‘Fast and furious’ zum Olympia-Ticket?
Triathlon als Hochgeschwindigkeits-Event: Hat das neue ‚Supersprint‘-Format Aussichten, ins olympische Programm aufgenommen zu werden? Bei der WM in Hamburg gab es viel Zuspruch – aber IOC-Präsident Bach bremst die Erwartungen der Szene in Richtung Brisbane zunächst.
[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]
VON FRANK HEIKE
Aus ihr sprach die Erleichterung, den Abend mit drei Starts in drei Stunden überstanden zu haben – aber die Begeisterung für das neue Hochgeschwindigkeits-Triathlon strahlte Marlene Gomez-Göggel unlängst in Hamburg immer noch aus: „Dieses Format ist ein Killer.“ Die 30 Jahre alte Athletin lachte nach Rang fünf bei der erst zum zweiten Mal ausgetragenen Weltmeisterschaft im Supersprint. Auf 300 Meter Schwimmen, 7,5 Kilometer Radfahren und 1,6 Kilometer Laufen hat der Weltverband „World Triathlon“ den Dreikampf zusammengeschmolzen, 20 Minuten. Das mag nichts für Puristen sein. Sehr wohl aber etwas für junge Fans mit geringer Aufmerksamkeitsspanne – die ganze Welt versucht ja gerade, in die Köpfe der Generation Z zu kommen.
Der Weltverband verfolgt mit der neuen Form zudem handfeste Absichten in Richtung Olympische Spiele und erhofft die Aufnahme ins Programm von Brisbane 2032. „Wir müssen uns danach richten, was das Publikum will, gerade das jüngere Publikum“, sagt Marisol Casado, Präsidentin von „World Triathlon“.
Wen man auch fragte, selbst die Ausgeschiedenen waren vom neuen Highspeed-Dreikampf begeistert. „Das ist härter als die olympische Distanz“, sagte der beste Deutsche, Tim Hellwig auf Rang acht. „es tut so weh, du musst jede Runde Vollgas geben.“ Das Publikum auf dem Hamburger Rathausmarkt honorierte den Drei-Stunden-Thriller begeistert und feierte bei den Frauen Laura Lindemann. Ziemlich cool wirkend, erreichte die 29 Jahre alte Potsdamerin bei der Premiere am Samstag den dritten Rang für die Deutsche Triathlon-Union (DTU). „Es ist spannend und schwierig“, sagte sie, „es gibt ein paar Dinge zu verbessern, aber eine Zukunft hat der Supersprint auf jeden Fall.“
Details im Ablauf müssen noch nachjustiert werden
Damit bewegt sie sich ganz auf Thomas Bachs Linie. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) besuchte Hamburg als „Triathlon-Fan“. Eingeladen hatte ihn der Weltverband; mit Marisol Casado pflegt Bach seit langem einen freundschaftlichen Austausch. Er sagte: „Ich wollte mir das neue Format anschauen. Es ist interessant und abwechslungsreich und hat sich hier bewährt. Jetzt bedarf es einer Weiterentwicklung und Etablierung.“ Die Hoffnungen einer schnellen Aufnahme ins olympische Programm dämpfte Bach: „Triathlon hat erst in Tokio 2021 mit der Mixed-Staffel eine neue Disziplin erhalten. Wir können das Programm nicht immer weiter ausdehnen, so dass für Triathlon jetzt eine kleine Pause angesagt ist.“
Triathlon ist seit 2000 olympisch. In den mehr als zwei Stunden langen, oft eintönigen Einzelrennen geht es über 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und zehn Kilometer Laufen. Da wirkt die kurze Mixed-Staffel schon deutlich zeitgemäßer.
Die Supersprint-WM hatte der Weltverband 2022 in Montreal erstmals ausprobiert. Mitte Juni dieses Jahres gab es bei den Europameisterschaften in Kitzbühel nächste Erfahrungswerte. Hantiert wird vor allem noch mit der optimalen Länge der Pausen zwischen den Rennen.
