Berlin will leuchten, Teil 1
Das Thema hat Konjunktur: Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI; www.vbki.de) hat die Titelgeschichte in seinem neuesten Magazin den Aussichten auf Olympische Spiele in der Hauptstadt gewidmet und unsere Autoren Frank Heike und Frank Schneller verpflichtet, das Thema anzupacken. Auf unserer Plattform ist der Beitrag nun als Zweiteiler nachzulesen.
[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]
Aus: VBKI Spiegel, erschienen Oktober 2022
München leuchtete. Zehn Tage lang. Ein kleines, europäisches Olympia in Bayern. Überschaubar, freudvoll, unverkrampft. Mit strahlenden Zuschauerinnen und Zuschauern im Olympiapark. Das waren die „European Championships“. Neun Europameisterschaften unter einem Dach, mit der Leichtathletik im Olympiastadion als Schmuckstück – 50 Jahre nach den Spielen von München.
Die Strahlkraft dieser mit knapp 100 Millionen Euro geförderten Veranstaltung war so groß, dass das Thema einer deutschen Bewerbung für Olympische Spiele schnell wieder auf dem Tisch lag. Nicht zuletzt wegen der Begeisterung der Athletinnen und Athleten. „Das Publikum hat mich getragen“, sagte Sprinterin Gina Lückenkemper, „ich habe eine Vorstellung bekommen, wie Olympische Spiele in Deutschland sein könnten.“ Mit der Magie des Heimvorteils erreichten die Sportlerinnen und Sportler des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Platz eins des Medaillenspiegels. DOSB-Präsident Thomas Weikert sagte: „Wir wollen Olympia angehen.“
Das ist Wasser auf Kaweh Niroomands Mühlen. Niroomand hat Berlin im Blick, schaut aber auf das Bundes-Gebiet, wenn er sagt: „Deutschland ist ein sehr sportbegeistertes Land, das die Veranstaltungen annimmt, wenn sie vor Ort sind. Was die Anzahl von Sport-Großveranstaltungen angeht, sind wir gemeinsam mit Kanada weltführend.“ Berlin sei dabei besonders begehrt: „Wir haben hier ein sehr großes Budget für sportliche Großveranstaltungen. In Europa sind wir die führende Sportmetropole.“ Das Istaf, der Marathon, das Pokalendspiel, viele feste Spieltermine der 120 Bundesligavereine, dazu Weltmeisterschaften und Europameisterschaften in ganz verschiedenen Disziplinen – Niroomand, Manager der BR Volleys und VBKI-Präsidiumsmitglied, führt aus: „Berlin war schon immer eine Stadt des Sports. Nach der Wende haben wir beide Teile Berlins zusammengeführt und waren immer darauf bedacht, Berlin als Sportmetropole international zu präsentieren. Wir haben in den Vereinen und Verbänden eine tolle Kultur des Miteinanders – bei aller Konkurrenz. Zusammen mit dem LSB Berlin, den sportbetonten Schulen und den Olympia-Stützpunkten ergibt das eine großartige Basis an Sport.“
Große Sportevents setzen Energie frei in der Hauptstadt
Thomas Härtel, der Präsident des Landessportbundes Berlin (LSB), findet ebenfalls nur lobende Worte: „Sport-Großveranstaltungen setzen in unserer Stadt viele Energien frei. Sie führen Menschen zusammen, zeigen, was mit Sport alles möglich ist und bringen über Gäste aus dem Inland und Ausland auch noch Geld in private und öffentliche Kassen. Gerade mit Sport-Großveranstaltungen können wir zeigen, was wir in Berlin sind: eine offene, bewegte und bewegende Metropole.“ Die Olympia kann?
Bei der Mitgliederversammlung im Dezember in Baden-Baden will DOSB-Chef Weikert den Verbänden nun den Prozess vorstellen, eine Roadmap zur Bewerbung, und um Zustimmung bitten. Dabei stünde nach sieben gescheiterten Bewerbungen seit Berchtesgaden 1992 die Bevölkerung im Mittelpunkt – sie soll mitgenommen werden. Weikert sagt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Das Warum steht vor dem Wann, Wo und Wie.“
Nun ist die Diskussion um Sommerspiele 2036 in Berlin nicht neu. Doch durch München hat sie an Fahrt aufgenommen.
Im Sport selbst, also bei den Athletinnen und Athleten, gibt es neben unmittelbarer Zustimmung eine ambivalente Haltung. So sagt Johannes Herber, der Geschäftsführer von „Athleten Deutschland“: „Für Athletinnen und Athleten ist es das schönste, vor heimischer Kulisse ihre Höchstleistungen zeigen zu dürfen. Begeisternde European Championships bedeuten aber nicht zwangsläufig, dass eine deutsche Olympiabewerbung erwünscht und erfolgreich sein wird; es gibt nicht zu unterschätzende und berechtigte Skepsis der Bevölkerung.“
European Championships in München keine Blaupause
Niroomand ist von den „tollen Bildern aus München“ begeistert. Aber er sagt auch: „Wir sollten das als Sportnation mitnehmen, genießen, ohne gleich von Olympia zu reden.“ Er erinnert an Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die beim VBKI-Abschlussevent im Juli zur Geduld mahnte, was die Idee Olympischer Spiele in Berlin betreffe. Niroomand sagt: „Wir müssen das Thema sehr gut vorbereiten und sollten es nicht zerreden. Nicht alles, was wir hier machen, ist nun automatisch ein Teil der möglichen Bewerbung Berlins.“
Natürlich sind Olympische Spiele eine viel größere Nummer als neun gemeinsame Europameisterschaften. Tokio 2021 hat elf Milliarden Euro gekostet. München etwa ein Prozent davon. München war weder Milliardendeal noch sozialer Kitt. Es durfte einfach unbelastet für sich selbst stehen. Es war auch nicht so durchkommerzialisiert wie Olympischen Spiele. Niroomand sagt: „In der Bevölkerung gibt es eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Gigantismus und internationalen Sportverbänden. Die Anforderungen der großen Sportorganisationen an die Ausrichterstädte sind nicht mehr zeitgemäß. Im Winter wird die Zerstörung der Natur in Kauf genommen, im Sommer der Umbau der Städte. Das führt zu Ablehnung.“
Daraus gebe es einen Ausweg: Bestehende Anlagen nutzen, den Gigantismus vermeiden, und – ganz wichtig – gemeinsam antreten: „Deutschland muss Träger der Bewerbung sein. Nicht eine Region oder eine Stadt. Wenn die ganze Regierung hinter einer nationalen Bewerbung steht, wird man den Menschen viele ihrer Befürchtungen wegnehmen können. Dann wird auch Berlin, aufgrund der internationalen Strahlkraft der Stadt, ganz oben stehen.“
Teil zwei des Textes finden Sie ebenfalls auf unserem Portal. Gleich nebenan.