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Die neue Macht der Ausrüster

von Ewald Walker  [ALLGEMEIN | FÖRDERER | WIRTSCHAFT | RINGE]

Die Wechselankündigung von Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo in die USA hat die deutsche Leichtathletik ins Mark getroffen. Nach Läuferin Konstanze Klosterhalfen, die 2018 in das Nike-Projekt zu Alberto Salazar und Pete Julien nach Oregon ging, Sprinterin Gina Lückenkemper, die 2019 sich unter die Fittiche von Lance Brauman in Clermont/Florida begab, und Sprinterin Tatjana Pinto, die im Vorjahr in die Gruppe des amerikanischen Sprint-Guru Rana Reider wechselte (in der Corona-Zeit aber zu ihrem alten Trainer Thomas Prange zurückgekehrt ist),  begibt sich nach dem Sommer nun auch Mihambo beim neunfachen Olympiasieger Carl Lewis und dem ehemaligen 100 Meter-Weltrekordler Leroy Burell in Houston/Texas in die Hände amerikanischer Trainer.

„Die Dynamik dieses Trends ist für uns neu“, räumt Idriss Gonschinska, DLV- Generaldirektor Sport, ein, „aber es ist ein besonderes Szenario, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen“. Die global ausgerichteten Ausrüsterfirmen, in den genannten Fällen sind es die „Großen“ Nike, Adidas und Puma, böten in den internationalen Profi-Trainingsgruppen attraktive Rahmenbedingungen, „die deutlich über die Möglichkeiten des deutschen Fördersystems hinausgehen“.

Die Frage nach den Hintergründen dieser Entwicklung wirft auch die Frage auf, ob es in Deutschland nicht mehr genügend hochqualifizierte Trainer für Weltklasseathleten gibt. „Das ist absolut nicht der Fall“, sagt Wolfgang Killing, der 13 Jahre die Trainerakademie in Mainz leitete und jahrelang Teamleiter Sprung im DLV war. „Ich denke nicht, dass es am Know-how der Trainer liegt“, ist auch Isabelle Baumann, die nicht nur ihren Mann zum Olympiasieger formte, sondern bis heute gut im Trainergeschäft ist, überzeugt. „Wir haben in Deutschland eines der besten Trainersystem der Welt“, glaubt die gebürtige Wienerin.

Annett Stein, Chef-Bundestrainerin, ist derselben Auffassung. „Wir haben ein hohes Trainerpotenzial, das durch die vielen Medaillengewinne belegbar ist“, sagt die 55-jährige Brandenburgerin. Die Reihe der fachlich hoch kompetenten und erfolgreichen Trainer sei lang. „Wir sind mit Kompetenzteams im Wurf, Sprung, Sprint und Lauf breit und gut aufgestellt“, betont Stein. Offensichtlich gibt es aber in der Leichtathletik neuere Entwicklungen und Verschiebungen, mit denen der Verband konfrontiert wird und zu kämpfen hat. „Die Leichtathletik hat sich verändert“, sagt Annett Stein. Was sie meint: es gibt immer öfter von Ausrüstern gesteuerte internationale Trainingsgruppen, die eine hohe Anziehungskraft auch auf deutsche Athleten ausüben.

Annett Stein, DLV Chef Trainerin

Dazu zählt beispielsweise auch die Gruppe des polnischen Lauftrainers Thomasz Lewandowski, dem Bruder des ehemaligen 800 Meter-Europameisters Marcin Lewandowski, der sich auch die Berliner 1500 Meter-Läuferin Katherina Granz angeschlossen hat. Oder die in Frankreich stationierte Gruppe des kubanischen Weitsprung-Olympiasiegers Ivan Pedroso um Dreisprung-Weltmeister  Teddy Tamgho. „Die Leichtathletik ist globalisiert geworden“, betont der u.a. mit Weitsprung-Europameister Christian Reif erfolgreiche Trainer Uli Knapp. Er wird bis zum Abflug von Malaika Mihambo in die USA im Sommer die Weltmeisterin betreuen und auch während ihres Aufenthalts in Übersee den Kontakt zu Lewis und Burell aufrecht erhalten.

Rüdiger Harksen (65), mit 35 Berufsjahren dienstältester Bundestrainer, bricht in der Diskussion eine Lanze für die Trainer in Deutschland. „Sie sind nachweislich in der Lage, Weltklasseathleten aufzubauen und zu betreuen“, sagt der Mannheimer, der als Hürden-Trainer bei acht Olympischen Spielen im Einsatz war und mit Athleten wie Claudia Zaczkiewicz (Olympiadritte 1988), Carolin Nytra (Hallen-Europameisterin 2011) oder Kirsten Bolm (vier EM-Medaillen) internationale Erfolge verbuchen konnte. Wenn er sagt, „die Athleten sollten nie vergessen, wer und was sie stark gemacht hat“, ist das Bedauern über die Entwicklung förmlich zu spüren.

