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Warten auf den Ritterschlag

von Julia Nikoleit [RINGE]

Ob die Horse Guard 2012, der Strand der Copacabana 2016 oder der Shiokaze Park an der Bucht von Tokio 2020: Von den stimmungsvollen Olympischen Wettkampfstätten des Beachvolleyballs, von deren Atmosphäre die Athlet:innen, Journalist:innen und Fans schwärmen, träumt der Beachhandball seit Jahren. Das große Ziel war das Stadion am Fuße des Eiffelturms, in dem 2024 gespielt werden sollte – zwei Jahre lang fieberten der Beachhandball der Entscheidung des IOC über den Aufnahmeantrag für die Olympischen Spiele in Paris entgegen.

Die Hoffnungen waren groß, denn nach der erfolgreichen Präsentation der Sportart vor dem IOC in Lausanne 2015 sowie dem erfolgreichen Debüt bei den Olympischen Jugend-Spielen 2018 in Buenos Aires rechnete sich der IHF durchaus Chancen aus – auch, weil das Interesse am Beachhandball in den vergangenen Jahren weltweit wuchs. Inzwischen wird in rund 140 Mitgliedsverbänden der IHF die Handballvariante im Sand gespielt.

Auch in Deutschland blickte man der Entscheidung mit Spannung entgegen – Frauen-Nationaltrainer Alexander Novakovic hatte gar angekündigt: „Wenn der Beachhandball 2024 olympisch wird, fahre ich mit dem Fahrrad nach Paris.“ Dass ihm nun 900 Kilometer im Sattel erspart bleiben, war für ihn nach dem negativen Bescheid im Dezember kein Trost. Inzwischen ist der 37-Jährige wieder optimistisch: „Olympia wird kommen, da bin ich mir sehr sicher – die Frage ist nur, wann.“

Bundestrainer Alexander Novakovic feiert bei der Europameisterschaft 2021 in Bulgarien den Titelgewinn mit dem DHB-Team

Auch der Weltverband wollte in der Ablehnung des Antrags keine direkte Entscheidung gegen den Beachhandball sehen, sondern setzte die Absage vielmehr in einen größeren Zusammenhang. „Ich denke, dass die Wirtschaftskrise in den letzten Jahren alle aufmerksamer und sensibler für Veränderungen und zusätzliche Ausgaben gemacht hat. Beachhandball stellte da leider keine Ausnahme da“, sagte Giampiero Masi, der oberste Mann des Beachhandballs in der IHF. Auch, dass die Weltmeisterschaft 2020 sowie die neu geschaffene IHF World Beach Trophy aufgrund der Corona-Pandemie ausfielen, ist für Masi ein Faktor: „Wir konnten uns nicht optimal präsentieren.“

Die Spielerinnen und Spieler traf die Nicht-Aufnahme dennoch erst einmal hart. „Es war ein ziemlicher Nackenschlag, denn wir hatten  auf Olympia gesetzt“, erklärte Sabine Stockhorst, die im vergangenen Jahr zu Deutschlands „Beachhandballerin des Jahrzehnts“ gewählt wurde. Auch Nationalspielerin Kirsten Walter, die mit der Frauen-Nationalmannschaft im Juli sensationell die Europameisterschaft gewann, sprach rückblickend von „einer großen Ernüchterung“.

Sabine Stockhorst

Der Deutsche Handballbund, der die Entwicklung des Beachhandballs stets mit dem Olympia-Status verknüpft hatte, rief nach der Sitzung des IOC eine Arbeitsgruppe ins Leben. „Die Entscheidung war eine große Enttäuschung und hat dazu geführt, dass wir alles auf den Prüfstand stellen müssen“, begründet Beachhandball-Koordinator Jens Pfänder den Schritt heute. Die Aufgabe der AG sei es, „zu prüfen, wie wir den Beachhandball in Zukunft aufstellen wollen.“

Einen Rückzug des Deutschen Handballbundes aus dem Beachhandball als Leistungssport, wie ihn das Verbandspräsidium 2007 bereits einmal beschlossen hatte, schloss Pfänder allerdings aus: „Wir werden mit Beachhandball – auch als Leistungssport – weitermachen; wir müssen lediglich die Art und Weise überprüfen.“ Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sollen Ende des Jahres präsentiert werden.

Ironischerweise hat gerade die Corona-Pandemie, die der Sportart das Schaufenster im Vorfeld der IOC-Sitzung nahm, dem Verband gezeigt, welchen Mehrwert der Beachhandball haben kann. „Durch Covid-19 stand der Sport im Freien völlig neu im Fokus“, sagt Pfänder. „Der Beachhandball ist entsprechend eine gute Chance für uns, uns als gesamter Verband breiter aufzustellen.“

Schneller, jünger und spektakulärer als der klassische Hallenhandball: So will der Beachhandball aus seiner Nische herauskommen. Körperkontakt ist bei der Sandvariante verboten, trickreiche Tore per Spinshot (einer 360-Grad-Pirouette in der Luft) und Kempa (einem Trickwurf, bei dem der Schütze den Ball in der Luft fangen und werfen muss) zählen doppelt. Zudem gibt es kein Unentschieden – gewinnt jede Mannschaft eine der beiden getrennt gewerteten Halbzeiten, wird der Sieger im Shoot Out ermittelt.

Frauen-Nationaltrainer Novakovic betont:  „Inzwischen sind wir auch vom sportlichen Niveau weiter gereift. Der Beachhandball kann viele Menschen begeistern.“ Damit das in Deutschland gelingt, müsse aber noch einiges passieren: „Wir müssen weg aus den Sportparks und Freibädern und dorthin gehen, wo die Menschen sind.  Die Turniere müssen ein Event auch für die Zuschauer werden – so wie beim Beachvolleyball.“

Auch in Sachen Vermarktung, Sponsoring und medialer Präsentation hinkt man dem Vorbild noch hinterher; zudem fehlt die Breite an Spieler:innen. Zwar ist Novakovic überzeugt, dass „sich der Beachhandball auch ohne Olympia entwickeln wird“, doch das Siegel der Olympischen Ringe würde einen neuen Schub geben – ähnlich wie eben im Beachvolleyball.

Dessen steile Entwicklung begann nach der Aufnahme ins Olympische Programm 1996. Auf diesen Antrieb hofft auch der Beachhandball weiterhin – das neue Ziel des Weltverbandes ist Los Angeles 2028. Und selbst Paris hat man noch nicht vollständig abgeschrieben. „Wir verhandeln derzeit, um bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 präsent zu sein – nicht mit einem Wettbewerb, sondern als Demonstrationssport mit einem Einladungsturnier mit den stärksten Nationalmannschaften der Welt“, verriet Masi. Doch selbst, wenn es mit dem Spielfeld auf dem Vorplatz des Eiffelturms endgültig nichts mehr: Mit dem Santa Monica Beach, der Heimat des Beachvolleyballs, wartet auch 2028 eine stimmungsvolle Wettkampfstätte.

Fotos: Beitrag: Julia Nikoleit | Text:

Julia Nikoleit

Julia Nikoleit ist freie Sportjournalistin und Autorin aus Hamburg. Neben ihrer Tätigkeit im Reporter- und Dienstleister-Netzwerk Medienmannschaft ist der Handball ihr Spezialgebiet. Nikoleit schreibt unter anderem für das Fachportal handball-world sowie die Handballwoche. 

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