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“Die besten Zeiten der Sporthilfe liegen noch vor uns.”

Ein Interview von Gerd Graus mit Thomas Berlemann, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe.

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Am 1. April 2020 hat Thomas Berlemann (57)  seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe angetreten. Der langjährige Telekom-Manager verfügt über vielfältige Management-Erfahrungen in Top-Unternehmen (Mannesmann, Otto, AOL und zuletzt bei Webhelp). Während seiner zehnjährigen Telekom-Tätigkeit, zuletzt als CEO T-Mobile Netherlands, war er für den Nationalen Förderer Telekom von 2011 bis 2014 Mitglied im Sporthilfe-Aufsichtsrat. Auch als ehemals geförderter Athlet sind ihm die Aufgabenstellungen der Stiftung persönlich vertraut.

Olympisches Feuer: „100 Tage im Amt. Normalerweise eine gute Gelegenheit für eine erstes Resümee. Sie hatten zum Start als Erstes mit einer Kontaktsperre durch die Covid19-Zeit umzugehen, was durchaus schwierig ist, wenn man zu Beginn mit Sportlern, Mitarbeitern, Partnern sprechen will, um auch deren Anliegen genauer kennen zu lernen. Welches Fazit ziehen Sie nach einem Start unter solch erschwerten Bedingungen?“

Thomas Berlemann: „Probleme sind Chancen. Das Credo begleitet mich seit Jahrzehnten. Nachdem wir die Belegschaft der Sporthilfe Mitte März ins Homeoffice geschickt hatten, was gut funktionierte, habe ich von den 100 Tagen rund 40 erst einmal von zu Hause gearbeitet. Das Team der Sporthilfe hat diese Herausforderung sehr gut angenommen. Ich habe mit allen Mitarbeitern Videokonferenzen durchgeführt, um meine Mannschaft besser kennen zu lernen. Auf gleichem Wege bin ich auch mit vielen Partnern in Kontakt gekommen.“

Olympisches Feuer: „Zu Beginn ihrer Tätigkeit haben Sie gesagt, dass Sie diese im Bewusstsein angetreten haben, nach der erfolgreichen Zeit mit Michael Ilgner neue, eigene Akzente zu setzen. Diese haben sie im Kopf, sie werden aber auch geprägt durch das was Mitarbeiter einem mitgeben an Vorstellungen, Anregungen und Wünschen. Haben Sie nach den 100 Tagen Eindrücke gewonnen, diese Einflüsse in Ihre Akzentsetzung integrieren zu können?“

Thomas Berlemann: „Es ist immer etwas anderes, von außen draufzuschauen, und dann ein Teil dessen zu werden und schließlich auch zu sein. Ich bin in meinen Annahmen bestätigt worden, dass wir große Chancen haben, die Sporthilfe in den nächsten Jahren noch relevanter zu machen. Unter Michael Ilgner hat die Sporthilfe eine großartige Entwicklung genommen und eine Erfolgsstory geschrieben, wenn man sich das Wachstum anschaut und die Entwicklung der Marke. Ich komme mit einer neuen Brille und sage, dass die besten Zeiten der Sporthilfe noch vor uns liegen.“

Olympisches Feuer: „Woraus ziehen Sie diesen Optimismus?“

Thomas Berlemann: „Wir haben uns in den vergangenen Wochen gemeinsam mit mit Bain & Company, einer der weltweit führenden Unternehmensberatungen, im Rahmen eines pro-bono Projekts  sehr intensiv damit beschäftigt, wie wir die kommenden Jahre erfolgreich gestalten können. Dieses Strategieprojekt mit dem Namen „play2win“ist die Basis, auf der wir einerseits aufsetzen, aber auch darüber hinaus gemeinsam im Team Pläne entwickeln, wie wir die Relevanz der Sporthilfe weiter entwickeln können. Wir haben unter anderem analysiert, wie hoch die Mittel, das Spendenaufkommen, das Fundraising, die Partnerschaften sind, die in Deutschland für ähnliche Zwecke wie die Sporthilfe ausgegeben werden.“

