Die südafrikanische Apartheid und der bundesdeutsche Sport: Zwischen Ächtung und Kooperation
von Dr. Jan Hangebrauck [ALLGEMEIN |GESELLSCHAFT | HISTORIE]
Nie wieder sollte der bundesdeutsche Sport zum Instrument politischer Interessen werden, mit dieser Maßgabe wurde der Deutsche Sportbund (DSB) am 10. Dezember 1950 in Hannover gegründet. Zu traumatisch waren die Erfahrungen des Umgangs mit dem organisierten Sport in der Zeit des Nationalsozialismus mit der propagandistischen Ausschlachtung des Sports bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936. Es ist interessant, zu schauen, wie sich Vertreter des bundesdeutschen Sports und die bundesdeutsche Regierung in den kommenden Jahrzehnten gegenüber anderen Regimen verhalten haben, etwa gegenüber dem südafrikanischen Apartheidregime.
Die bundesdeutsche Regierung im Fahrwasser des Kalten Krieges
Die Bundesregierung verurteilte die Apartheid aus einer moralischen Perspektive, hielt jedoch Beziehungen im Sport, in der Wirtschaft und in der Kultur aufrecht. Diese Kontakte wurden unter anderem vor dem Hintergrund des Kalten Krieges aufrechterhalten, denn Südafrika galt als Verbündeter im Kampf gegen den Kommunismus. Vereinzelt standen Politiker, insbesondere aus der CDU und der CSU, der Apartheid wohlwollend gegenüber. So gab der spätere Bundespräsident Heinrich Lübke 1959 zu Protokoll, in Südafrika wisse er die „Rassenprobleme in guten Händen“.
Kontakte zu Südafrika im Sport blieben auf der Basis eines 1962 mit Südafrika geschlossenen Kulturabkommens bestehen. Wenig überraschend kritisierte daher die bundesdeutsche Regierung den Ausschluss Südafrikas von den Olympischen Spielen 1964: Die Botschaft der Bundesrepublik in Südafrika bezeichnete diese Sanktion in einem Brief an das Auswärtige Amt als „illegale Einmischung in die Politik Südafrikas“ und prophezeite den „Kollaps der Olympischen Idee“, nämlich die fehlende Möglichkeit der Teilnahme aller Sportler:innen an diesem Ereignis.
Erst nach dem Ausschluss Südafrikas aus der Olympischen Bewegung im Mai 1970 änderte sich die Position der bundesdeutschen Regierung zur Apartheid, allerdings nur geringfügig: Aufgrund des drohenden Boykottes der Olympischen Spiele in München verlangte das Innenministerium in zwei Briefen an den DSB und das NOK, keinen Austausch mit Südafrika im Sport mehr zu pflegen. Diese Haltung behielt die Bundesregierung bis zum Ende der Apartheid bei. Allerdings verzichtete sie auf Sanktionen gegenüber Sportlern:innen und Funktionär:innen, die weiterhin Kontakte zu Personen aus Südafrika hatten. Denn sie wollte nach eigener Aussage eine Einmischung in die Angelegenheiten des Sports vermeiden.
Sportverbände und das Gebot der Autonomie
Bundesdeutsche Sportverbände pflegten intensive Beziehungen zu südafrikanischen Verbänden, insbesondere vor dem Ausschluss Südafrikas aus der Olympischen Bewegung. Der seinerzeitige NOK-Präsident Willi Daume verurteilte in einem Brief an das Auswärtige Amt die Suspendierung Südafrikas von den Olympischen Sommerspielen 1964, die im März dieses Jahres als Vorstufe zum Ausschluss im August erfolgt war. Denn der südafrikanische Sport sei nicht für die Gesetze der Regierung verantwortlich.
Nach dem Ausschluss Südafrikas aus der Olympischen Familie änderte sich die Haltung von DSB und NOK zu Südafrika, jedoch nur in einem bescheidenen Ausmaß. Der damalige Generalsekretär des DSB, Karlheinz Gieseler, forderte in einem Brief vom Juni 1970 an die Mitgliedsverbände des DSB diese dazu auf, den Austausch auf Sportarten zu beschränken, in denen der jeweilige internationale Sportdachverband noch keine Sanktionen erlassen hatte. Neben der Gefahr des Olympiaboykottes in München nannte Gieseler den Olympiaausschluss Südafrikas als Grund. Infolge des Briefes Gieselers sank die Zahl der Kontakte bundesdeutscher Sportler:innen nach Südafrika zunächst deutlich, nahm aber nach den Olympischen Spielen in München wieder merklich zu.
