Berlin will leuchten, Teil 2
Eine Olympia-Bewerbung Berlins? Hat diese Vision eine Chance? Nicht nur in der Hauptstadt ein hochspannendes und aktuelles Thema. Hier können Sie den zweiten Teil der darauf bezugnehmenden Titelgeschichte im aktuellen Magazin des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI; www.vbki.de) nachlesen. Darin kommt auch DOG-Vizepräsident Hans-Joachim Lorenz zu Wort.
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Aus: VBKI Spiegel, erschienen Oktober 2022
Olympia in Berlin – wie bringt man der Bevölkerung eine erneute Bewerbung um die Spiele nahe? Die Botschaft an die Deutschen müsste eine andere sein als zuletzt. Sagt Kaweh Niroomand, Manager der BR Volleys und VBKI-Präsidiumsmitglied. Und weiter: „Natürlich hätten die Berlinerinnen und Berliner einen Nutzen von der neu entstehenden Infrastruktur: die gesamte urbane Mobilität würde besser. Bezogen auf München 1972 kann ich nur sagen: der gesamte Olympiapark wird und wurde nun, 50 Jahre nach Entstehung, komplett genutzt. Das ist sehr weitsichtig konzipiert worden und war nachhaltig, als es das Wort noch gar nicht gab. Aber es soll keine städtebauliche Bewerbung werden. Das A und O Olympischer Spiele sollte sein, dass der Sport profitiert. Denn was könnte nachhaltiger sein als Kinder in Folge von Begeisterung für Olympische Spiele in Sportvereine zu bringen? Mein Credo ist: wir tun etwas für den Sport und bekommen ganz viel für die Gesellschaft zurück.“
Wo Niroomand noch teils vorsichtig ist, preschen andere vor. „Ich finde die Idee Olympischer Spiele 2036 auf jeden Fall super“, sagt Bob Hanning, Manager der Berliner Füchse, „das fände ich ein großartiges Zeichen. Was haben wir uns in 100 Jahren verändert! Was haben wir aus der Geschichte gelernt! Das würden garantiert keine Propagandaspiele mehr, sondern weltoffene, diverse, nachhaltige Spiele. Der dunkle Fleck – die Propagandaspiele von 1936 – wäre ja nur noch die Hülle. Durch diese Hülle wird daran erinnert, was mal auf deutschem Boden passiert ist. Es wäre richtig und wichtig zu zeigen, wie weit wir uns als Land davon wegbewegt haben.“
DOG-Vize Lorenz: Es kann nur Berlin sein
Hans-Joachim Lorenz pflichtet Hanning bei. Der Vizepräsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) und langjährige Kenner der olympischen Szene wischt kritische Stimmen beiseite und sagt: „Eine riesige Chance wie Olympia im eigenen Land darf nicht liegen gelassen werden, trotz der uns umgebenen schweren Krisen. 2036 wäre das Datum, auf das sich Deutschland bewerben könnte. Ja: Ein für Deutschland heikles Datum, 100 Jahre nach den von den Nazis missbrauchten Spielen. Aber eben auch ein besonders wichtiges Datum. Ergo: Sollte sich Deutschland bewerben, kann es nur Berlin sein. Spiele werden in der olympischen Geschichte an Städte, meist Metropolen, vergeben, nicht an Regionen – auch wenn diese mit einbezogen werden müssen. ,Die Spiele von Berlin 2036 wären eine sehr starke Botschaft an die Welt’ sagte Igal Carmi, Präsident des NOK Israels, „eine Botschaft von Werten, die bewahrt werden müssen“.
Paris 2024, Los Angeles 2028, Brisbane 2032, und dann?