Olympisches Feuer: „Die Summe interessiert natürlich….“

Thomas Berlemann: „Das ist ein sehr, sehr großes Volumen. Wenn wir daran spiegeln, wo wir heute stehen, was unsere Erlöse angeht, die wir denn in größten Teilen zu Förderzwecken für die Athleten einsetzen, dann sehen wir noch ein großes Potential, das uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Um eine Größenordnung zu geben: Etwa 20 Milliarden Euro werden im Jahr von B2B und B2C (Anmerkung der Redaktion: Business-to-Business und Business-to-Consumer) ausgegeben für ähnliche Zwecke wie die Sporthilfe. Wenn man daran festmacht, was wir noch realisieren können mit neuen Partnerschaften, mit neuen Wegen von Akquisitionen, mit dem Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen und Plattformen, im Angehen von neuen Unternehmen, mit denen wir uns gute Kooperationen vorstellen können, dann sage ich gerne nochmal, das Beste der Sporthilfe liegt noch vor uns.“

Olympisches Feuer: „Sie haben auch gesagt, dass Sie ihre langjährige Managementerfahrung gewinnbringend für die Sporthilfe einbringen wollen. Das große Potential aus Ihrer Sicht haben sie geschildert. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Herausforderung, dass die Sporthilfe keine Rechte an Sportlern hat, sondern da durchaus auch in Konkurrenz zum DOSB, den Fachverbänden oder den privaten der Sponsoren der Sportler und Sportlerinnen stehen. Was Sie direkt vermarkten können, ist die Marke Deutsche Sporthilfe. Wie möchten Sie diese stärken?“

Thomas Berlemann: „Da gibt es durchaus Modelle. Daran arbeiten wir in dem erwähnten Strategiekonzept. Mir persönlich ist wichtig, dass wir eine 360-Grad-Sicht darauf haben, wie die Sporthilfe gesehen wird. Also nicht nur unsere interne Expertise durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Sporthilfe aus den vergangenen Jahren kennen, sondern es sind insbesondere auch unsere Athleten, unsere Geschäftspartner, unsere Kuratoren, denen wir konkrete Fragen stellen, wie sie die Sporthilfe sehen und was ihr Wunsch wäre, wie wir uns weiterentwickeln sollen.“

Olympisches Feuer: „Was genau erwarten Sie sich von dieser Befragung?“

Thomas Berlemann: „Auf Basis dieses Feedbacks werden wir intensiv erörtern, was die Athleten von uns erwarten, wo sie uns gut finden, was noch mehr gemacht werden kann. Welche Modelle können erarbeitet, welche Partnerschaften, auch digitaler Art, können ins Leben gerufen werden, um die angesprochenen Klippen zu umschiffen, um die Athletinnen und Athleten gleich welcher Sportart zu unterstützen? Das sind Fragen, denen wir uns stellen müssen, weil die Sportler und Sportlerinnen gerade jetzt in der COVID-19-Zeit berechtigterweise hohe Erwartungen an die Sporthilfe haben und wir denen auch gerecht werden müssen.“

Olympisches Feuer: „Es ist sicher keine große Herausforderung für die Sporthilfe, bei den Sportlern Akzeptanz zu finden. Eher ist wohl eher eine Hürde, bei den Unternehmen aus der CSR- in die Sponsoringabteilung zu kommen, in der die größeren Etats verteilt werden, und die Menschen davon zu überzeugen, dass es nicht nur darum geht, gutverdienenden Sportlern noch mehr Geld zu geben, sondern dass diese Sportler auch dazu beitragen, so wie es auf der Webseite der Sporthilfe steht, für Glücksmomente von uns allen zu sorgen. Das haben viele Organisationen durch große PR-Kampagnen geschafft. Ist das auch ein Weg für Sie?“

Thomas Berlemann: „Was die pekuniäre Förderung angeht auf der einen Seite, die nicht-pekuniäre, also Fortbildung, Weiterbildung auf der anderen, ist es für uns jetzt sehr wichtig, dass wir mit dem richtigen Mix, dem richtigen Portfolio auf die Athleten zugehen, um sie angemessen zu fördern. Die Athletenumfrage gibt uns ganz viele Anhaltspunkte, was von uns erwartet wird. Diese Informationen sind mir persönlich ganz wichtig, damit wir das Angebot, das wir haben, datenbasiert weiterentwickeln können und den Bedarf erwartungsgemäß und möglichst punktgenau erfüllen. Und natürlich ist es uns ein Anliegen als Marke im Markt bekannter zu sein. Wir müssen überlegen, wie können wir mit Partnern, mit unseren Athletinnen und Athleten, für mehr Öffentlichkeit sorgen, damit die Wahrnehmung der  Deutschen Sporthilfe größer wird und damit sowohl auf Unternehmens- als auch auf Konsumentenseite die Bereitschaft uns zu unterstützen wächst.“