Die beteiligten Personen rechtfertigten die Kontakte mit einem Hinweis auf deren angeblich rein privaten Charakter. Im Sommer 1982 reiste beispielsweise eine Judomannschaft aus Niedersachsen mit zwei Angehörigen des Nationalkaders, Birgit Friedrich und Jürgen Füchtmeyer, vier Wochen durch Südafrika und nahm dabei nach eigener Aussage nicht an Schaukämpfen, sondern nur an Trainingswettkämpfen ohne mediale Berichterstattung teil. Neben dem Bestreben, Sport und Politik voneinander zu trennen, waren zumeist der Wunsch nach einer Verbesserung des Leistungsvermögens sowie die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen, ausschlaggebend für derartige Kontakte, da südafrikanische Verbände teilweise hohe Antritts- und Siegprämien zahlten, um Sportler:innen anderer Nationen davon zu überzeugen, den Sportausschluss Südafrikas zu missachten.
Dies zeigte sich etwa bei einer geplanten Turnierteilnahme des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach an einer Veranstaltung in dem südafrikanischen Homeland Bophuthatswana 1985, bei welcher der Sieger 125.000 $ erhalten sollte. Nach massiven Protesten und einer Intervention der FIFA, die auf die Unrechtmäßigkeit einer Teilnahme Mönchengladbachs hinwies, sagte deren Geschäftsführer Helmut Grasshoff jedoch den Start ab.
Nach der Rückkehr Südafrikas in die Olympische Bewegung 1991 und nachdem die Europäische Gemeinschaft die Sanktionen gegen Südafrika in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Sport aufgehoben hatte, erlaubte auch der DSB den Wiederbeginn von Sport mit südafrikanischen Aktiven. Zugleich forderte er die zuständigen Funktionäre aber dazu auf, die Situation besonders in den nicht-olympischen Sportarten gewissenhaft zu prüfen, da sie dort oftmals unklar sei. Nach Angaben des DSB wurden die Beziehungen zu Südafrika jedoch erst im Herbst 1994 wieder aufgenommen, nachdem Nelson Mandela Präsident geworden war. In den kommenden Jahren reisten verschiedene Trainer nach Südafrika, so auch der bekannte Fußballtrainer Horst Kriete, der sich dort von 1997-2002 aufhielt und beim Auf- und Ausbau der Strukturen im Fußball mitwirkte.
Der politische Sport
Der Fall Südafrikas hat gezeigt, dass es unpolitischen Sport nicht geben kann: Auch die Weigerung, auf Kontakte mit einem Land zu verzichten, in dem Apartheid herrscht, stellt eine politische Aussage dar. Zwar ist im Sport immer die Gefahr eines Missbrauchs von Sanktionen zu fragwürdigen politischen Zwecken gegeben, was etwa die Olympiaboykotte von 1980 und 1984 veranschaulichen, die Sven Güldenpfennig zufolge zu einer Konfliktverschärfung führten.
Sport besitzt allerdings zugleich die Macht, politische und soziale Missstände zum Positiven zu verändern, wie der Fall des Olympiaausschlusses Südafrikas gezeigt hat. Das heißt, Sport hat in den Worten Mandelas „the power to change the world. It can unite people in a way little else can“. Es wäre vermutlich sinnvoller, das Potential des Sports zu nutzen, anstatt zu leugnen, dass es einen Zusammenhang zwischen Sport und Politik gibt.
Fotos: Beitragsfoto: picture-alliance/ dpa | epa Sylvain Muscio | Text: Dr. Jan Hangebrauck/H. Vassal.
Dr. Jan Hangebrauck ist Lehrer an der Oberschule Falkensee, DOG-Mitglied und Forscher mit den Schwerpunkten Geschichte des Protests (im Sport), Geschichte des Rassismus und des Judo. Im Januar ist seine Dissertation „Sportbezogene Proteste gegen die Apartheid in Südafrika 1956-1992“ im Akademia-Verlag erschienen.
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