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„Der Fußball nimmt sich zu wichtig“

Stefan Backs kennt sich in zwei Welten aus. Mindestens: Sport-Informations-Dienst, Sport-Bild, SAT1 – das sind die journalistischen Stationen des Mitfünfzigers, ehe er – zunächst als Medienchef bei der Spielerberater-Agentur Rogon – auf der anderen Seite der Branche eincheckte. Längst hat er sich vom Branchenriesen Roger Wittmanns losgesagt und seine eigene Agentur (‚Siebert&Backs’) gegründet. Zu seinen Klienten zählen  – u.a. – der Trainer André Breitenreiter, Torwart Alexander Nübel und neuerdings auch Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte. Backs passt dabei so gar nicht in die Schublade, in der Vermittler und Berater meist landen. Er widerspricht den gängigen Agenten-Klischees und das erleben seine Klienten nicht zuletzt auch, wenn sie den Medienprofi Backs in Sachen Außendarstellung und PR konsultieren. Im Interview befragten wir den Dortmunder auch nach seinen Medienstrategien für die – meist jungen – Mandanten, seinem Umgang mit den Ex-Kollegen und seinen Blick auf die Szene.

Von Frank Schneller [ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]

 

Olympisches Feuer: Herr Backs, wie hat sich die Medienlandschaft im Vergleich zu Ihren Reporter-Zeiten oder aber auch nur gegenüber dem letzten Jahrzehnt verändert?

Stefan Backs (lachend): Der Sportjournalismus ist viel athletischer geworden.

 

Olympisches Feuer: Bitte?

Stefan Backs: Schneller. Explosiver. Härter. Druckvoller, wenn man so will. Aber auch fehlerhafter. Die Bandbreite zwischen, sorry, Stümpern und Topjournalisten ist viel größer geworden. Ich war und bin sehr froh, Journalist gewesen zu sein in meiner Zeit, da ich daher aus eigener Erfahrung weiß, wie vergleichsweise einfach es damals noch war, diesem Beruf nachzugehen und vor allem auch nachhaltig zu arbeiten. Heute wundere ich mich über das oft devote Verhalten Ihrer Kollegen mir gegenüber, um an Spieler oder Infos heranzukommen. Aber noch viel mehr über die recht weit verbreitete Einfallslosigkeit. Viele Journalisten sind quasi fremdbestimmt und hecheln nur noch den immer gleichen Themen hinterher. Sportlich gute Themen werden oft gar nicht mehr erkannt, höchstens noch als Nischen-Inhalte eingestuft. Krach zählt, dabei sind es oft die leisten Töne, die schöner sind.

 

Olympisches Feuer: Ein Pauschalurteil?

Stefan Backs: Nein, darum ja mein Hinweis auf die große Bandbreite. Aber: Grundsätzlich hat sich die gesamte Branche dadurch verändert, dass das Medienaufkommen enorm gewachsen ist und der mediale Aspekt gerade für junge Spieler, wenn sie denn schon Profis sind, eine große Rolle spielt. Dies kann sie auch belasten, Stichwort ‚Druck’. Den spürt man auf beiden Seiten.

 

Olympisches Feuer: Stichwort Social Media. Sie haben sich als Privatperson bei Facebook abgemeldet, warum?

Stefan Backs: Mich hat der Umgangston und die oft unterirdische Streitkultur dort zunehmend Unbehagen bereitet. Ich erkannte keinen Mehrwert mehr darin. Darum dieser Schritt. Seitdem ist übrigens vieles entspannter.

 

Berater Stefan Backs macht sich viel Gedanken über die Sport- und Medienlandschaft (Foto: Siebert & Backs)

 

Olympisches Feuer: Brauchen junge Profis die Social Media-Kanäle nicht zur besseren Positionierung? Zur Marktsteigerung?

Stefan Backs: Warum? Wozu? Social Media verstellt den Blick auf die Realität. Die meisten Spieler fühlen sich, wenn sie viele Follower haben, schon als Top-Mann, aber das Grundlegende ist, was man auf dem Platz leistet. Dies vergessen manche einfach. Profifußballer werden letztlich doch für das beurteilt, was sie Woche für Woche auf dem Platz leisten. Social Media baut eine Kluft zwischen der Realität der Fans und der Realität der Profis auf. Dies ist ein sensibles Feld und man muss als Profi eben wissen, dass es eine Scheinwelt ist. Nicht mehr und nicht weniger. Sowohl die Profiwelt als auch die Social Media-Welt. Ich behaupte sogar: Social Media bringt den Profis überhaupt nichts, es sei denn, sie sind in extremen Krisensituationen, in der eine gezielte Außendarstellung sie wieder ins rechte Licht rückt. Abgesehen davon ist das alles ein schöner Schein und gut fürs Ego, wenn überhaupt.

 

Olympisches Feuer: Sie schulen ihre Fußballer medial, speziell in Sachen Social Media? Es werden sich ja nicht alle Ihre Jungs von Facebook abmelden oder bei Twitter ausklinken, nur weil Sie das getan haben …

Stefan Backs: Der Kunde ist König. Wenn ein Spieler sich auf den Social Media-Plattformen darstellen will, berate und unterstütze ich ihn dabei, gegebenenfalls lenke ich ihn. Ich achte aber darauf, dass der Output nicht zu abgehoben wird, nicht zu privat oder schrill.

 

Olympisches Feuer: Schon häufiger haben Sie auch junge Sportlerinnen und Sportler aus anderen Disziplinen medial trainiert. Ist Interviewschulung beispielsweise dann auch für Sie eine andere Herangehensweise?

