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„Crowdfunding ist ein total spannendes Thema”

Die Deutsche Sport Marketing (DSM) vermarktet das Olympia Team Deutschland, das Team Deutschland Paralympics sowie den Bereich „Sport für Alle“ auf Bundesebene, darunter zum Beispiel das Deutsche Sportabzeichen. Im Gespräch mit dem Olympischen Feuer sprechen Claudia Wagner und Dr. Alexander Steinforth beide Geschäftsführung DSM) über die Folgen der Corona-Krise und der Absage der Olympischen und Paralympischen Spiele. Ein Interview von Günter Müller (Teil 2).  [RINGE | WIRTSCHAFT]

Olympische Feuer: Am meisten betroffen von der Absage sind Sportler und Sportlerinnen. Wie kommen sie mit der Situation klar?

Claudia Wagner: Es gibt viel Solidarität für sie. Manche Wirtschaftspartner binden „ihre“ Athleten (also die, die sie unterstützen und die für sie quasi als Marken-Botschafter auftreten) extra stark ein. Ein Beispiel: Edeka hat seine Kommunikation extrem hochgefahren, begleitet die Sportler intensiv und gibt ihnen über digitale Formate eine Bühne. Sie haben sogar noch mehr Sportler verpflichtet, um gerade in diesen herausfordernden Zeiten ein Signal zu setzen. Wir sind über unsere Athleten-Kommunikation und den DOSB eng im Kontakt mit den Sportlern und Sportlerinnen und beziehen sie bei grundsätzlichen Fragestellungen rund um Kooperationen ein. Wir motivieren unsere Partner in Athleten zu investieren, damit diese monetär profitieren.“

Olympische Feuer: Herr Steinforth, Sie kommen aus der Welt des Fußballs, der auch in den Corona-Zeiten eine Sonderrolle hat. Gibt es einen fundamentalen Unterschied zu Ihrer neuen Welt?

Dr. Alexander Steinforth: „Es gibt Gemeinsamkeiten, beides ist Sportvermarktung. Aber es gibt auch viele Unterschiede, allein weil der Fußball unbestritten die Nummer 1 in Deutschland ist. Es ist so viel Geld vorhanden wie in keiner anderen Branche. Das ist der Status Quo. Im Fußball sind die Vermarktungskonzepte aber zum Teil noch sehr tradiert. Im olympischen Segment können wir keine Tickets, keine Banden verkaufen, haben nicht die visuelle Präsenz in dieser Regelmäßigkeit. Das macht die Sache spannend und herausfordernd. Wir müssen mit unseren Partnern individuell Storytelling betreiben. Wir müssen auf ganz anders gelagerte Vermarktungsassets zugreifen und sie in einer passgenauen Form zuschneiden.“

Olympische Feuer:  Wie wirken sich die Einschnitte auf andere Bereiche wie z.B. den Breitensport aus?

Claudia Wagner: „Eine schwierige Situation. Auch hier sind Events wie z.B. die Sportabzeichen-Tour abgesagt worden. Wo es ging, haben wir mit Kompensationsleistungen gearbeitet. Die Möglichkeiten sind hier aber irgendwann ausgeschöpft. Jetzt müssen wir die Situation genau im Auge behalten und beobachten, ob eine Tour im nächsten Jahr mit zehn Stopps und tausenden Kindern in traditioneller Form überhaupt möglich ist. Unser Wunsch ist es, im Grundsatz beim bewährten Format zu bleiben. Wir wollen an dem Baustein, der sich über die Jahre schon ein bisschen zum Erfolgsformat gemausert hat, nicht rütteln. Die Frage ist aber die Umsetzbarkeit ab nächstes Jahr im Mai. Wir werden vermutlich die Events in Planung und Umsetzung anpassen und mit entsprechenden Hygienekonzepten versehen müssen, aber wir versuchen alles, um unseren Weg fortzusetzen.“

