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Special Olympics World Games: Über 400 Stunden Live

Rollentausch: Der ehemalige Sportjournalist Gerd Graus, der als Medienchef unter anderem auch in der Bundesliga bei Hertha BSC, der Fußball-WM 2006 und beim DOSB aktiv war, blickt als Director Media & Broadcast mit Vorfreude auf das größte inklusive Sport-Event weltweit: Die Special Olympics World Games vom 17. bis 24. Juni in Berlin. Graus, Mitbegründer dieses Portals, wird für uns vom Interviewführer zum Interviewpartner. Ein Blick auf den medialen Status Quo der Weltspiele.

[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]

Von Frank Schneller

 

Olympisches Feuer: Herr Graus, in Kürze beginnen die Special Olympics World Games, die Weltspiele für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung, in Berlin statt. Werden die Menschen in Deutschland davon medial etwas mitbekommen?

Gerd Graus: Ja, ganz eindeutig – und das in allen Medien. Zunächst einmal ist das ein Verdienst der geschmiedeten Medien-Allianz. Diese ist wirklich außergewöhnlich und einmalig in der Medienhistorie Deutschlands – zumindest wie ich sie kenne.

 

Olympisches Feuer: Was macht diese Allianz so besonders?

Graus: Elf große Medienunternehmen, ansonsten Konkurrenten um Senderechte und Inhalte, wirken gemeinsam im Team, um den Sportler*innen mehr Aufmerksamkeit und Teilhabe zu verschaffen. Das ist ein eindeutiges Statement der Unternehmen, das sie gesellschaftliche Verantwortung als Medienschaffende ernst nehmen. Es ist aber auch ein Kraftakt.

 

Olympisches Feuer: Inwiefern?

Graus: In vielerlei Hinsicht. Diese Unternehmen unterstützen uns auf mehreren Ebenen. Finanziell, durch ihre Expertise, aber auch mit Technik und Personal. Wir als Organisationskomitee sind durch den Ausrichtervertrag verpflichtet, das Weltsignal selbst zu produzieren. Das tun wir, indem wir Unternehmen wie NEP für die Produktion, Viscompark für redaktionelle Belange oder MIT für die Leitungsthematik nach Ausschreibungen beauftragt haben. Insgesamt werden da im Juni mehr als 400 Menschen mehr als 400 Stunden Live-Signale von den Weltspielen produzieren, zusätzlich journalistisch aufbereitete Tageszusammenfassungen, Nachrichtenbeiträge, Kurzbeiträge für Web und TV, und vieles mehr.

 

Olympisches Feuer: Ist das innerhalb des OK alles noch zu koordinieren?

Graus: Um all diese Aufgaben bewältigen zu können steht uns Sky schon seit mehr als zwei Jahren zur Seite. Personell durch mehrere Mitarbeiter, die uns dabei unterstützt haben, die Sendeplanung aufzustellen, die technische Planung, wie wir welche Sportarten übertragen werden, wie wir Grafiken gestalten, und vieles mehr. Dazu wird Sky auch mehrere kleine Übertragungswagen während der Spiele zur Verfügung stellen. Inklusive Personal. Die Medien-Allianz wirkt tatsächlich als Team. Und jeder einzelne Partner bringt sich entsprechend seiner Möglichkeiten ein. Somit ist gewährleistet, dass die Weltspiele auch nicht nur im Sport vorkommen werden, sondern in ganz vielen Programmbereichen oder auf vielen Plattformen. Dazu gehören Print wie bei BILD, die digitalen Auftritte der Partner, und vor allem auch der Hörfunk wie bei RTL oder ARD.

Nicole Pietschmann (vorne l-r), Schwimmerin, Juliana Rößler, Kanutin und Athletenspecherin, Marko Fähling (hinten l-r), Leichtathlet, und Louis Kleemeyer, Tennisspieler und OK-Mitglied, halten die Fackel der Special Olympics World Games bei der Vorstellung am Brandenburger Tor.

 

Olympisches Feuer: Wie lief die mediale Bewerbung der Spiele?

