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„Die Handballer sind unsere Botschafter“

Sascha Gladun, Generalsekretär des ukrainischen Handballverbandes, ist den Besucherinnen und Besuchern unseres Portals seit einem Portrait kurz nach dem russischen Angriff auf sein Land, ein Begriff. Ein Jahr später ist der Ausnahmezustand ukrainischer Sportlerinnen und Sportler, die abseits ihrer Heimat weiterhin aktiv sind, zu einer Art Gewohnheit geworden. Interview über die EM-Qualifikationsspiele des ukrainischen Nationalteams, die in Deutschland ausgetragen werden, und das Gästeteam aus Saporischschja in der zweiten deutschen Liga.

Von Frank Heike

[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]

 

Olympisches Feuer: Herr Gladun, Ihre   Nationalmannschaft trägt ihre Heimspiele im Rahmen der Qualifikation zur Europameisterschaft in Deutschland aus, um vor dem Krieg in Ihrer Heimat geschützt zu sein. Hat sie noch Aussichten, die EM 2024 – ebenfalls in Deutschland – zu erreichen?

Sascha Gladun: Ja, unsere Chancen bestehen weiterhin. Wir wollen unbedingt zur EM. Gegen Österreich haben wir zweimal verloren, aber wir sind nicht schlecht. Allerdings müssen wir gegen die Färöer und Rumänien gewinnen. Dann könnte es noch klappen.

 

Olympisches Feuer: Wissen Sie schon, wo das „Heimspiel“ gegen Rumänien stattfinden wird? Gegen Österreich hat die Ukraine vor mehr als 2000 Fans in Coburg gespielt.

Sascha Gladun: Wir wollten in Berlin spielen, das hat aber nicht geklappt. Jetzt spielen wir am 30. April in Gummersbach. Auch das ist wieder ein Zeichen deutscher Solidarität.

 

Große Dankbarkeit gegenüber Deutschland

Olympisches Feuer: Wie belastend sind diese Heimspiele in der Fremde?

Sascha Gladun: Ich sehe da weniger die Belastung. Sondern die Möglichkeit. Wir sind Deutschland und dem deutschen Handball dankbar, weil es die ukrainische Nationalmannschaft ohne seine Hilfe nicht mehr geben würde. Die Liga, HBL-Chef Frank Bohmann, auch die anderen Teams, es gibt viele, die dazu beigetragen haben, dass es den ukrainischen Handball noch gibt. Die Stadt Düsseldorf und ihre Sport- und Event-Tochter „D-Live“ sind ganz besonders zu nennen.

 

Olympisches Feuer: Zuletzt standen zehn Spieler vom HC Motor Saporischschja im Kader der Nationalmannschaft. Könnte es ein Trumpf werden, dass sie besonders eingespielt sind?

Sascha Gladun: Ja, ich denke schon. Früher war unsere Nationalmannschaft über ganz Europa verstreut, jetzt haben wir viele Ukrainer bei HC Motor und das Ganze ist eingespielter.

 

Olympisches Feuer: Und in Igor Turchenko haben sie den besten Torschützen der zweiten Liga…

Sascha Gladun: Igor hat sich in dieser Saison super entwickelt. Er wird seinen Weg gehen. Man darf im Übrigen nicht vergessen, dass das aktuelle Motor-Team wenig mit dem alten zu tun hat, das regelmäßig in der Champions League spielte. Alle Legionäre sind mit Kriegsbeginn weggegangen. Das aktuelle Team ist die frühere zweite Mannschaft. Dafür machen sie es gut nach anfänglichen Schwierigkeiten. Und Igor ist das beste Beispiel dafür.

Hoffnungsträger: Sascha Gladun (rechts) bildet ein starkes Duo mit Nationaltrainer Lochman.

 

So viel Unterstützung, wo vorher Skepsis war

Olympisches Feuer: Wenn man die Spieler von HC Motor fragte, wie es Ihnen in Düsseldorf gehe, wo doch zuhause Krieg ist, gab es ganz verschiedene Antworten. Es muss eine Belastung sein, das immer wieder gefragt zu werden, oder?

Sascha Gladun: Fragen darf man sie alles. Aber dieses Thema ist richtig schwierig. Jeder entscheidet für sich selbst, wie er antwortet. Für mich als Verbands-Funktionär ist wichtig, dass diese Spieler gesund bleiben, dass sie keine psychischen Verletzungen bekommen – sonst hätten wir gar keine Nationalmannschaft zusammengestellt. Und es ist einfach so, dass sie in den Stunden des Trainings und der Spiele abgelenkt sind und an etwas anderes denken. Sie hängen oft genug an ihren Smartphones und checken, wie die Lage zuhause ist. Alle haben dort Familie und Freunde.

 

Olympisches Feuer: HC Motor hat jetzt zwei Drittel der Saison in der zweiten Bundesliga gespielt. Wie geht es danach weiter?

Sascha Gladun: Wir wissen, dass die Liga reduziert werden soll. Es ist auf Dauer nicht leicht mit einem ausländischen Verein in der heimischen Liga. Die kostenlose Variante der Stadt Düsseldorf kann nicht ewig halten. Düsseldorf ist in einer für uns ganz schwierigen Situation aufgetaucht. Wir spüren inzwischen so viel Unterstützung, wo anfangs Skepsis war. Vielleicht wäre ein anderer Standort in der neuen Saison der richtige.

 

Olympisches Feuer: Wo könnte das sein?

Sascha Gladun: Wir prüfen das derzeit. Vielleicht in Tschechien, Polen oder Slowenien.

 

Wir haben unsere Sportart erst einmal gerettet

Olympisches Feuer: Ist denn schon klar, dass „Motor Sitsch“, der große Turbinenhersteller aus Saporischschja, die Mannschaft ein weiteres Jahr finanziell unterstützt?

Sascha Gladun: Ja, diese Zusage wurde gegeben. Die Handballer sind unsere Botschafter. Sie zeigen der Heimat, dass es mit dem Handball weitergeht, dass sie sich nicht unterkriegen lassen. Das ist einfach ein wichtiges Signal. Das haben wir auch in Coburg gespürt.

 

Olympisches Feuer: Wenn Sie zurückschauen, und, nur auf den Handball bezogen, die Lage im März 2022 mit der Lage jetzt vergleichen, wie lautet ihr Fazit?

Sascha Gladun: Aus einer katastrophalen Situation haben sich ein paar gute Sachen entwickelt. Wir haben unsere Sportart erst einmal gerettet.

 

Hier geht es zum Beitrag vom 22. April 2022:
„Helfen. Wo und wie auch immer. Solange wie möglich.“

 

 

Sportjournalist Frank Heike (52) schreibt seit vielen Jahren als Korrespondent regelmäßig für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Der gebürtige Flensburger ist zudem Mitglied der Hamburger Medienmannschaft. Neben Fußball und Handball gehören Sportbusiness-Themen inzwischen zu Heikes Kern-Expertise.

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