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1900. 1924. 2024: Olympische Sommerspiele Paris

Exkursion in die Olympia-Geschichte: Die französische Metropole und die Spiele – eine besondere, ereignisreiche Beziehung.

[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]

Von Michael Hakenmüller

 

Schon bei der Gründung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) an der Universität Sorbonne 1894 in Paris wollte Pierre de Coubertin, dass die I. Olympischen Sommerspiele 1900 in seiner Heimatstadt ausgetragen würden, medial attraktiv zusammen mit der dort geplanten Weltausstellung.Doch den Präsidiums-Mitgliedern war dies noch zu lange Zeit, wobei sie befürchteten, dass der Schwung für die Wiederbelebung Olympischer Spiele bis dahin wieder verebben würde. Und sie entschieden sich für Athen im Jahr 1896. Glücklicherweise, denn die Spiele dort im Ursprungsland des antiken Olympia wurden gleich ein Erfolg.

Ganz anders vier Jahre später im Jahr 1900 in Paris. Diese offiziell als II. Olympische Sommerspiele gezählten waren nicht mehr als ein Anhängsel der von der französischen Regierung minutiös organisierten und grandios dargebotenen 5. Weltausstellung in der französischen Hauptstadt.

Nirgends wurde berichtet und informiert, dass gleichzeitig dort Olympische Wettbewerbe ausgetragen wurden. Zudem hatte sich Coubertin nicht nur zeitweilig mit Alfred Picard, dem Chef dieser Weltausstellung, überworfen, sondern musste sich auch gegenüber der von Picard angeworbenen ´Union des sociétés francaises de sports athlétiques` (USFSA), dem damaligen nationalen französischen Sportverband behaupten. Und nur weil Coubertin fleißig Sportler aus vielen Ländern der Welt zur Teilnahme angeworben hatte, ernannte man ihn ehrenhalber zum ´Generalsekretär für die athletischen Wettbewerbe`.

 

Verwirrung um so manchen ‚Sachpreis‘

Die olympischen Wettbewerbe zogen sich über 164 Tage hin. An 71 davon kämpften tatsächlichAthleten gegeneinander (darunter – immerhin, da Coubertin sich dagegen ausgesprochen hatte – 22 Frauen). Ehrenpreise (Uhren, Vasen, Schmuck und manch glänzender, oft wertloser Kitsch, keine Extra-Medaillen) wurden noch Jahre später vom IOC an siegreiche Athleten vergeben, die teils gar nicht wussten, dass sie auch bei ´Olympischen Spielen` angetreten waren.

Nach dem 1.Weltkrieg drängten nun die Franzosen selbst Coubertin und das IOC, die VI. Olympischen Sommerspiele 1920 erneut nach Paris zu vergeben. Es gab regelrechte Demonstrationen dafür. Doch die obersten Olympier – seit 1915 mit Hauptsitz schon in der neutralen Schweiz – entschieden sich für das belgische Antwerpen. Als dann doch vier Jahre später Paris zum zweiten Mal an die Reihe kam, war die Begeisterung dafür nicht minder groß, wie 100 Jahre später bei der dritten Vergabe für das Jahr 2024.

Die VII. Olympischen Sommerspiele dauerten vom 4.Mai bis 27.Juli 1924. Anstatt von 997 Athleten gingen jetzt 3089 an den Start. Und immerhin schon an die 1000 Journalisten. Wie bereits seit 1912 und bis 1948 wurden auch bei diesen Spielen an der Seine Medaillen für künstlerische Leistungen auf 18 Gebieten vergeben. 1924 gab es folgende prämiierte Kunstwettbewerbe: Städtebauliche Entwürfe, Bildhauerkunst/Plastiken, Malerei und Grafik und Musik (mit den Unterteilungen in Musik jeder Art, Gesangskompositionen, Kompositionen für ein Instrument und Kompositionen für Orchester).

 

Der Rücktritt erfolgt zu früh…

So zufrieden mit sportlichem und kulturellem Erfolg zog sich im kommenden Jahr Coubertin zurück, zumal er im Februar 1924 bereits mit Genugtuung die ersten, zunächst beargwöhnten Olympischen Winterspiele im ebenfalls französischen Chamonix erlebte, welche damals noch ´Internationale Wintersportwoche` hießen. Er fungierte fortan nur noch als Ehren-Präsident des IOC. Für manche Beobachter der Szene trat er zu früh von seinem aktiven Führungs-Posten zurück. Denn schon unter seinem Nachfolger, dem Belgier Henri de Baillet-Latour, wurden die Einflüsse der Wirtschaft und der Politik viel offensichtlicher, wenngleich der Belgier diese auch stets abzuwehren versuchte.

Offenbar besuchte der nach wie vor sportliche, agile französische Coubertin seitdem und bis zu seinem Lebensende nie mehr persönlich Olympische Spiele, weil er den Organisatoren nicht in den Rücken fallen wollte. Allerdings wagte er sich zuletzt doch noch – u.a. mit Werbe-Vorträgen – sehr in die Nähe der Machthaber der Spiele von 1936 in Garmisch-Partenkirchen und Berlin. Wofür ihm der von dem französischen Baron durchaus geschätzte Reichskanzler Adolf Hitler nachträglich einen finanziellen Zuschuss von 10.000 Reichsmark zum inzwischen sehr bescheiden gewordenen Lebensunterhalt gegeben hatte. Ein bis heute nachwirkender Sündenfall der internationalen olympischen Bewegung (siehe hierzu auch die ARD-Doku von 2016: ‚Als Olympia seine Unschuld verlor.‘ (https://www.fernsehserien.de/filme/als-olympia-die-unschuld-verlor)

Wenn also jetzt zum dritten Mal in einer Stadt – wie schon zuvor 2012 in London und dem Mutterland des Sports – Olympische Spiele stattfinden, zeigt dies, welche Quantensprünge die moderne Olympische Bewegung in 124 Jahren von Paris 1900 bis Paris 2024 mit 10.500 teilnehmenden Athleten vollzogen hat.

 

Michael Hakenmüller (Foto: privat) aus Hechingen ist Vorsitzender der Regionalgruppe Neckaralb der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Zudem ist er Mitglied des Verbands Deutscher Sportjournalisten (VDS).

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