Olympisches Feuer: „Die Sporthilfe hat sich gewandelt. Überspitzt gesagt von einem Klub der reichen Gönner hin zu einer Organisation, die als eigenständige Säule der Athletenförderung wahrgenommen wird und gerade auch im politischen Bereich immer stärkere Unterstützung erfährt. Sehen sie in dieser Positionierung ein geschärftes Nebeneinander von Sporthilfe, DOSB und Verbänden erforderlich?“

Thomas Berlemann: „Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat die Sporthilfe stark nach vorne gebracht. Ich schaue in die Zukunft, hänge nicht an den vergangenen Jahren. Wir werden gute neue Ideen entwickeln, wie wir die Sporthilfe weiter entwickeln könne. In meiner Vergangenheit hat es immer gut funktioniert, zu überlegen, wie man gemeinsam besser werden kann. Jeder hat seine Aufgabe, aber ich sehe eher eine Gemeinsamkeit bei allen, die Athleten fördern und besser machen wollen, als eine Abgrenzung. Ich glaube, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, gemeinsam an der einen oder anderen Stelle besser zu sein, schlagkräftiger zu sein, vielleicht das ein oder andere Thema gemeinsam zu machen. Uns alle eint das Interesse unsere Sportlerinnen und Sportler bestmöglich zu fördern.“

Olympisches Feuer: „Noch ein Wort zu der momentanen Situation. In den vergangenen Wochen wurde viele Diskussionen über den Sport, den Profisport, über zu große Kommerzialisierung geführt. Sie haben davon gesprochen, dass Chancen gesehen werden müssen. Sehen Sie in diesen Diskussionen auch eine Chance für die Sporthilfe?“

Thomas Berlemann: „Ich glaube, dass die Sporthilfe mit ihrem gesellschaftlichen Auftrag, unsere olympischen Athletinnen und Athleten bestmöglich zu fördern, eine klare Positionierung hat. Im Erholen aus dieser Covid19-Krise, das gilt für die Wirtschaft, das gilt für die Gesellschaft, bin ich in jeder Hinsicht fest davon überzeugt, dass die Sporthilfe in dem Entwickeln und Fördern von Vorbildern eine besondere Positionierung in diesem Turnaround hat. Wir leben Werte die die Gesellschaft jetzt braucht: Wir leben Leistung, wir leben Fairplay, wir leben Miteinander, es geht jetzt um Solidarität und um Gemeinschaft. Wir vereinen uns hinter unseren olympischen Athletinnen und Athleten, wir wollen sicherstellen, dass wir in Tokio 2021, Peking 2022 und Paris 2024 ein starkes, olympisches Team haben werden, worauf wir gesellschaftlich stolz sein können, aber auch jeder für sich ganz persönlich.“

Olympisches Feuer: „Zum Abschluss: Wie definieren Sie ihren persönlichen, sportlichen Wertekanon?“

Thomas Berlemann: „Der Wertekanon der Sporthilfe, – Leistung, Fairplay, Miteinander – ist ziemlich gleichlautend mit meinen persönlichen Wertvorstellungen. Wenn man Leistungssportler war und sich mit der Mannschaft viele Jahre gequält hat, um erfolgreich zu sein, auch mal wieder hinfällt, um dann wieder aufzustehen, ist das ist für mich deckungsgleich zu dem, was die Sporthilfe seit Jahren erfolgreich proklamiert und lebt. Damit kann ich mich zu 100 Prozent identifizieren.“

Gerd Graus ist redaktioneller Berater des Olympischen Feuers. Der ehemalige Sprecher der Olympiamannschaft und Leiter Medien des DOSB hat das “neue” Olympische Feuer mit entwickelt. Gerd Graus gehört dem Präsidium der DOG Berlin an.

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