Ein Ehrenabzeichen für alle: Das Deutsche Sportabzeichen
Dr. Mischa Kläber, Ressortleiter Ressort Breiten- und Gesundheitssport beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und damit schon von Berufswegen Fürsprecher des Deutschen Sportabzeichens, setzt sich aus Überzeugung dafür ein, Menschen aller Altersklassen zum Sport zu bringen und langfristig in Bewegung zu halten. Welche Vision er für das traditionsreiche Ehrenabzeichen hat, erzählt er uns im Interview.
[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]
Von Jenni Nimz
Olympisches Feuer: Herr Dr. Kläber, seit Mitte Juni ist die Sportabzeichen-Tour wieder unterwegs durch Deutschland. Wie wichtig ist es, dass solche Events – ebenso wie die Sportabzeichen Treffs – nach der Corona-bedingten Pause in diesem Jahr wieder stattfinden können?
Dr. Mischa Kläber: Extrem wichtig. Sport hat neben der gesundheitlichen Komponente eine hohe soziale Kraft und wirkt auch der sozialen Vereinsamung entgegen, die viele Menschen während der Restriktionen in den letzten Jahren erfahren haben. Und wir sehen an der Teilnahme an den Events aber auch an den wieder steigenden Abnahmezahlen, dass die DNA des Deutschen Sportabzeichen weiterhin funktioniert: Menschen motivieren, in Bewegung bringen und sie vor allem langfristig in Bewegung halten. Und das über alle Altersklassen hinweg.
Olympisches Feuer: Was ist das Besondere am Deutschen Sportabzeichen? Körperliche Fitness und gemeinsames Erleben kann ja auch im Fitnessstudio oder beim Kicken mit den Kumpels passieren.
Dr. Mischa Kläber: Das Deutsche Sportabzeichen ist ein Leistungsabzeichen. Das motiviert per se, persönliche Bestleistungen aufzustellen und „dranzubleiben“. Doch das besondere ist, dass der Leistungskatalog des Sportabzeichens Übungen aus den Disziplingruppen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination enthält, sowie einen Nachweis über die Schwimmfertigkeiten erbracht werden muss. Also ein wirklich ganzheitlicher „Fitness-Test“. Ein wissenschaftlich fundiertes Punktesystem sorgt für eine Vergleichbarkeit über alle Altersgruppen und Geschlechter hinweg und macht das Sportabzeichen trotz Leistungsanspruch auch für hochaltrige Teilnehmer sicher, sofern sie keine gesundheitlichen Einschränkungen haben. Ich messe mich also Jahr für Jahr nicht nur mit mir selbst, sondern auch mit vielen anderen und mache mein persönliches Breitensport-Gold, -Silber oder -Bronze – ganz im Sinne des olympischen Geistes Und nicht zuletzt kann das Deutsche Sportabzeichen auch von Menschen mit Behinderung abgelegt werden. Seit über 60 Jahren existiert der Leistungskatalog mit verschiedenen Behinderungsklassen, der fortlaufend durch den Deutschen Behindertensportverband weiterentwickelt und angepasst wird. Somit kann jeder nach seinen individuellen Voraussetzungen gleichberechtigt das Deutsche Sportabzeichen erwerben.
Das Sportabzeichen bleibt im Verein
Olympisches Feuer: Sport hält ja bekanntlich jung. Das Deutsche Sportabzeichen gibt es seit über 100 Jahren. Was tut der DOSB dafür, dass Sportabzeichen ebenfalls „jung“ bleibt?
Dr. Mischa Kläber: Zunächst einmal sind wir sehr stolz darauf, dass die Marke Deutsches Sportabzeichen, übrigens ein Ehrenabzeichen der Bundesrepublik, über einen so langen Zeitraum immer neue Fans gewinnt und gleichzeitig eine hohe Bindungskraft entwickelt, so dass die meisten Teilnehmer zu Wiederholungstätern werden. Und tatsächlich wurden in den Jahren vor Corona von 800.000 abgelegten Sportabzeichen 600.000 durch Kinder erreicht, also durch eine sehr junge Zielgruppe. Aber wir wissen natürlich auch, dass es neben der Erhaltung der Tradition einer stetigen Weiterentwicklung bedarf. Wir nehmen beispielsweise die Zielgruppe der jungen Erwachsenen verstärkt in den Fokus, indem wir unter anderem den Leistungskatalog um Disziplinen aus dem Bereich der Fitness, wie Klimmzüge und Liegestütze, erweitert haben und zielgruppengerechte Kommunikationskonzepte umsetzen. Aktuell steht zudem das Thema „Digitalisierung“ ganz oben auf unserer Agenda.
Olympisches Feuer: Das bedeutet aber sicherlich nicht, dass wir das Sportabzeichen künftig zuhause vor dem Computer ablegen werden, oder?
