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Was bedeutet „die Besten“? „Die Verdientesten“?

Julia Hollnagel, Referentin für Kommunikation und Marketing von ‚Athleten Deutschland e.V.‘ stellt im Interview Procedere und Kriterien rund um die Sportlerwahl des Jahres in Frage. Sie belässt es aber nicht nur bei Kritik, sondern liefert auch Ideen und gibt Denkanstöße.

Interview: Frank Schneller

[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]

 

Olympisches Feuer: Frau Hollnagel, werden bei der Wahl der ‚Sportler des Jahres‘ wirklich immer die verdientesten, besten Sportlerinnen und Sportler gewählt? Oder lassen sich die ISK bei der Erstellung der Auswahllisten und Empfehlungen als auch die Sportjournalist*innen nicht zu oft dazu verleiten, jene auszuwählen, die am präsentesten sind?

Julia Hollnagel: Ich finde, dass man hier als erstes fragen sollte: Was bedeutet „die Besten, die Verdientesten? Blickt man auf die Sportler*innen des Jahres der vergangenen Wahlen zurück, so fällt auf: Das sind fast ausnahmslos Medaillengewinner*innen in publikumswirksamen Sportarten bei Sportgroßereignissen. Das ist natürlich die am leichtesten messbare Größe für „am besten“ –und jede/r der Athlet*innen, hat die Auszeichnung sicher auch verdient.

Ich würde mir aber persönlich wünschen, dass man das aufbricht und sich fragt: Welche Sportler*innen haben sich vielleicht auch abseits des Feldes, der Arena verdient gemacht? Hierfür könnte man ganz transparente Kriterien festlegen.

 

Olympisches Feuer: Bitte ein Beispiel.

Julia Hollnagel: Anhand solcher Kriterien hätte man 2021 beispielsweise auch Nike Lorenz wählen können, die nicht nur sensationell Hockey gespielt hat, sondern sich auch ganz klar für unsere gesellschaftlichen Werte eingesetzt hat, indem sie durch setzte die Regenbogenbinde bei den Spielen in Tokio tragen zu dürfen. Oder auch Max Hartung, der nach Tokio seine aktive Karriere beendet hat, sich in den Jahren davor aber intensiv für Athletenrechte und die gesellschaftliche und menschenrechtliche Verantwortung des Sports stark machte.

Julia Hollnagel, Verantwortliche für Kommunikation und Marketing bei Athleten Deutschland e.V.

 

Fixierung auf Erfolg lässt Sport veraltet und wenig attraktiv erscheinen

Olympisches Feuer: Es geht also zu sehr um wahrnehmbare Erfolge bei der Auswahl – was ist daran besonders kritisch zu sehen?

Julia Hollnagel: Durch die Fixierung auf die Medaillen präsentiert sich der Sport veraltet und wenig attraktiv. Höher, schneller, weiter – diese Werte allein ziehen nicht mehr. Ich wünsche mir, dass Athlet*innen sich auch als Persönlichkeiten ganzheitlich – also sowohl sportlich als auch persönlich – entfalten können und dass das auch entsprechend gefordert und gefördert wird – auch von den Medien. Wenn bei Wahlen auch nach diesen Kriterien bewertet werden würde, würde das auch unsere gesellschaftlichen Werte repräsentieren. Der Sport könnte seine Mehrwerte neben dem sportlichen Erfolg zeigen. Für Athlet*innen wäre das eine Möglichkeit sich als vielseitige Vorbilder darzustellen.

 

Olympisches Feuer: Im Zuge dessen stellt sich dann aber auch zwangsläufig die Frage nach Inklusion – und wie diese gelebt wird. Sollte der paralympische Sport hier weiterhin getrennt bewertet und gekürt werden?

Julia Hollnagel: Es ist durchaus sinnvoll, dass es eine Ehrung für die olympischen und eine für die paralympischen Athlet*innen gibt. Aber ich verstehe nicht, warum das zwei separate Veranstaltungen sein müssen. Bei der Zusammenlegung hätten die Para-Sportler*innen eine viel größere Bühne. Außerdem wird diese Veranstaltung auch im ZDF übertragen. Diese Sichtbarkeit haben die Para-Athlet*innen auch verdient. Eine Zusammenlegung wäre für mich wirklich inklusiv. Bei der Juniorsportler*in-Wahl hat diese Zusammenlegung bereits stattgefunden. Allerdings standen hier im Jahr 2022 die Resultate im Parajuniorsport bereits fest – während für die olympischen Juniorsportler*innen eine Live-Wahl stattfand. Das hat natürlich viel mehr Event-Charakter. Das könnte man ohne großen Aufwand angleichen.“

 

Frank Schneller (53), Sportjournalist und Themenproduzent aus Hamburg. Seine Laufbahn begann Frank Schneller beim SportInformationsDienst, arbeitete dann viele Jahre in der Redaktion der Sport-Bild. Seit 2001 arbeitet Schneller als Freelancer und ist seit 2011 Leiter des Reporter- und Dienstleister-Netzwerks Medienmannschaft.

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