„Europäisches Gemeinschaftsgefühl erzeugen“
Knapp 50 Tage vor der Handball-Europameisterschaft kamen sie zum Experten-Talk zusammen: Max Geis, Senior Manager Communication der EURO 2024 GmbH, Thomas Zimmermann, Vorstand Marketing & Kommunikation des DHB, und Dennis Trautwein, Managing Director Germany & France der weltweit agierenden Beratungsagentur im Sport, Octagon. Das Trio über Chancen und Herausforderungen von Handball- und Fußball-EM– und die Perspektiven Richtung Paris 2024.
[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]
Von Frank Heike
Olympisches Feuer: Welche Geschichte will die Euro 2024 erzählen?
Max Geis: Wir sind mit dem Motto „United bei Football. Vereint im Herzen Europas.“ angetreten. Das war schon 2018 der Slogan unserer Bewerbung und ist es jetzt auch für das Turnier. Unser Turnierdirektor Philipp Lahm betont, dass wir ein europäisches Gemeinschaftsgefühl erzeugen wollen. Die Kroaten werden ihr Team feiern, die Niederländer haben schon angekündigt, dass sie mit dem Rad rüberfahren, wenn sie im Ruhrgebiet spielen. Die Engländer und Schotten werden von vielen Fans begleitet, selbst wenn sie kein Ticket haben, um das Turniererlebnis in Deutschland zu genießen. Darauf bereiten wir uns mit den Fan- Zonen vor.
Dennis Trautwein: Die Großveranstaltungen als solche sind für viele Fans ein Trigger, das Ganze als Event-Erlebnis mitzunehmen. Ich bin auch kein Handballfan per se, aber die EM triggert mich als jemand, der sportbegeistert ist, und wenn man so etwas im Land hat, möchte man auch Teil dessen sein.
Olympisches Feuer: Welchen Slogan verwendet der DHB?
Thomas Zimmermann: Das „Jahrzehnt des Handballs“ ist unser Dachthema. Wir wollen Handball gesellschaftlich relevanter machen, mehr Kinder zum Handball bringen, Handball zu einem Gesprächsthema machen, das über den Januar hinausgeht. Im Juni haben wir bereits 40.000 Kinder bei der U21-WM in den Hallen gehabt, ganze Schulklassen eingeladen. Damit hat das Thema „Kinder zur Sportart bringen“ begonnen. Das geht bei der EM weiter. Zwei Beispiele: Wir haben den Grundschulaktionstag, bei dem wir über 2000 Grundschulen mit den lokalen Handballvereinen besuchen, dieses Jahr kurz vor die EHF Euro gelegt. Außerdem bilden wir erstmals 1000 Kinderhandballtrainer mit einem Kurzlehrgang während des Turniers an den Spielorten aus.
Olympisches Feuer: Welche Chancen leiten sich aus den Motti für die Partner ab?
Dennis Trautwein: Gerade die Partner, die aus dem lokalen Markt heraus aktivieren, haben eine große Möglichkeit, eine ganzheitliche Geschichte zu erzählen und diese Touchpoints aufzugreifen. Sponsoren wie Lidl, DB und Engelbert Strauss, die über beide Veranstaltungen involviert sind, haben so eine schöne Vorlage, eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur punktuell, sondern über das ganze Jahr und hoffentlich darüber hinaus sowie in die Breite wirkt.
Olympisches Feuer: Welche Kooperationen zwischen DHB und DFB gibt es?
Thomas Zimmermann: Wir bewerben die Handball-Euro im Fußballumfeld und spielen uns da einige Bälle zu. Beispielsweise gemeinsamer content für Social Media oder ein gemeinsamer Auftritt beim Länderspiel in Berlin. Felix Kroos ist dort unser Botschafter. Es gab in der Halbzeit des Spiels Deutschland gegen Türkei in Berlin ein Interview mit Philipp Lahm zu beiden Turnieren. Im Basecamp der Nationalmannschaft war kürzlich Timo Kastening, der mit den Fußballkollegen verschiedenen Social Media content aufgenommen hat.
