‚Jo‘ Deckarm: Eine Ausnahmepersönlichkeit wird 70. Teil 1
Er galt als bester Handballer der Welt. Als Model-Athlet. Ein schwerer Sportunfall aber veränderte alles. Seine Geschichte ist bekannt, berührt aber bis heute die Menschen. Am 19. Januar wird Joachim Deckarm 70 Jahre alt. Die DOG widmet sich aus diesem Anlass der Ausnahmepersönlichkeit aus mehreren Perspektiven. Erzählt und dokumentiert von langjährigen Weggefährten, Helfern und Freunden. In diesem Beitrag geht es um die beeindruckende Vita des großen Sportlers. Auch – worüber nur wenige etwas wissen – als hoffnungsvoller Leichtathlet.
[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]
Redaktion mit Hilfe von Reinhard Peters
Joachim Deckarm wird am 19. Januar 1954 in Saarbrücken geboren. Schon mit sechs Jahren wird er Mitglied des TV Malstatt und macht – wie in diesen Jahren üblich – seine ersten sportlichen „Schritte“ im Turnen und in der Leichtathletik. Schon bald aber erkennt sein Vater Rudolf, der seit Jahrzehnten Kampfrichter des Saarländischen Leichtathletik Bundes ist, das besondere Talent seines Sohnes für die leichtathletischen Disziplinen. Sein Wechsel im Alter von 15 Jahren zur Leichtathletikabteilung des
SV Saar 05 Saarbrücken ist daher naheliegend und konsequent und wird natürlich auch von Vater Rudolf besonders gefördert. Unter dem engagierten und fachlich hochqualifizierten Trainer Karl John, entwickelt sich Joachim – „eingebettet“ in eine größere Gruppe weiterer talentierter Nachwuchsathlete – zu einem der besten Jugend-Leichtathleten des Saarlandes. Parallel dazu widmet sich Joachim aber auch seiner anderen „Liebe“, dem Handballspiel: 1970 schließt er sich schließlich dem 1. FC Saarbrücken an und ist auch in dieser Sportart schnell erfolgreich.
Eine große sportliche Karriere in zwei Sportarten nimmt ihren Lauf …
Der Leichtathlet
Für den TV Malstatt Saarbrücken nahm Joachim schon früh an Leichtathletikwettkämpfen teil. Seine Entwicklung und seine Erfolge sind beeindruckend:
- 1967 springt er mit 13 Jahren 1.45 m hoch. Der Hochsprung ist auch später immer seine Lieblingsdisziplin.
- 1968 ist er in der saarländischen Schülerbestenliste im Hochsprung mit 1.56 m Zweiter und im Kugelstoßen (4 kg) mit 11.99 m ebenfalls Zweiter. Im Speerwerfen (600 g) führt er jedoch die Bestenliste mit 43.46 m an und verfehlt den saarländischen Schülerrekord nur um 10 cm.
- 1969 wechselt Joachim zum SV Saar 05 Saarbrücken. Mit jungen Talenten trainiert er von da an in einer Gruppe, zu der auch Wolfgang Klein und Michael Volz gehörten.
- In diesem Jahr springt er bereits 1.75 m hoch, womit er in seiner Altersklasse die Nummer zwei im Saarland ist. Auch im Kugelstoßen (5.), Diskuswerfen (10.), Speerwerfen (4.),Fünfkampf (9.) und Achtkampf (8.) ist er in der saarländischen Bestenliste verzeichnet.
- 1970 führt Joachim mit sechzehn Jahren die saarländische Bestenliste der B-Jugend im Hochsprung mit 1.85 m und im Diskuswurf (1.5 Kg) mit 43,26 m an. Des Weiteren ist er im 110 m Hürdenlauf mit 16.8 Sek. (9.), im Stabhochsprung mit 3,40 m (4.) im Kugelstoßen (5 Kg) mit 13.30 m (5) , im Speerwerfen (600 g) mit 46.58 m (7.), im Fünfkampf als Fünfter und im Achtkampf als Vierter in den Bestenlisten seiner Altersklasse vertreten. Die 1.85 m im Hochsprung bedeutet damals auch saarländischen B-Jugendrekord.
- 1971, mit 17 Jahren, feiert Joachim seine größten Erfolge in der Leichtathletik. Mit seinen Freunden Michael Volz und Wolfgang Klein wird er Deutscher Jugendmeister in der Zehnkampf-Mannschaftswertung.
- Auch in der Fünfkampf-Mannschaftswertung gelingt der Titelgewinn gemeinsam mit Rolf Petersen, Wolfgang Klein, Michael Volz und Bert Kallenbach.
- Als Einzelathlet wird Joachim in diesem Jahr Sechster der Deutschen Jugendmeisterschaften im Hochsprung mit 1.93 m.
- In der saarländischen Bestenliste ist er in folgenden Disziplinen vertreten: 110 m Hürdenlauf 15,9 Sek. (3.), Hochsprung 1.93 m (2.), Stabhochsprung 3.70 m (6.), Kugelstoßen (6.25 Kg) 13.14 m (5.), Diskuswurf (1.75 Kg) 43.20 m (3.), Speerwurf (800 g) 50,54 m (6.), Fünfkampf 3162 P. (5.) und Zehnkampf 6510 P. (3.).
