Ein harter Sommer für einen erfolgreichen Winter
In der warmen Jahreszeit legen die Asse des Wintersports die Grundlagen für ihre Saison: Wie Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte sich in Dortmund und Frankfurt auf die Saison im Kanal vorbereitet.
Von Frank Heike
[MENSCHEN | ALLGEMEIN]
Dass Laura Nolte früher selbst Leichtathletik betrieben hat – Sprint -, hilft heute enorm. „Ich habe eine gute Ausbildung“, sagt sie. Sie weiß also nicht nur, was sie machen muss. Sie weiß auch, warum. Denn der Satz „Wintersportler werden im Sommer gemacht“, sei so was von wahr, findet die Olympiasiegerin im Zweier-Bob und lacht: „Viele wissen gar nicht, was wir von April bis September tun“ – und viele wissen auch gar nicht, wie Laura Nolte ohne Rennanzug und Helm aussieht.
Dazu müsste man sich auf die altehrwürdige Anlage „Rote Erde“ neben dem Westfalenstadion begeben. Fast jeden Tag ist Laura Nolte dort im Sommer anzutreffen. Sie sagt: „Ich trainiere vormittags von zehn bis 14 Uhr. Dann gehe ich nach Hause zur Mittagspause. Nachmittags habe ich Physiotherapie und aktive Regeneration – Yoga, Schwimmen oder einfach Spazieren gehen. Abends habe ich Termine oder plane die nächsten Wochen und die kommenden Wettkämpfe.“
Studieren tut sie auch noch, Wirtschaftspsychologie an der Universität Bochum, und ihr Arbeitgeber, die Bundeswehr, möchte sie als Stabsunteroffizierin auch mal zu Gesicht bekommen (wobei Laura Nolte während ihrer aktiven Karriere freigestellt ist). Puh! Die sympathische Athletin aus Unna, die für den BSC Winterberg antritt, lacht und sagt: „Ich kann Sie aber beruhigen. Ich treffe gerade heute Nachmittag eine Freundin, und gehe auch mal aus, wenn ich abends Zeit habe.“
Das tägliche Motto: Stark werden
Telefonate mit ihrer Freundin und Anschieberin Deborah Levi gehören auch zum Alltag; überhaupt ist Levi eine ganz wichtige Person in Laura Noltes Leben: „Debbie und ich haben uns gesucht und gefunden. Wir verbringen so viel Zeit miteinander, hängen so eng aufeinander, aber wenn wir bei Wettkämpfen mal zwei Einzelzimmer haben könnten, entscheiden wir uns doch wieder für ein Doppelzimmer!“ Nolte lacht.
Wenn sie nicht in Dortmund trainiert, übt sie in Frankfurt gemeinsam mit Levi, die in Frankfurt wohnt, im Leichtathletik-Stadion an der Hahnstraße. Dann ist auch Trainer David Corell dabei. Was wird trainiert im Sommer? „Sehr viel Sprint und Kraft. Für mich gilt jeden Tag im Training: stark werden. Ein Bob wiegt 170 Kilogramm – den muss man erst einmal weg bewegen. Ich muss auf jeden Fall schnell sein. Gut fahren reicht nicht. Was wir am Start verlieren, verdreifacht sich auf der Strecke.“
Die Pilotin ist Teamchefin
Seit der goldenen Medaille von Peking Anfang des Jahres hat Laura Nolte erst recht das Gefühl, dass sich die Entbehrungen der vergangenen sieben Jahre gelohnt haben. Kommende Saison wird die Weltmeisterschaft in St. Moritz der Saisonhöhepunkt sein. Und es ist sehr viel unsichtbare Arbeit, die die 23 Jahre alte Sportlerin verrichten muss. „Als Pilotin bin ich Teamchefin. Die ganze Organisation hängt an mir, Fahrten organisieren, Hotels buchen, Sponsoren kontaktieren“, sagt sie. Den Bus, in dem die beiden unterwegs sind (meist Richtung Süden), steuert sie selbst, auch mal nachts – was ihre Eltern gar nicht immer so toll finden.
Selbst ist die Frau: „Wir müssen den Bob von a nach b fahren, ihn auch in den Transporter heben.“ Und schaut man in die dunkle Jahreszeit, taucht eine eher nervige Arbeit am Horizont auf: „Im Winter stehen wir sehr viel in der Garage und polieren und schleifen die Kufen.“ Acht bis zehn Stunden pro Woche verbringen die beiden dann mit ihrem aufgebockten Sportgerät; Zeit, in der sie lieber mehr fahren würden: „Wir könnten da bestimmt viel rausholen“, sagt Nolte – die sich allerdings damit abgefunden hat, dass ihnen keine TechnikerInnen etwas abnehmen: „Wir zwei sind das Team.“
Im Sommer wird nur Anschub trainiert
Je näher die Wintersaison rückt, desto spezifischer werde das Training. Bis Ende Juni war es sehr Leichtathletik-lastig, aber ab Juli kam Training auf Anschubbahnen hinzu, wo auf Tartan der Start im Bob simuliert wird. Meist in Winterberg an Samstagen, wo sie dann auch Bundestrainer René Spies trifft, aber manchmal auch in Potsdam oder Berchtesgaden. „Jedes Gefälle ist anders“, sagt sie. „Es ist nun einmal so, dass wir im Sommer nicht Bobfahren können, sondern nur Anschub trainieren.“ Doch fährt sie gewissermaßen auch in der warmen Jahreszeit – „ich schaue mir auf Youtube GoPro-Fahrten der Bahnen an und fahre die Bahnen so visuell ab. In der nächsten Saison wird es wieder neue Bahnen geben, und die kann ich im schon Sommer auf Youtube in allen Perspektiven sehen.“
Nicht verzichten möchte Laura Nolte auf die Unterstützung im mentalen Bereich. Gerade nach ihrem Sturz in Altenberg im Februar sieht sie hier Bedarf. Alle zwei Wochen (auch im Sommer) trifft sie Gaby Bußmann, die frühere 400-Meter-Läuferin, und tauscht sich mit der Mentaltrainerin aus. Das geht in der Wintersaison oft nur über Videokonferenz, wird dann aber in der Frequenz gesteigert: „Was waren meine Probleme während der Fahrt? Woher kamen sie? Wir versuchen das aufzuarbeiten und Methoden zu finden, wie es zukünftig besser werden kann“, erklärt Laura Nolte. „Mentale Stärke ist im Bobfahren ein sehr wichtiges Instrument. Vergangene Saison war bei uns nach dem Sturz alles gut, aber trotzdem habe ich mich alle zwei Wochen coachen lassen.“
Mit Deborah Levi verfliegen die letzten Zweifel
Das klingt anstrengend, und das ist es auch – gerade im Sommer, wo die Laufeinheiten in der Roten Erde manchmal einsame Angelegenheiten sind, wenn ihr Trainingspartner Christopher Weber fehlt. „Ich frage mich schon manchmal, wofür ich das mache“, sagt Laura Nolte, „es sind wirklich viele verschiedene Rollen, in denen ich unterwegs bin. Aber ich werde auch immer wieder durch Erlebnisse und Erfolge belohnt. Es ist ein außergewöhnlich anstrengendes, aber auch ein außergewöhnlich schönes Leben.“ Und wenn sie nach drei Wochen Dortmunder Sommertraining zehn Tage nach Frankfurt fährt und mit Deborah Levi trainieren darf, schwinden auch die Restzweifel wieder. Im Team schwitzt es sich eben leichter.