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Gelebte Demokratie im Fußball: Beim Handspiel damit beginnen!

Die Diskussionen rund um den nicht gegebenen Elfmeter im Spiel Deutschland gegen Spanien begleiteten die EM bis zum Abpfiff. Und halten noch an. Manchmal lohnt es sich, bei der Lösungsfindung einfach und logisch zu denken – meint unser Gastautor.

[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]

Von Volker Schneller

 

Hand! Hand!! Das war doch Handspiel?!! Oder?! Doch nicht? Wieso war das jetzt Handspiel – und das vorhin nicht? Die Diskussionen um die sinnvoll(st)e Handhabe von Schiedsrichterentscheidungen im Fußball ebben nicht ab. Insbesondere wenn es um unerlaubtes, unnatürliches oder versehentliches Handspiel im Strafraum geht, scheiden sich die Geister am Regelwerk. Trotz oder erst recht seit Einführung technischer Hilfsmittel, Video-Assistent, Superzeitlupe und Standbilder am Monitor im Stadion. Was bleibt, sind immer neue Expertenrunden, Interpretationen, Meinungswechsel und Streitigkeiten.

„Das ist doch auch das Schöne am Fußball“, heißt es dann oft. Wirklich? Diese nach charmanter Folklore klingende Formel ist letztlich doch eher nur die Flucht nach vorne. Ist es wirklich „schön“, dass Ungereimtheiten, Fragezeichen und Konfliktpotential vom Spiel selbst immer wieder ablenken, es bisweilen sogar diskreditieren. Dass bei aller Technik und Innovation Auslegungsspielräume und Unstimmigkeiten, ja sogar Widersprüche, fortbestehen?

Handspiel! Handspiel? Bundestrainer Julian Nagelsmann musste bei der EM wegen zwei fragwürdiger Entscheidungen durch ein Wechselbad der Gefühle.

 

Bei der Europameisterschaft in Deutschland hat es vor allem hierzulande weitere Aufregung und Verwirrung gegeben – natürlich um den vermeintlichen Handelfmeter, der Deutschland im Viertelfinale gegen Spanien versagt wurde, nachdem die DFB-Auswahl im Achtelfinale gegen Dänemark noch Profiteur des Regeldickichts rund ums Handspiel im Strafraum war. Im Zuge dessen kamen weitere Regelexperten, Ex-Spieler und -Schiedsrichter sowie Aktive und Funktionäre zu Wort. Es ging hin- und her. Abschließende Klarheit? Fehlanzeige. Egal, welche Ideen und Betrachtungen im Raum standen und stehen: Was bleibt, ist – egal aus welcher Perspektive – das ungute Gefühl mangelnder Transparenz, Logik und vor allem Gerechtigkeit.

Ich bin kein Experte, kein ehemaliger Schiedsrichter oder Fußballer. Kein Regelfachmann. Doch für meinen Vorschlag braucht man keinen Stallgeruch, keine Karriere beim DFB oder im Profifußball. Um Ruhe in das leidige Thema hinein zu bekommen, braucht es eigentlich nur: Verstand und Vertrauen darin, dass Logik und die Akzeptanz demokratischer Entscheidungen verfangen. Mein Lösungsansatz – oder anders formuliert: Denkanstoß – ist zudem ganz nahe an der Praxis, also machbar. Und gerecht.

Wie er aussieht? Sobald es eine (vermeintliche) Handberührung im 16er gibt, oder eine Situation, in der Handspiel nicht ausgeschlossen werden kann oder durch den Videoassistenten bzw. den Sensor im Ball angezeigt wird, geht der Schiedsrichter automatisch und somit unweigerlich mit seinen beiden Linienrichtern an den Monitor und schaut sich das Geschehen mehrfach in Zeitlupe an. Kommt man dann zu dritt zu der Ansicht, dass es eine absichtliche Handbewegung zwecks Ballberührung gab, ist es Strafstoß! Unweigerlich. In allen anderen Fällen wird weitergespielt. Und wenn einer der drei Unparteiischen eine andere Meinung hat, ist die Mehrheit entscheidend. Auch der leidige Ermessensspielraum wird dadurch entkräftet, eine Fehlerquelle versiegt.

Modernste Sensortechnik im Spielgerät sollte Klarheit schaffen– und dennoch gibt es keine einheitliche Handhabung durch die Referees.

 

Bevor der ‚Kölner Keller‘ eingeführt wurde, musste der Schiedsrichter schließlich auch sofort entscheiden, ohne die Hilfe des Monitors und x-facher Zeitlupe. Hier aber können drei ausgebildete Experten gestützt auf die mehrfache Nutzung der Zeitlupe eine Entscheidung treffen. Man kann alternativ auch nur den Schiedsrichter, dazu den obersten Keller-Schiri plus jenen aus dem Schiedsrichterteam nehmen, der bei einem Ausfall des ersten Schiris einspringen würde, also alle drei mit A-Lizenz!

So wird eine demokratische – aber eben auch stringente – Ebene genau an der Stelle eingezogen, wo der Schiedsrichter bis jetzt noch Angriffsflächen bietet, weil er – im Stadion – je nach Situation letztlich allein verantwortlich ist. Und verantwortlich gemacht wird. Ungeachtet aller Hilfsmittel, die ihm die Spielleitung erleichtern sollen. Manchmal, möchte man meinen, liegt das Logische und Einfache im Dickicht von Paragraphen, Regeln und Statuten doch so nah. Zu nah?

 

Hinweis: Kommentare und Ansichten von Gastautoren entsprechen nicht zwangsläufig der Meinung und Haltung von Vorstand oder Redaktion. Sie sollen, wie in Meinungsbeiträgen üblich, zur – möglichst konstruktiven und sachlichen – Diskussion anregen. D. Red.

 

Spieler, Trainer, Reporter: Volker Schneller kann auf einen riesigen Erfahrungsschatz zurückgreifen, wenn es um Handball geht.

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