- 1972 feiert Joachim seinen größten Einzelerfolg als Leichtathlet, wird mit genau 2.00 m Vierter der Deutschen Jugendmeisterschaften. In diesem Jahr dominiert er die saarländische Jugend-Leichtathletik mit 2.00 m im Hochsprung, 14.57 m im Kugelstoßen (6.25 Kg), 43.14 m im Diskuswerfen (1.75 Kg) und 57.94 m im Speerwerfen (800 g). Im 110 m Hürdenlauf mit 15.6 Sek., im Fünfkampf mit 3368 P. und im Zehnkampf mit 6649 P. ist er jeweils Zweitbester. Außerdem erreicht er im Stabhochsprung 3.80 m (5.) und im Weitsprung 6.62 m (4.). Er erringt sechs saarländische Jugendmeistertitel in den Disziplinen Hochsprung, Kugelstoßen Diskuswerfen, Speerwerfen, Fünfkampf und Zehnkampf und gewinnt auch die Meisterschaft im Hochsprung der Männerklasse.
- 1973 wechselt er zum VfL Gummersbach und so bleibt immer weniger Zeit für die Leichtathletik. Er nimmt nur noch sporadisch an Wettkämpfen teil und stellt trotzdem mit 2.03 m im Hochsprung seine persönliche Bestleistung auf. Damit ist er auch bester Saarländer in diesem Jahr.
- Mit Wolfgang Klein und Michael Volz reicht es bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften immerhin noch zu einem fünften Platz in der Zehnkampf-Mannschaftswertung.
- Nach der Bestenliste des Saarländischen Leichtathletik Bundes (SLB) ist Joachim 1974 mit 1.96 m noch einmal bester Saarländer, 1975 mit 2.00 m Zweiter sowie 1976 Dritter mit 1.98 m. Danach erlaubt ihm seine so erfolgreiche Handballkarriere keine Ausflüge mehr in die Leichtathletik.
Es sei noch erwähnt, dass er in den Jahren 1968 bis 1974 mehrfach in Auswahlmannschaften des Saarländischen Leichtathletik Bundes berufen wird.
Der Handballer
In seiner Jugend spielt Joachim bis 1970 beim TV Malstatt Saarbrücken. Danach wechselt er zum 1. FC Saarbrücken. Sein damaliger Trainer Werner Hürter erkennt früh sein großes Talent als Handballer. So spielt er schon als 17-jähriger in der aktiven Mannschaft.
Am 06. März 1976 bestreitet er mit 22 Jahren bereits sein 50. Länderspiel in der Olympia-Qualifikation gegen die DDR. Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits aus den großen Fußstapfen seines Vorgängers herausgetreten: Der große Hansi Schmidt, zunächst noch Teamkollege des aufstrebenden Deckarms, verlässt den VfL Gummersbach – doch auch ohne den Torjäger bleibt das Team aus dem Oberbergischen auf Top-Niveau. Der junge ‚Jo‘ hat ihn als Goalgetter abgelöst, spielt zudem noch mannschaftsdienlicher als der damalige Rekordschütze.
Sein 100. Länderspiel absolviert „Jo“ am 22. Oktober 1978 gegen die damalige Tschechoslowakei.
Bei den Olympischen Spielen 1976 erreicht er mit der Mannschaft den vierten Platz. Die Qualifikation für Montreal hat die DHB-Auswahl vor allem ihm zu verdanken. Deckarm erzielt in den politisch aufgeladenen Duellen gegen die DDR (17:14, 8:11) einen Großteil der bundesdeutschen Treffer.
1978 – auf dem Höhepunkt seiner Karriere – führt er in Dänemark das deutsche Team im Endspiel gegen die Mannschaft der UdSSR zum Titel. Beim 20:19-Triumph ist Joachim mit sechs Toren der erfolgreichste Torschütze der Mannschaft. In dieser Zeit gilt ‚Jo‘ als komplettester Handballer weltweit und als Kopf des Teams, zusammen mit Heiner Brand und Kurt Klühspies.
Über das besondere Verhältnis Brands zu seinem Freund Deckarm berichtet der einstige Bundestrainer und Weltmeistercoach auch in seiner Biografie ‚Auf meine Art‘. Und: Deckarm widmet seinem Weggefährten seinerzeit ein eigenes Kapitel für das Buch, aufgezeichnet von Reinhard Peters und Frank Schneller.
Sein letztes Länderspiel bestreitet er Mitte Januar 1979: Im Endspiel des „Ostseepokals“ gegen die DDR(15:18), das im dänischen Brondby ausgetragen wird. „Jo“ erzielt dabei als Mannschaftskapitän sechs Tore.
In insgesamt 104 Länderspielen für die Nationalmannschaft wirft Joachim Deckarm 381 Tore.
Am 30. März 1979 aber endet durch einen tragischen Unfall im Spiel gegen Banyasz Tatabanya (Ungarn) seine außergewöhnliche Handballkarriere. Joachim ist zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 25 Jahre alt. Lesen Sie hierzu auch die Fortsetzung auf dieser Website.
Foto-Hinweis: Materialbeschaffung u.a. unter Mithilfe des Saarländischen Sportarchivs im Landesarchiv.