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Darmstädter Sportgeschichte: Schulbeispiel für olympische Werte

50mal waren Teams aus Darmstadt bei Internationalen Schülerspielen.  Was sie dort alles erlebten, berichtete unlängst das Darmstädter Echo anlässlich der DOG-Herbsttagung. Hier der Artikel.

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Von Udo Döring

 

Vermitteln die Schülerspiele die olympischen Werte wie Fair Play und Völkerverständigung besser als die Olympischen Spiele selbst? Diese große Frage wurde bei der Herbsttagung der Deutschen Olympischen Gesellschaft zwar nicht wie geplant direkt gestellt, die Antwort wurde trotzdem deutlich: auf jeden Fall. Denn die vielen Erinnerungen und Anekdoten des Abends lassen keinen anderen Schluss zu, als dass die Ideale des Sports gelebt werden, wenn sich Schüler aus aller Welt treffen.

„Meine prägendste Erinnerung ist, wie wir in Coventry auf ein paar Stufen saßen, ein Bierchen tranken und eine halbe Stunde den Kids zugeschaut haben. Die ersten fingen an, Ansteck-Pins zu tauschen, und schnell standen da 300 Kinder und haben sich unterhalten.” Das erzählte Felix Gerbig von seinem Einstand als Delegationsleiter im Vorjahr. In der britischen Stadt folgte die Fortsetzung einer Geschichte, der Corona eine dreijährige Zwangspause verpasst hatte.

Der slowenische Sportlehrer Metoc Klemenc hatte die Idee, die Jugend der Welt über den Sport Frieden und Freundschaft praktizieren zu lassen. Die “International Children Games” erlebten 1968 ihre Premiere im damals jugoslawischen Celje. Und was wurde draus? Rein statistisch das Treffen von mittlerweile über 50.000 Kindern im Alter von 13 bis 15 Jahren – aus mehr als 600 Städten, 110 Ländern und allen fünf Kontinenten dieser Welt. Als “Internationale Schülerspiele” wurde hierzulande übersetzt, was zu einem wichtigen Kapitel Darmstädter Sportgeschichte wurde.

 

Schülerinnen holen Gold und Silber im WM-Stadion

Denn bei den mittlerweile 47 Sommer- und sechs Winterspielen fehlte die Stadt nur dreimal. Was bedeutet: 50mal gingen Schüler und Betreuer aus Darmstadt auf Reisen in Sachen Sport. Allemal ein Grund, in jungen, vielen alten und natürlich manch glorifizierten Erinnerungen zu schwelgen. Am frischesten sind jene an Daegu in Südkorea. „Wir waren vorher noch nie in einem solchen Stadion”, staunen Josephina Engel und Maja Levatic noch heute. Wo 2011 Weltmeister wie Usain Bolt gekürt wurden, standen schließlich auch die beiden jungen Leichtathletinnen vom ASC Darmstadt auf dem Podium: als Siegerin im Weitsprung und als Zweitplatzierte im Hochsprung.

Von südkoreanischen Schülern gefeiert wie kleine Stars, waren freilich nicht alle Rahmenbedingungen weltmeisterlich. Wie der fünfstündige Transfer nach zwölf Stunden Flug – in einem wild blinkenden Partybus. Oder lange Reden bei der Eröffnungsfeier, ohne ein Wort verstehen zu können. Von Erlebnissen im Grenzbereich kann Klaus Roßberg reichlich berichten. Ob es sein Entsetzen bei seiner ersten technischen Besprechung ist oder eine Massenunterkunft auf Feldbetten in Alkmaar. Aber in Summe kommt auch der jahrzehntelange Delegationsleiter und Schulsportkoordinator zu einer unbezahlbaren Wertschöpfung für alle Teilnehmenden. Sein Verdienst ist es auch, dass die Schüler mittlerweile über die reinen Schülerspiel-Tage hinaus mehr über Land und Leute erfahren.

Für seinen unermüdlichen Einsatz wurden Roßberg vom DOG-Vorsitzenden Norbert Lamp ebenso Ehrenmedaille und -mitgliedschaft überreicht wie Torsten Rasch, der 23 Schülerspiele selbst live miterlebte und 20 Jahre lang deren Präsident war. „Darmstadt ist ein wesentlicher Motor dieser Bewegung”, betonte der langjährige Sportamtsleiter mit Verweis auf die drei Jahre als Gastgeber (1974, 1982, 1993), aber noch mehr die Treue als Teilnehmerstadt. „Die Stadt hat hier Geld gut investiert, wobei es gar nicht so viel war”, bestätigte Rafael Reißer, der sich als mitreisender Bürgermeister in Taipeh wie ein Staatsmann behandelt fühlte. „Da wird der olympische und völkerverbindende Gedanke wirklich gelebt”, ergänzte seine Nachfolgerin Barbara Akdeniz, die dem Exekutiv-Komitee der Schülerspiele angehört.

