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„Wer sich als Athlet öffentlich äußert, muss sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein“

Malaika, ist es Deiner Meinung nach wichtig, dass Athletinnen und Athleten ihre Stimme nutzen, um Themen jenseits des rein Sportlichen anzusprechen? 

Ich denke, dass Athleten das für sich selbst entscheiden müssen. Nur, weil man Sportler ist, muss man sich nicht in der Öffentlichkeit äußern, man kann es aber. Und wer es tut, sollte sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein und verantwortungsvoll mit seiner Rolle in der Gesellschaft umgehen.

Hast Du den Eindruck, dass solche Wortmeldungen unter Athleten in letzter Zeit zunehmen? 

Das hängt immer von den Themen ab. Manche sind schon länger präsent und ziehen sich durch die Gesellschaft, sind vielleicht auch mit der jeweiligen Landesgeschichte verknüpft. Ich finde es schön, wenn Sportler für Menschlichkeit und Zusammenhalt einstehen. Und es ist eine gute Entwicklung, dass Themen wie menschliches Miteinander oder Nachhaltigkeit mit dem Sport verknüpft werden, denn der Sport steht ja nicht alleine für sich, sondern ist eingebettet in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext.

Wie definierst Du dabei selbst deine Rolle?

Gute Frage (überlegt). Ich bin hauptsächlich erst einmal Mensch und dann auch noch eine gute Sportlerin – dadurch findet man natürlich mehr Gehör. Ich bin aber sehr vielseitig interessiert und spreche gerne über viele verschiedene Dinge. Das Feedback darauf ist meist sehr positiv, das freut mich.

Prominente werden von den Medien gerne mit Attributen charakterisiert – zum Beispiel: „Herbert Grönemeyer, Sänger, Komponist und Schauspieler“. Was sollte bei Dir hinter dem Komma stehen? 

Einfach die Dinge, die mich ausmachen. Also: Malaika Mihambo, Sportlerin, Studentin und einfach Mensch.

Welche Themen sind es, die dem Menschen Malaika Mihambo besonders am Herzen liegen? 

Persönlich finde ich Umweltthemen sehr interessant, Fragen der Nachhaltigkeit. Ich bin ja auch Studentin der Umweltwissenschaften. Diese Themen kommen meiner Meinung nach immer noch zu kurz, sind aber mit die wichtigsten für das Zusammenleben der Menschen.

Du selbst hast seit 2016 kein Trainingslager mehr gemacht – ist das Dein Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit in einer zunehmend globalisierten Sportwelt? 

Definitiv. Ich bin aber auch nicht auf Höhentrainingslager angewiesen und kann gut in Deutschland trainieren. Außerdem versuche ich, viel mit dem Fahrrad zu erledigen und, wenn es geht, mit der Bahn zu fahren. Ansonsten verzichte ich fast komplett auf Plastikflaschen und ernähre mich häufig vegan, sonst vegetarisch. Diese Punkte versuche ich so in meinen Alltag zu integrieren, dass es sich gut anfühlt. Von heute auf morgen alles komplett zu ändern, ist schwierig, aber schon Kleinigkeiten helfen. Wenn jeder bei sich anfängt, an kleinen Stellschrauben zu drehen, kann man viel für die Umwelt erreichen.

Hinzu kommt Deine Arbeit mit Kindern, die Du schon länger betreibst, erst mit einer Grundschul-AG und während der Corona-Zeit mit einem Online-Projekt. Nun hast Du einen eigenen Verein gegründet, „Malaika‘s Herzsprung“ – was steckt dahinter? 

Mein Verein will es mehr Kindern ermöglichen, Leichtathletik zu betreiben. „Malaika‘s Herzsprung“ übernimmt für Kinder, deren Familien es sich nicht leisten können, den Jahresbeitrag im Sportverein und gibt ihnen so die Möglichkeit, sich zu bewegen. Das ist gut für die Feinmotorik, die Koordination, aber auch für das Soziale. Sport ist ein verbindendes Element und lehrt viel mehr als nur Bewegung, etwa Fairplay, Toleranz und Miteinander. Mit Kindern zu arbeiten und etwas weiterzugeben, macht mir großen Spaß. Gleichzeitig können wir so den Vereinen etwas helfen, die in dieser kritischen Phase unter Mitgliederschwund zu leiden haben.

Corona hat auch Deine Pläne umgeworfen, eigentlich wollest Du ab diesem Jahr in den USA bei Weitsprung-Legende Carl Lewis trainieren. In den USA nimmt das Sportler-Involvement ja auch enorm zu, hat inzwischen sogar eine politische Komponente. Wie nimmst Du das wahr? 

Das ist das, was ich eingangs meinte: Man muss immer den Gesamtkontext sehen. Wenn wir über die USA sprechen, dann ist bekannt, dass es eine Geschichte gibt, die unter anderem von Sklaverei und Gräueltaten an den Ureinwohnern erzählt, die nicht richtig aufgearbeitet wurde und im Alltag noch immer sehr präsent ist. Dann ist es verständlich, dass diese Themen hochkochen und sich die Menschen dazu äußern, auch im Sport. Es ist einfach wichtig, dass man solche Dinge als Einzelperson und als Gesellschaft aufarbeitet. Und wenn Sportler dazu einen Beitrag leisten können, dann finde ich, ist das etwas sehr Positives.

In den USA willst Du Dich optimal auf die Olympischen Spiele in Tokio vorbereiten, von denen heute noch niemand weiß, ob Sie überhaupt stattfinden können. Hast Du Angst davor, dass Olympia ganz abgesagt werden? 

Nein, Angst habe ich davor nicht. Ich versuche Dinge, die ich nicht steuern kann und auf die ich nur sehr wenig Einfluss habe, nicht so nah an mich heranzulassen. Von daher weiß ich auch nicht, welche Entscheidungen 2021 in Hinblick auf die Olympischen Spiele getroffen werden. Aber das ist etwas, das wir alle aus der Krise lernen dürfen: Loszulassen von dem, an das wir sicher geglaubt und worauf wir uns gefreut haben. Es sind jetzt andere Zeiten und damit müssen wir alle klarkommen.

Fotos: Beitragsfoto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler | Foto im Text: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Soeren Stache

Die Deutsche Sporthilfe portraitiert in ihrem Magazin “gold” Sportlerinnen und Sportlern und gibt auch den Lesern und Leserinnen des Olympischen Feuers die Gelegenheit, mehr über die Menschen zu erfahren, die wir ansonsten allzu oft nur durch ihre sportlichen Erfolge kennen.

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