Während man im DLV erst vor wenigen Jahren durch eine Strukturreform des Trainersystems mit den haupt- und nebenberuflichen Trainern versuchte, die Athleten auch hierzulande in ein professionelleres Umfeld zu bringen, ist die Situation in den USA eine ganz andere. Da gibt es nationenübergreifende Teams mit den entsprechenden Rahmenbedingungen an klimagünstigen Trainingsorten, konzentrierte Versorgung mit Physiotherapeuten und Biomechanikern am Trainingsort sowie kompetente Trainer mit einer Aura wie der von Carl Lewis und Leroy Burell. Zusätzlich attraktiv wird ein US-Aufenthalt durch die enge Verbindung von Sport und Studienmöglichkeiten am gleichen Ort.

„Da muss der Athlet den Trainer bezahlen, nicht wie bei uns ein Verband oder ein Verein“, sagt Isabelle Baumann, die in den achtziger Jahren selber als Mittelstrecklerin an der Uni Arkansas vier Jahre Teil dieses Systems war, und betont, dass das Trainer-Athleten-Verhältnis dadurch bestimmt ist. Für Baumann ist die Entwicklung der internationalen Gruppen keine Neuigkeit. „Neu aber ist die wirtschaftliche Steuerung dieser professionellen Gruppen“, sagt sie.

Eine andere Schiene ist der Wechsel deutscher Nachwuchssportler in die USA über Sportstipendien. „Leistungssport und Studium geht am besten in den USA“, sagt Simon Stützel, der seit einigen Jahren jungen Sportlern Sportstipendien an 300 US-Universitäten vermittelt. “Sie haben dort optimale Bedingungen für die duale Ausbildung mit Leistungssport“, weiß Stützel aus eigener Erfahrung. Hintergrund: der Sport hat an den Unis in den USA eine viel höhere Bedeutung, Teamspirit und Stimmung sei auf dem Campus außergewöhnlich und leistungsfördernd.

Ist die Abwanderung also normal? „Von mir ist noch kein Athlet ins Speerwurfland Finnland abgewandert“, stellt Bundestrainer Boris Obergföll, ehemaliger Weltklasseathlet mit zwei WM-Medaillen, fest. Die Disziplin weist mit Athleten wie Steffi Nerius, Christina Obergföll, Katharina Molitor, Linda Stahl, Christin Hussong oder Thomas Röhler, Johannes Vetter und Andreas Hofmann, Matthias de Zordo bis hin zu Olympiasieger Klaus Wolfermann eine beeindruckende Erfolgsbilanz auf. Die deutschen Speerwerfer bilden eine Hochburg, weltweit. Die Erfolge sind Erfolge eines Teams, aber auch der Rahmenbedingungen. „Wir haben  hochkompetente Trainer und ein großes biomechanisches Wissen über das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig“, sagt Obergföll, für den genau darin die Versicherung gegen Abwanderung von Athleten liegt.

Ein besonderer Weg, in Verbindung von neben- und hauptamtlichen Trainern einen Weltklasseathleten aufzubauen, ist der des Zehnkampf-Weltmeisters Niklas Kaul in Mainz. Dieser wurde durch ein fachlich und pädagogisch kompetentes Eltern-Trainerpaar mit Stefanie und Michael Kaul als Athlet aufgebaut und dann im Team mit Disziplinspezialisten unterstützt.

„Vielleicht muss sich der DLV etwas mehr anstrengen, um Athleten wie Malaika Mihambo zu halten“, provoziert Olympiasiegerin Heike Drechsler (55) die DLV-Verantwortlichen ein wenig. Als Reaktion auf die Entwicklung plant der DLV mit Wirtschaftspartnern tatsächlich, in Deutschland eine Elitegruppe aufzubauen, um für Topathleten interessant zu sein. Möglicher Standort ist Berlin. Ein neuer Hauptsponsor (Red Bull) kommt da eventuell gerade recht.

Beitragsfotos: Oicture Alliances: Mihambo/Jens Büttner, Annett Stein/Gladys Chai von der Laage; Autor: Ewald Walker

Ewald Walker, Gymnasiallehrer (i.R.), freier Journalist, ehrenamtlich als Vereinsvorsitzender, Meeting-Organisator und Moderator tätig; Schwerpunkt sportpädagogische Dimension der Leichtathletik.  Medienpreisträger des Deutschen Leichtathletik-Verbands (2014).

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