Beide attestieren „ein besonderes Händchen” für Torsten Rasch, der wiederum mit Jugendlichen auf Reisen war, die sich heute über die Schülerspiel-Erlebnisse der eigenen Kinder freuen. Wie bei Familie Landzettel: Mama Silke fror 1998 bitterlich im spanischen Logrono, „wir wurden aber von allen Leuten mit dicken Mänteln versorgt”. Ein Jahr zuvor erlebte sie in Griechenland das antike Olympia hautnah, dafür gab es für die Teamvorstellung eine belgische statt der deutschen Fahne und ein Schild mit Aufschrift “Darmstand”. Sohnemann Jan freute sich 20 Jahre später unter anderem darüber, mit Schwimmern aus England und Griechenland eine Staffel mit Namen “Team Europe” zu bilden.

Ehrenmitgliedschaft für Klaus Roßberg (l.) und Torsten Rasch (r.) durch den DOG-Vorsitzenden Norbert Lamp (m.). Bild oben: Die jungen Leichtathletinnen und Leichtathleten des AC Darmstadt mit Delegationsleiter Felix Gerbig (3. v.l.) waren bei den Schülerspielen in Deagu (Südkorea) 2023 sehr erfolgreich. (Foto: Privat/Gerbig)

 

Modische Härtetests, abenteuerliche Unterkünfte

Meike Henning erinnerte sich an „Anzüge in türkisfarbener Ballonseide, die wir hinterher wieder abgeben mussten, und Baumwoll-Leibchen mit Aufschrift Sportamt”. Für sie persönlich irgendwie wegweisend, schließlich ist dort heute ihr Arbeitsplatz. „Ein dunkelblaues Frotteehöschen wurde dafür zu meiner Glückshose, weil ich darin Bestzeit gelaufen bin.” Modische Härtetests haben sich ebenso in die Erinnerungen eingebrannt wie abenteuerliche Unterkünfte – von der Kaserne über Waldhütten bis zum Atombunker.

Thomas Hauck-Pignede erlebte als DSW-Schwimmer in Cleveland eine Eröffnungsrede von Präsident George Bush. Es war gerade Wahlkampf in den USA. Alexander Kreissl schwärmt von Eröffnungs- und Abschlussfeier in Bangkok. „Die Schülerspiele haben mich fast mehr geflasht als die normalen Olympischen Spiele”, sagt der langjährige DSW-Schwimmtrainer, der beides live erlebt hat. 2016 in Rio betreute er Marco Koch – einer jener Sportler, die es von den Schülerspielen bis auf die höchsten Sportebenen schafften. Wie Läuferin Petra Wassiluk, Basketballer Hansi Gnad oder die Triathletinnen Nicole Leder, Lisa Tertsch und Jule Behrens.

Oder Schwimmerin Chantal Noe, die die Schülerspiele aus zwei Perspektiven erlebte. Als Kind habe sie so „über den Tellerrand schauen können, dass es mehr gibt als Schnitzel und Pommes und dass man auch mal mit Stäbchen essen kann”. Als Betreuerin und Englischlehrerin habe sie der Satz eines Schülers erwärmt: „Jetzt weiß ich, wofür man Vokabeln lernen muss.” Weil ihm die Mädchen im mexikanischen Team so gut gefielen. Sie selbst hatte wiederum eine Konkurrentin aus den USA als Freundin gewonnen, man besuchte sich mehrfach gegenseitig und ging gemeinsam auf Europa-Reise.

ASC-Leichtathlet Moritz Hoschek steht als Multi-Sportler für eine gerne erzählte Geschichte. „Mein Vorlauf lief nicht so gut, weil ich etwas krank war. Beim Abendessen haben mich dann die Fechter angesprochen, weil sie noch einen für die Mannschaftswertung brauchten.” Nach Kurzeinführung auf dem Hotelzimmer und Einkleidung durch das niederländische Team aus Alkmaar punktete er am nächsten Tag sogar – und war ein Jahr später als Skilangläufer in Lake Placid.

 

Die junge Liebe vergeht, die Freundschaft bleibt

Beim Stichwort Winter-Schülerspiele kam Benno Hochstrate in Fahrt. 2011 war er selbst Vorsitzender der TSG-Eishockeyabteilung und mit Walter Hoffmann ein Eishockey-Fan Oberbürgermeister. Also flogen 25 Spieler und zwei Betreuer mit viel Sack und Pack nach Kanada. Dort sorgte ein väterlicher Sponsor erst einmal für ein Hotel statt Turnhalle als Unterkunft. „Die Gegner waren meistens Kanadier und auch noch zwei Jahre älter”, berichtete Hochstrate vom sportlich aussichtslosen Unterfangen. „Bei 6:0 wurde nicht weitergezählt, um die Psyche zu schonen.” Denn es kamen schon mal 20 Gegentore pro Spiel zusammen.

„Aber es war eine tolle Woche”, resümierte Hochstrate, der auf dem Rückflug noch erfuhr, dass sein Sohnemann immerhin einen zwischenmenschlichen Treffer gelandet hatte. Die Liebschaft zu dem kanadischen Mädchen war vergänglich, aber die Freundschaft zur Familie hält bis heute. Somit steht allein das Erlebnis der Eishockeyspieler für die olympischen Werte Fair Play und Völkerverständigung.

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