Max Geis: Wir haben ja auch von der Bundesregierung den Auftrag, mit anderen Sportgroßveranstaltungen in Deutschland zusammenzuarbeiten und einen Wissenstransfer herzustellen. Deswegen pflegen wir seit Langem Kooperationen mit anderen Großveranstaltungen, wie den European Championships in München. Da hatten wir regen Austausch, genauso wie bei den Special Olympics World Games, oder zuletzt mit der NFL, wo wir in Frankfurt hinter die Kulissen schauen konnten. Auch mit Paris 2024 waren wir im Kontakt; die engste Verbindung besteht aber zum DHB.
Olympisches Feuer: Wie sieht es auf Sponsorenseite aus?
Dennis Trautwein: Ich wünsche mir rein kommunikativ mehr Excitment im Markt. Das fehlt gerade beim Handball. Wir sind im Zeitfenster, in dem Kampagnen anlaufen. Beim Handball besteht sicher die Herausforderung mit dem Jahresende und Weihnachten. Da sind andere Kampagnen im Markt. Meine Erwartung wäre, dass sie Anfang des Jahres in die Vollen gehen. Beim Fußball müssen wir sicher noch etwas warten. Ich hoffe, dass wir uns von der Leistung der deutschen Mannschaft freimachen können und die Partner sich auf die Veranstaltung als Ganzes konzentrieren.
Olympisches Feuer: Wie ist die Situation beim Ticketing im Handball?
Thomas Zimmermann: Wir haben die 60 Prozent gerissen. Damit sind wir zufrieden. Die größte Nachfrage ist da, wo Deutschland spielt – Düsseldorf ist schon länger ausverkauft. Und auch für die weiteren Vorrundenspiele in Berlin gibt es keine Public Tickets mehr.
Olympisches Feuer: Und beim Fußball?
Max Geis: Wir haben in der ersten Verkaufsphase für eine Million Tickets etwa 20 Millionen Anfragen erhalten. Das ist eine Rekordzahl. Es gab viele traurige Gesichter im Bekanntenkreis, die leer ausgegangen sind.
Olympisches Feuer: 2006 und 2007 hatten wir das Sommermärchen, das Wintermärchen. Kann daran angeknüpft werden?
Max Geis: Wir waren damals in einer Phase, in der viele Leute die Turniere als Chance verstanden haben, großen Sport vor Ort zu erleben. Die Turniere der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass die Menschen Sport-Großveranstaltungen nicht mehr vorbehaltlos ansehen. Insofern wollen wir keine alten Geschichten aufwärmen, sondern neue erzählen. Wir werben dafür, welche positiven Seiten eine Großveranstaltung hat. Deswegen unternehmen wir bei der Nachhaltigkeit große Anstrengungen, mit einer umfassenden ESG-Strategie oder einer Menschenrechts-Erklärung. Wir haben den Spielplan nachhaltig gestaltet, in Clustern, die Teams spielen da hintereinander zwei Mal an einem Ort, um Reisewege zu reduzieren.
Olympisches Feuer: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei der Handball-EM?
Thomas Zimmermann: Dank unserem Partner Deutsche Bahn können die Fans mit ihrem Ticket für 29,80 Euro pro Strecke deutschlandweit zu den Spielorten mit der Bahn anreisen. Und auch die Teams und Offiziellen werden primär Bahn fahren. Das hat es so noch nicht gegeben. Diese Kooperation ist sicherlich unser Leuchtturmprojekt bei der ökologischen Nachhaltigkeit des Turniers.
Olympisches Feuer: Paris 2024 soll die Speerspitze der Nachhaltigkeit werden…
Dennis Trautwein: Im Anspruch auf jeden Fall, in der Realität bin ich gespannt, wie viele Maßnahmen wirklich realisiert werden. Viele Ziele sind artikuliert worden, nicht in jedem Schritt wird das nach meinem Empfinden auch nachgehalten. Nachhaltigkeit ist kurzfristig teurer als den einfachen Weg zu gehen.
Olympisches Feuer: Wem drücken Sie die Daumen – außer Team D?
Max Geis: Durch meine Kollegin Bianca aus Österreich tendiere ich im Fußball zu Österreich. Im Handball haben mich immer die Franzosen begeistert, weil ich ein großer Karabatic-Fan bin. Sie müssen aber nicht gegen Deutschland gewinnen!
Thomas Zimmermann: Das würde ich umdrehen. Mich begeistert Frankreich im Fußball. Im Handball habe ich für das Finale wie die meisten deutschen Fans einen großen Traum und wünsche mir dazu eine skandinavische Mannschaft oder Frankreich als Gegner.