgestellten DOSB?“

Thomas Weikert: „Eine sehr wichtige. Ich möchte mit der Athletenvertretung partnerschaftlich zusammenarbeiten und habe bereits Gespräche mit Karla Borger geführt. Das Präsidium von Athleten Deutschland e.V. stellt weiterhin die Athletenkommission im DOSB und entsendet beispielsweise ein Präsidiumsmitglied. Fabienne Königstein wurde in der Mitgliederversammlung im Dezember als Präsidiumsmitglied bestätigt.“

 

Olympisches Feuer: „Wie sieht es in Ihrem neu aufgestellten Präsidium mit der Aufgabenverteilung aus?“

Thomas Weikert: „Die Mitgliederversammlung hat entschieden, dass das Ressortprinzip im Präsidium aufgehoben wird. Wir haben auf einer Klausurtagung Anfang Januar beschlossen, dass wir als Präsidium auch keinen Geschäftsverteilungsplan verabschieden möchten. Wir stehen dem Vorstand des DOSB und den Mitarbeiter*innen als Impuls- und Ratgeber zur Seite, möchten uns aber nicht in das operative Geschäft einmischen.“

 

Olympisches Feuer: „Die neue Innenministerin ist in Sachen Sport bisher ein unbeschriebenes Blatt. Gleiches gilt für die neue Staatssekretärin und den neuen Staatssekretär. Sport hat eine große gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wie wollen Sie zur politischen Spitze eine Brücke schlagen?“

Thomas Weikert: „Wie bereits gesagt, habe ich bereits einige Gespräche geführt und werde dies fortführen, wenn ich von den Olympischen Winterspielen in Peking zurückkehre. Wir müssen dem Sport wieder eine stärkere und einheitlichere Stimme in Berlin verleihen. Wir tragen dazu gerade Ideen zusammen, wie der Einfluss des organisierten Sports in der Politik gestärkt werden kann.“

Hans-Joachim Lorenz ist Vizepräsident Kommunikation / Werbung der Deutschen Olympischen Gesellschaft e.V. (DOG)

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