Dr. Alexander Steinforth: „Eine solche Krise bringt Chancen mit sich. Das kann beim Thema Gesundheit sein, das derzeit in aller Munde ist, aber auch bei anderen, die sonst nicht so in Fokus stehen. Unternehmen sehen darin eine Chance und sind schon bereit, antizyklisch zu investieren, wenn das Angebot und die Strategie passen. Wir sind mit einigen Unternehmen im Gespräch, die sich vorstellen können, als neuer Partner hinzuzukommen. Da sprechen wir in vielen Fällen nicht von den reichweitenstärksten Plattformen und den ganz großen Summen, aber immerhin. Gerade der Bereich ‚Sport für Alle‘ ist für die Unternehmen von Interesse, die – auch verbunden mit einem gesellschaftlichen Ansatz – bewusst in die Breite gehen wollen und nicht das einzelne bekannte Sportgesicht suchen.“

Olympische Feuer: Olympische Spiele genießen in Deutschland derzeit nicht den größten Rückhalt in der Bevölkerung. Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gescheiterten Bemühung um Spiele: Verspüren Sie noch Unterstützung für solche Ideen?

Claudia Wagner: Ich bin total überzeugt, dass das Olympische Feuer in der Bevölkerung brennt. Und die besten Botschafter für eine Bewerbung sind die Athleten und Athletinnen, die gerade intensiv in öffentlichen Gesprächsrunden auftreten. Da merkt man, dass der große Traum von Olympia weiterlebt. Das Verlangen nach Olympia und den besonderen Geschichten, die dabei geschrieben werden, ist ungebrochen. Manche Athleten haben ihre Karriere extra verlängert und die Planung verändert, weil der große Anker Olympia heißt. Olympische und Paralympische Spiele haben einen unschätzbaren Wert, weil sie das beste Beispiel für die Vielfalt unserer Welt sind – verbunden über den Sport.“

Olympische Feuer: Ist es nicht ein Weg, eine solche positive Begeisterung auch in eine Beteiligung der Bevölkerung umzumünzen?

Dr. Alexander Steinforth: „Crowdfunding ist ein total spannendes Thema. Wir spüren schon eine große Unterstützung nicht nur durch unsere Partner, die Voraussetzung für ein solches Projekt ist. Es gibt eine große Welle von Interesse für verschiedene Themen. Der DOSB hat dazu, gerade auch mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie für SPORTDEUTSCHLAND, eigene Beteiligungsprogramme aufgelegt. „Support Your Sport“ ist z.B. so eine Initiative. Darüber soll der Sport – oder besser gesagt die Vereine – in seiner Breite gesichert und über diese schwierige Phase gerettet werden. Unsere Erfahrung zeigt jedenfalls – die Partner wagen glücklicherweise den Blick über den Tellerrand hinaus, trotz aller aktuellen Herausforderungen. Mit ihnen ist ein solches Experiment möglich.“

Abschlussfrage: Kann sich die Sportwelt einen weiteren Ausfall von Olympia erlauben?

Claudia Wagner: „Nein, das wäre schon ein schwerer Schlag für die gesamte Bewegung.“

Dr. Alexander Steinforth: „Ich schließe mich an. Es wäre in mehrfacher Hinsicht ein tragischer Ausfall – in erster Linie für die Sportler*innen, die Fans, aber auch für die Idee der Spiele und alle, die in Planung und Organisation hinter dem Event stehen. Und nicht zuletzt natürlich für uns und unsere Partner.

Fotos: Beitragsfoto: picture alliance / augenklick/firo Sportphoto | firo Sportphoto/MEXSPORT; Fotos Caludia Wagner und Dr. Alexander Steinforth: DSM

Günter Müller hat als Sportjournalist für die Deutsche Presse-Agentur dpa über viele Jahre Sportgroßereignisse journalistisch begleitet und sein Augenmerk insbesondere auf sportpolitische Themen gerichtet. Heute ist er Mitinhaber der Sportkommunikations-Agentur wirkhaus.berlin.

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