Dr. Mischa Kläber: Nein, ganz im Gegenteil. Das Sportabzeichen findet nach wie vor im Verein statt. Das ist auch eine ganz wichtige Komponente, zum Beispiel mit Blick auf die Trainingssteuerung. Aber wir wollen es allen Beteiligten einfacher machen, indem wir medienbruchfreie digitale Lösungen von der Abnahme der Prüfungen bis zur Erstellung der Urkunde schaffen. Das klingt erstmal nicht so schwierig, ist aber ein echtes Jahrhundertprojekt, da wir in dem Prozess alle Beteiligten mitnehmen. Das Deutsche Sportabzeichen lebt ja ohnehin von den gewachsenen Strukturen, auf die wir uns verlassen können: Von den Prüfer*innen in den Vereinen über die Kreis- und Stadtsportbünde bis hin zu den Landessportbünden, die teilweise bereits über eigene digitale Lösungen verfügen, die in die Entwicklung einer zentralen Service-Plattform einfließen. Nicht zu vergessen die Schulen. Ziel muss es hierbei sein, das Sportabzeichen für Lehrer*innen möglichst unaufwändig zu machen. Und wenn wir von Unterstützern sprechen, müssen wir auch unsere Nationalen Förderer nennen, ohne die das Sportabzeichen in dieser Form auch nicht zu realisieren wäre.
Das Sportabzeichen in neue Umfelder bringen
Olympisches Feuer: Und wenn die digitale Plattform umgesetzt ist? Gibt es eine langfristige Vision für das Deutsche Sportabzeichen?
Dr. Mischa Kläber: Wir streben schon länger eine große Zahl an: Eine Million abgelegte Sportabzeichen pro Jahr. Doch uns geht es dabei weniger um die schöne Zahl. Wir wollen noch mehr Menschen ein konkretes Angebot machen, nachhaltig in ihre Gesundheit zu investieren. Dazu müssen wir das Sportabzeichen in neue Umfelder bringen und beispielsweise Sportler aus (anderen) Einzel-Disziplinen motivieren, sich ganzheitlich in allen motorischen Grundfähigkeiten fit zu halten und mit anderen zu messen. Das sind langfristige Prozesse, mit denen wir bereits begonnen haben. So gibt es eine Vielzahl an Verbandssportabzeichen, in deren Rahmen Übungen einzelner Gruppen in der jeweiligen Sportart absolviert werden können. Neben olympischen Sportarten finden sich hier auch Minigolf, Flossenschwimmen oder Segelfliegen.
Olympisches Feuer: Haben Sie persönliche sportliche Pläne in Bezug auf das Deutsche Sportabzeichen?
Dr. Mischa Kläber: Ich möchte in diesem Jahr zum fünften Mal in Folge das Sportabzeichen in Gold ablegen. Seit dieses altehrwürdige Ehrenabzeichen in meinem Ressort zuhause ist, bin ich doppelt motiviert. Ich möchte mir selbst beweisen, dass ich noch nicht zum „alten Eisen“ gehöre – ich finde es einfach voll gut, mich mit meinem Neffen oder den Teamkollegen messen zu können. Und das unabhängig von den altersbedingten Voraussetzungen.
Und hier erfahren Sie mehr – wichtige Links zum Deutschen Sportabzeichen:
www.deutsches-sportabzeichen.de/veranstaltungen/sportabzeichen-tour
www.deutsches-sportabzeichen.de/service/materialien
www.deutsches-sportabzeichen.de/service/menschen-mit-behinderung
www.deutsches-sportabzeichen.de/
www.deutsches-sportabzeichen.de/partner
2 thoughts
Guten Tag,
es ist sehr schön, dass immer mehr Menschen dazu angehalten werden, die Prüfungen für das Deutsche Sportabzeichen abzulegen.
Vergessen sollte man aber nicht diejenigen Sportler, die schon langjährig dabei sind. Im letzten Jahr erfüllte ich zum 55 mal die erforderlichen Leistungen für das Sportabzeichen in Gold. Bisher erhielt ich jeweils nach fünf Jahren eine neue „Ehrengabe“ mit der Zahl der abgelegten Prüfungen. Diese trug ich stets an meinen Anzügen, auch um dadurch weitere Teilnehmer zu gewinnen.
Um die Nadeln nicht immer wieder umstecken zu müssen, erwarb ich jeweils zwei Nadeln hinzu. In diesem Jahr scheiterte ich mit meinem Anliegen so nachhaltig, dass ich noch nicht einmal die Ehrengabe in Form eines einzigen Eichenblattes mit der Zahl 55 erhielt.
Gut, dass Sie bundesweit für das Sportabzeichen werben, schade, dass mir diese Werbung nun nicht mehr möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrich Korittki
Guten Tag, ich bin seit 50 Jahren Prüfer für das Sportabzeichen und habe das 55. Sportabzeichen letztes Jahr erworben. Als Organisator in unerer Sportabzeihengruppe stelle ich vermehrt fest, dass auch langjährige Teilnehmer mit über 60 Jahren die Bedingung “Ausdauer” nicht mehr schaffen, weil diese zu ambitioniert sind.
Hier sollte unbedingt eine Verbesserung erfolgen, da wir jährlich dadurch Mitglieder verlieren.
Viele Grüße Heinrich Aicher