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Wir sind wieder da!

Von der Seele geschrieben: Ein wahrer Fußballfan über den Zauber des Mitleidens und die Schönheit einer Rückkehr. Sein Klub? Nur der HSV!

[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]

Von Jörn Kammler

 

Jaaaaaaa!!!!! Wir sind wieder da!

›Wir!‹ Damit meine ich den HSV, der in der kommenden Saison wieder in der 1. Fußball-Bundesliga spielen wird. Endlich! Meine Freundin sagt zwar immer: ›Du hast doch gar nicht mitgespielt‹, wenn ich mit ›wir‹ über den HSV spreche, aber jeder Fan wird wissen, was ich meine. Die Gefühle, die Enttäuschungen, die Freude – und jetzt endlich die Erleichterung, die man empfindet, wenn man mit dem eigenen Verein einen so lang ersehnten Erfolg feiern kann! Das sind dann eben nicht der HSV und ich, das sind ›wir‹!

Nach all den Jahren, in denen ich nun schon mit dem HSV mitgefiebert, gejubelt, gefeiert und leider auch viel geflucht und gelitten habe, bin ich einfach ein Teil dieser ›HSV-Familie‹. Seit ich 1988 mit sieben Jahren zum ersten Mal mit meinem Vater und meinem Patenonkel im Stadion war, bin ich als waschechter Hamburger eben HSV-Fan. Da gab es nie etwas anderes. Die Besuche im Volksparkstadion wurden immer häufiger, bis ich alt genug war, um mit meinem Bruder und Freunden alleine hinzugehen. Dann gab es die erste Dauerkarte. Damals standen wir mit einer Trommel in der Westkurve im Block E. Da wo die Stimmung gemacht wurde. Also habe ich auch schon bzw. noch die guten Zeiten erlebt, in denen der HSV eine wichtige Rolle in der Bundesliga, im Europapokal und sogar in der Champions League spielte … Lang, lang ists her … Die Dauerkarte hat sich aufgrund von zu vielen Überschneidungen mit dem eigenen Sport irgendwann nicht mehr gelohnt. Vor dem Fernseher oder unterwegs zumindest vor dem Radio habe ich trotzdem immer mitgefiebert, wenn ich nicht ins Stadion konnte. Und in den Jahren vor und bis zum Abstieg natürlich mehr gezittert, bis es dann doch passiert ist: Der bittere Gang in die Zweitklassigkeit.

Aber diese Zeit ist nun endlich vorbei! Endlich sind wir wieder da, wo wir nach unserem Verständnis hingehören, ja eigentlich immer hingehört haben. Und wo wir viel zu lange nicht waren. Die Sehnsucht danach war an diesem 10. Mai 2025 schon lange vor dem Spiel spürbar. Auf dem Weg ins Stadion – in der Bahn – am Bahnhof in Stellingen, wo sich die Fans schon Stunden vor dem Spiel versammelt hatten – vor dem Stadion, wo die Mannschaft schon beim Eintreffen mit dem Mannschaftsbus lautstark empfangen wurde. Ja, gefühlt war es in der ganzen Stadt zu spüren, dass dies der Tag des HSV sein würde. Überall waren schon den ganzen Tag HSV-Fans zu sehen, die sich auf das Spiel einstimmten – egal, ob sie zu den Glücklichen zählten, die ein Ticket für dieses (vermeintlich) besondere Aufstiegsspiel ergattert hatten, oder auf dem Weg zu irgendeinem Public Viewing, ob in der Kneipe, oder bei Freunden. An diesem Tag war sich jeder sicher: Diesmal schaffen wir es! Auch wenn die Wochen zuvor einige Chancen ausgelassen wurden, wurde dies durch die Konkurrenz nicht bestraft.

Und so war es angerichtet an diesem 10. Mai: Samstagabend, Flutlicht, ausverkauftes Volksparkstadion, Hafengeburtstag. Es fehlte nur ein Sieg gegen den SSV Ulm, einen Aufsteiger, der nur noch rechnerische Chancen auf den Klassenerhalt hatte. Da darf nichts anbrennen!

 

Der HSV und seine Fans feiern die Rückkehr in die Bundesliga.

 

Mit dieser Unterstützung musste es einfach klappen

Das Stadion war schon weit vor dem Anpfiff noch voller als sonst. Jeder wollte diese einmalige Stimmung aufsaugen und bloß nichts verpassen. Mit jeder Minute, die der Anpfiff näher rückte, wurde auch dieses Kribbeln im Körper immer stärker. Als dann ›Mein Hamburg lieb ich sehr‹ aus den Lautsprechern erklang, wurde dieses Kult-Lied aus knapp 57.000 Kehlen gesungen und es war der wohl lauteste Chor, den diese Stadt jemals gehört hat. Das Bild, das dabei durch fast jeden Fan mit einem hochgehaltenen Schal erzeugt wurde, löste sicher nicht nur bei mir mal wieder eine Gänsehaut aus. Die Choreografie auf der Nordtribüne beim Einlaufen der Mannschaften dann gleich die nächste.

Aber da waren ja noch 90 Minuten Fußball zu spielen – und die begannen nicht nach Plan. Ulm spielte mit dem Mute der Verzweiflung nach vorne und erzielte verdient die Führung. Und da waren sie wieder, die Erinnerungen an die letzten sechs Saisons. Das Herz pocht, ein flaues Gefühl im Magen und man denkt: ›Bitte nicht schon wieder!‹ Denn was haben wir in den letzten sieben Jahren schon alles durchmachen müssen?