Dennis Trautwein, Vermarktungsexperte der weltweit agierenden Agentur „Octagon“, sieht nach Russland und Katar wieder mehr demokratische Gesinnung in den Austragungsländern. Er sagt: „Sportliche Mega-Events standen in den vergangenen Jahren wegen ihrer Ausrichtungsorte und der dadurch verbundenen Assoziation mit autokratischen oder gar diktatorischen Staaten immer stärker unter Druck.“ Trautwein schaut ganz speziell auf die Seite der milliardenschweren Geldgeber aus Handel, Dienstleistung und Industrie, wenn er sagt: „Die Sponsoren-Landschaft bei Veranstaltungen wie der WM oder bei Olympischen Spielen hat sich stark verändert, zum einen weil neue Sponsoren – oft aus Asien oder dem jeweiligen Ausrichter-Land – in den Markt drängen und die Kraft der Großveranstaltung für sich entdecken, zum anderen weil globale Sponsoren von eben jenen Rahmenbedingungen abgeschreckt worden sind.“ Darin läge für Deutschland eine große Chance, quasi als Gegenentwurf zu autokratischen oder gar diktatorischen Staaten, im Ringen um große Sponsoren: „Es wäre ein starkes Signal, wenn wir in Deutschland endlich wieder eine schlagkräftige Bewerbung zusammenbringen würde – denn wenn sich IOC, FIFA und anderen Rechtehaltern attraktive Alternativen bieten, dürften diese auch gute Chancen haben.“
Inspirierende Beteiligungsformate
Andere Rechtehalter, vielleicht im Tennis? Das wäre wieder die Ebene unterhalb Olympischer Spiele. Auf der man sich in Berlin schon lange sehr wohl fühlt. Siehe Marathon, siehe Istaf. Siehe Mischung von Profis und Amateuren, etwas, das LSB-Präsident Härtel besonders gut gefällt: „Sport zu erleben und Sport zu treiben – diese Verbindung ist eine Berliner Spezialität bei Sport-Großveranstaltungen. Zu sehen war das zuletzt unter anderem bei den Finals 2022, als Menschen die Deutschen Meisterschaften in 14 verschiedenen Sportarten besuchen und beim Familiensportfest des Landessportbunds im Olympiapark viele verschiedene Sportarten ausprobieren konnten. Jede Sport-Großveranstaltung hier hat ihr eigenes inspirierendes Beteiligungsformat. So entstehen aktive Verbindungen.“
Auch durch die bett1-Open entstehen Verbindungen. Nach zwei harten Corona-Jahren ist das Tennisturnier auf der Anlage des LTTC „Rot-Weiß“ als frischer Ableger im Berliner Sportgarten in diesem Sommer endlich durchgestartet. „Unser Ziel ist, dass Turnier hier zu etablieren“, sagt Nadine Raidt, General Manager der emotion sports GmbH, „dafür haben wir viel zu bieten: das Turnier hat große internationale Reichweite. Es wurde in 100 Ländern live übertragen.“ Manchmal staunt Raidt, was in Berlin an einem Wochenende alles sportlich los ist – doch verglichen mit Metropolen wie London oder Paris sei das immer noch wenig, findet sie. Es gebe viele nationale und regionale Sportveranstaltungen hier. Solche mit internationaler Strahlkraft fehlten. In diese Lücke stößt das Tennisturnier, das sich weltweit den drei populärsten Sportarten zugehörig fühlt. Noch eine andere Berliner Lücke hat sie ausgemacht: „Der Frauensport ist hier unterrepräsentiert. Es tut Berlin gut, dass wir nun eine große internationale Frauensport-Veranstaltung mit diesem Format präsentieren können.“
Riesiger Marketingeffekt
Berlin, die deutsche Sportmetropole, auf dem Weg zur internationalen Sportmetropole? Schon jetzt jedenfalls ein wichtiger Arbeitgeber. „Wir haben 20.000 Vollzeit-Arbeitsplätze im Bereich des Sports“, sagt Kaweh Niroomand abschließend, „der Marketingeffekt für die Stadt, der durch Sport-Großveranstaltungen entsteht, ist nicht hoch genug einzuschätzen; Tourismus und Gastronomie profitieren enorm. Doch mir geht es vor allem um die Basis, um die Kinder. Ich muss täglich Kinder vom Volleyball wegschicken. Wir brauchen mehr Hallen, mehr Infrastruktur, um Leuchttürme sein zu können.“
Dass eine Olympiabewerbung Berlins die gesamte Sport-Struktur der Stadt stärken würde, steht außer Frage – am besten für die nächsten 50 Jahre. Mindestens.