Graus: Schon lange im Vorfeld haben alle Partner verschiedene, von uns produzierte Trailer gespielt, beispielsweise um das Volunteer-Programm zu bewerben. Dass sich am Ende weitaus mehr als 20.000 Menschen beworben haben, die Weltspiele ehrenamtlich zu unterstützen, ist auch ein großer Verdienst der Medien-Allianz.

 

Olympisches Feuer: Eine solche Allianz ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Was hat das OK der Weltspiele unternommen, um diese Bereitschaft hervorzurufen?

Graus: Die Medien-Allianz war von Beginn an eine Vision. Insbesondere Carsten Schmidt, aus seiner Zeit bei Sky kein Unbekannter im Mediengeschäft und heute Vizepräsident bei Special Olympics Deutschland, hat da enorm viel Herzblut investiert. In Roman Steuer steht uns ein Mann zur Seite, der das TV-Geschäft mit vielen handelnden Personen ebenfalls bestens kennt. Und die Mitglieder der Allianz haben zudem schnell realisiert, welche spannende Inhalte sie ihren Rezipienten bieten können. Im Gegensatz zu den schreibenden Kollegen übrigens.

 

Olympisches Feuer: Das heißt?

Graus: Die Printmedien tun sich aus vielerlei Gründen schwer, das Thema zu erfassen. Vielen ist, trotz all unserer Medien-Arbeit, die Dimension und Wichtigkeit der Weltspiele noch nicht klar. Viele verwechseln Special Olympics auch mit den Paralympics. Dass hier im Sommer das größte Multisportevent seit den Olympischen Spielen stattfinden wird, mit 7.000 Athlet*innen, in 26 Sportarten, ist in dieser Ausprägung noch nicht ins Bewusstsein gerückt.

 

Olympisches Feuer: Steuert die Orga denn ausreichend dagegen?

Graus: Da wir um diese Problematik wussten, haben wir vom LOC selbst, seit Monaten Printbeiträge, ähnlich Korrespondentenberichten von Nachrichtenagenturen, über unseren Presseverteiler verbreitet, haben eigene Bewegtbildbeiträge gedreht und über eine eigene Distributionsplattform zur Verfügung gestellt. Dazu natürlich tägliche Kontaktpflege. Es ist schon zu sehen, dass lokal und regional sehr viel berichtet wird über Special Olympics. Überregional aber ist das eher zurückhaltend.

 

Olympisches Feuer: Wie erklären Sie sich das?

Graus: Ganz sicher hängt dies auch mit der Arbeitsbelastung der Kolleg*innen in den Redaktionen zusammen. Dennoch sollte auch diskutiert werden, ob hier nicht die Möglichkeit verpasst wird, die ja immer wieder selbst eingeforderte Berichterstattung über das 1:1 hinaus, wahrzunehmen, oder ob doch das Ergebnis des Regionalligafußballs wichtiger ist, als über die Chancen gesellschaftlicher Veränderung durch ein Sportereignis zu berichten. Die Sportler*innen von Special Olympics sowie die vielfältigen Aktionen im Zusammenhang mit den Weltspielen, gäben dazu jedenfalls Anlass. Was die Weltspiele nicht hergeben, ist eine reine Ergebnisberichterstattung, nur orientiert an Rekorden. Dafür sind die Wettbewerbe ganz anders aufgebaut.

 

Olympisches Feuer: Wie ist denn die Resonanz?

Graus: Aus unserer Sicht überwältigend. Es haben sich fast 2.000 Medienvertretende akkreditiert. Das ist eine enorme Zahl, die zeigt: Den Special Olympics werden global eine gebührende Relevanz zugesprochen.

 

 

Frank Schneller (53), Sportjournalist und Themenproduzent aus Hamburg. Seine Laufbahn begann Frank Schneller beim SportInformationsDienst, arbeitete dann viele Jahre in der Redaktion der Sport-Bild. Seit 2001 arbeitet Schneller als Freelancer und ist seit 2011 Leiter des Reporter- und Dienstleister-Netzwerks Medienmannschaft.

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