2555 Tage Zweitklassigkeit. Sieben Jahre voller Hoffnung und Dramen. Oft sah es lange nach dem sicheren Aufstieg aus – um dann am Ende doch noch dramatisch zu scheitern. Jeder HSVer wird sich wohl noch schmerzhaft an die ersten drei Saisons in der zweiten Liga erinnern – aus dem kurzen ›Betriebsunfall‹ und Aussagen wie: ›dann spielt man eben mal ein Jahr in der zweiten Liga …‹, wurden bekanntermaßen gleich sieben. In denen in den ersten beiden Jahren nur ein einziger verdammter Punkt fehlte, die dann aber denkbar knapp und umso enttäuschender mit Rang vier endeten. Oder als noch ein Sieg gegen Sandhausen fehlte und wir das letzte Heimspiel mit 1:5 verloren haben … Der Platzsturm in Sandhausen, als der Stadionsprecher schon zum Aufstieg gratulierte, weil Heidenheim (angeblich) nicht gewonnen hatte. Leider war das Spiel noch gar nicht vorbei und in der 93. und 99. Minute (!) fielen doch noch die Tore, die den HSV zum zweiten Mal in die Relegation schickten, in der es nach der Niederlage gegen Berlin im Vorjahr, auch gegen den VfB Stuttgart nicht ganz reichte. Sieben Jahre, in denen man (zugegeben verständlicherweise) auch viel Hohn und Spott ertragen musste. Bitte nicht noch ein Jahr …

Nein! Nicht an diesem 10. Mai 2025. An diesem Tag wurden wir für das lange Warten belohnt. Als nur wenig später der Ausgleich fiel, war die Erleichterung im Jubel aller zu spüren. Dann das nächste Zittern und wieder ein flauer Magen: Elfmeter nach Videobeweis gegen uns … Bitte nicht … Nein! Nicht heute! Heuer Fernandes hält das Ding und der Volkspark explodiert. Wenig später erzielt Königsdörffer das 2:1 und der Volkspark explodiert erneut – diesmal noch lauter, denn das Momentum war nun auf unserer Seite. Beim 3:1 kurz vor der Halbzeit wurde die Lautstärke dann sogar noch mal getoppt. Das musste jetzt doch schon fast reichen, oder? Auf jeden Fall ging es mit einem guten Gefühl in die Pause.

Beim vierten Treffer – ein Eigentor kurz nach Wiederanpfiff – schwang im Jubel schon die gefühlte Gewissheit mit, dass jetzt eigentlich nichts mehr schiefgehen kann. Und so kam es dann auch. Die letzte halbe Stunde konnte tatsächlich im sicheren Gefühl der bevorstehenden Rückkehr in die Bundesliga genossen werden. Auf dem Rasen fielen noch die Treffer fünf und sechs und kurz vor dem Abpfiff versammelten sich die ersten Fans rund ums Spielfeld. Als der Schlusspfiff ertönte, der endlich die ›Erlösung‹ bedeutete, gab es kein Halten mehr. Ein Großteil der Fans stürmte das Spielfeld und feierte mit den Spielern. Auf den Rängen lagen sich alle in den Armen.

Wir hatten es endlich geschafft!

 

Jörn Kammler auf der Tribüne vor dem von den Fans gestürmten Rasen.

 

Der HSV ist mit seinen Fans eine Bereicherung für die Bundesliga

Mit einem Dauergrinsen und einem Gefühlsmix aus Freude, Glück und Erleichterung genoss ich die Bilder auf dem Rasen. Diese Menschenmenge, voller glücklicher, jubelnder HSV-Fans. Wir alle hatten so lange darauf gewartet und so war es irgendwie mehr als ein ›gewöhnlicher Aufstieg‹, den wir in den letzten Jahren so oft bei den anderen gesehen hatten. Einer mit sieben Jahren Anlauf. Gefeiert wurde dann auch wie für sieben Jahre. Erst auf dem Feld, dann mit der Mannschaft auf der Tribüne. Später vor dem Stadion und in Stellingen in den Kneipen am Bahnhof. Viele zogen natürlich noch weiter auf die Reeperbahn und feierten dort bis zum Morgengrauen.

Auch aus neutraler Sicht werden mir die meisten sicher zustimmen, dass der HSV verdient zurück in der Bundesliga ist. Dass dieser Verein, mit seinen Fans und in dieser Stadt auch in die erste Liga gehört und eine Bereicherung sein wird. Und gerade wir Fans haben es verdient, endlich wieder die besten Teams im Volksparkstadion sehen zu dürfen. Und die besten Teams dürfen sich auf die Stimmung im Volksparkstadion freuen. Ganz so laut, wie an diesem Samstag, wird es so schnell vermutlich nicht wieder. Denn so laut haben weder ich noch einer meiner Freunde und Bekannten das Stadion jemals erlebt. Vielleicht noch damals, 2000, als Niko Kovac das 4:3 in der Champions League gegen Juventus Turin geschossen hat. Das ist ein Vierteljahrhundert her … Aber auch mit ein paar Dezibel weniger ist die Stimmung beeindruckend und mehr als erstligareif! Das war sie auch in der zweiten Liga eigentlich immer.

Wir sind wieder da!

 

 

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