Der Clou der neuen Form ist das Rundensystem: nach Ausscheidungsrennen am Vortag treten 30 Profis gegeneinander in einem Viertelfinale an. Zehn scheiden aus. Eine gute Stunde später beginnt das Halbfinale der besten 20, wieder fliegen zehn raus. Abermals 70 Minuten danach treten die zehn Besten zum Showdown an. Damit wird den Athletinnen und Athleten viel abverlangt in diesem „Eliminator Race“, denn wer in der ersten Runde am Freitag das Viertelfinale verpasste, musste am Freitagabend gar noch in einen Hoffnungslauf, so dass Finalteilnehmer theoretisch fünf Rennen innerhalb von 36 Stunden in den Knochen haben können. In den Pausen halten sich die Profis auf der Rolle, im Wasser oder abseits der Strecke laufend warm, essen und trinken das Notwendigste, diskutieren Taktiken mit den Trainern.
Viel Lob: Neue Action in der Triathlon-Szene
In Hamburg wurde schon diskutiert, das Viertelfinale auf den Freitag zu legen, und am Samstag nur Halbfinale und Finale zu haben, um die Belastung besser zu steuern. Solche Fragen gehören nun zur von Bach angestoßenen Weiterentwicklung und Etablierung der Innovation.
Für den Moment waren alle voll des Lobes unter dem Eindruck des Erlebten. Weltmeister Hayden Wild aus Neuseeland sagte: „Wir müssen etwas Neues anbieten. Hier ist richtig Action. Es geht zur Sache, die Fans lieben es. Diese Disziplin bringt andere Athleten nach vorn. Es sind nicht immer nur dieselben, die gewinnen.“
DTU-Präsident Martin Engelhardt wähnte sich schon vor der Hamburger WM auf dem richtigen Weg: „Wir wollen unseren Sport spannend und attraktiv machen. Auch die Athleten verlangen das. Wir verstehen uns als junge, moderne Sportart und wollen einen Wettbewerb gestalten, der den TV-Anstalten und ihrem Publikum gefällt.“ Für die Fans zwischen Rathausmarkt und Binnenalster war dieser Triathlon der Marke „fast and furious in the city“ eine kurzweilige Show.
2 thoughts
Bitte fügen Sie meinem heute morgen Ihnen zugesandten Kommentar zu o.a. Artikel noch hinzu:
“Im übrigen ist der olympische Triathlon bei den bisherigen Olympischen Sommerspielen in seinem Format
1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen genau die richtige Mitte, zwischen Anspruchslosigkeit und Unterhaltungssucht und wirklicher sportlicher Anstrengung, welche für´s Leben lernen lässt.”
Diese Entwicklung zeigt deutlich, wie hoffnungslos und mit wenig Selbstvertrauen in den Charakter des Sports ein Sportverband agiert. Anstatt eine gesunde Leistungsbereitschaft abzurufen, bei welcher man individuell und nacheinander seine eigenen Grenzen austarieren kann, wird lieber nach Anerkennung durch die Medien, damit auch den Konsum und Gewinn, gebuhlt und dem Zeitgeist geopfert.
´Triathlon` im bisherigen Sinn, von ´Athlon`- Athlet, hat nur diejenigen gelangweilt, welche es selbst nie wirklich ausprobiert.
Sein Charme und Zweck, ja immer wieder seine Faszination besteht darin, zu lernen wie man z.B. über einen gut Teil des Tages seine Kräfte einteilt, seine wirklichen Talente nützt, sofern man nicht in allen drei Sportarten Weltklasse ist und überragende körperliche Voraussetzungen hat, nicht zuletzt dabei aber zu sich selbst findet, egal ob man dabei verliert oder gewinnt. Die Fast-Food-Gesellschaft – schnell probiert, schnell konsumiert – wird Olympische Spiele nicht verbessern.