Stefan Backs: Definitiv. Junge Sportler aus anderen Disziplinen haben diese Routine noch nicht entwickelt, die junge Fußballer aufgrund der größeren Präsenz schnell lernen. Darin liegt aber auch der Vorteil, nicht so abgestumpft rüberzukommen. Während es für Fußballer oft eine lästige Pflicht ist, sehen andere Sportler darin eine Wertschätzung ihres Aufwandes. Und eine Möglichkeit, sich zu präsentieren.

Olympisches Feuer: Werden Sportlerinnen und Sportler in Sachen Außendarstellung aus Ihrer Sicht mitunter schlecht beraten?

Stefan Backs: Mein Tipp ist stets: Schuster, bleib bei deinen Leisten.

 

Olympisches Feuer: Auch wenn es um Haltung geht? Soziale, gesellschaftliche und politische Verantwortung, wie es so schön heißt?

Stefan Backs: Diese Themen – Politik und Religion, Menschenrechte, Gender, Equality, Krieg … – sind extrem heikel, da kann man mit Stellungnahmen oft nur verlieren. Darum lieber: Finger weg!

 

Olympisches Feuer: Aber sollen Sportlerinnen und Sportler, noch dazu prominente, nicht grundsätzlich auch Stellung beziehen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden? Natürlich erst recht dann, wenn sie wertvolle, also inhaltlich ‚gute’ Messages vermitteln wollen?

Stefan Backs: Der Sport schon. Klar. Seine Institutionen, Vordenker, Funktionäre. Aber nicht junge Sportlerinnen und Sportler. Die Gefahr, instrumentalisiert oder gar inhaltlich missbraucht zu werden, ist viel zu groß. Zumal: Was ist denn eine gute Sache? Wer hat hier die Deutungshoheit? Letztlich gibt es doch in vielen Fragen nicht die eine, unantastbare Wahrheit.

 

Olympisches Feuer: Sie selbst standen einst als Reporter mit dem Kugelschreiber und einem Block bzw. dem Diktiergerät, aber eben auch mit dem Mikrofon und einer TV-Kamera vor den Spielern. Was raten Sie ihren Klienten in Sachen Interviews, beispielsweise nach dem Spiel?

Stefan Backs: Mein oberstes Gebot: Authentisch bleiben. Nichts vorformulieren oder vorstanzen. Was raus muss, muss eben manchmal raus. Schablonen für alle Situationen oder Momente gibt’s doch eh nicht. Das sollten alle – auch die Vereine und die Sponsoren – relaxter sehen. Sich zu verstellen, wenn es um Emotionen, Gefühle und das gerade auf dem Spielfeld erlebte geht, geht schließlich zu Lasten der überall erwünschten oder gar eingeforderten Authentizität.

 

Olympisches Feuer: Bräuchten manchmal auch Familienangehörige Schulungen im Umgang mit der Öffentlichkeit?

Stefan Backs: Allerdings. Jeder, der im direkten Zusammenhang mit einem Prominenten an die Öffentlichkeit geht, muss wissen, was er bewirkt und auslöst. Heißt: Vorher Kopf einschalten – oder jemanden fragen, der sich mit so was auskennt.

 

Olympisches Feuer: Berichten die Medien heute zu verantwortungslos?

Stefan Backs: Ich habe den Eindruck, oftmals ist die Devise: ‚Ich schreib das jetzt mal. Und dann mal sehen, was passiert.’ Viel zu selten wird daran gedacht, welche Stigmatisierung der Betroffenen, aber ja zudem auch ihrer Familien, das nach sich zieht. Was sich da manche Kinder von Fußballprofis in der Schule auszusetzen haben – das sollte nie vergessen werden. Falsche Darstellungen, Behauptungen oder verletzende Prädikate wieder rückgängig zu machen, ist bestenfalls sehr, sehr schwer für den Spieler, seine Angehörigen – und letztlich auch für uns Berater. Was erst mal wo stand, steht bei aller Schnelllebigkeit der Medien erst einmal.

 

Olympisches Feuer: Mussten Sie Spieler schon mal wegen schlechter oder über die Stränge schlagender Kritik trösten?

Stefan Backs: Häufiger, ja. Wenn einer beispielsweise als „größter Stinkstiefel“ tituliert wird, liegen die Nerven schon mal blank und es hat weitreichende Konsequenzen – nochmals: eben auch für die Angehörigen des Betroffenen!

 

Olympisches Feuer: Sie haben in Ihrem Portfolio nun erstmals eine Sportlerin aus dem Non-Soccer-bereich: Laura Nolte, Bob-Olympiasiegerin. Was hat sie veranlasst, diese Aufgabe abseits des Fußballs zu übernehmen?

Stefan Backs: Ich kenne Lauras Vater schon sehr lange und hatte ehrlich gesagt gar nicht mitbekommen, dass seine Tochter Olympiasiegerin wurde. Er hat Kontakt zu mir aufgenommen, ich habe ihm zwei Agenturen empfohlen, die Wintersportler vermarkten. Aber zwischen Laura und mir hat es so gepasst, dass wir beide gesagt haben: Warum in die Ferne schweifen?

 

BU: Selten im Mittelpunkt: Die Bob- Olympiasiegerinnen von Peking, Laura Nolte (l.) und Deborah Levi

Olympisches Feuer: Und welche Erfahrungen haben Sie bislang gemacht, nicht zuletzt auch im Vergleich zur Fußballbranche?

Stefan Backs: Das Arbeiten mit einer Bob-Olympiasiegerin ist natürlich etwas völlig anderes. Wintersportler sind öffentlich Saisonarbeiter. Kaum ein Redakteur interessiert sich für Wintersportler im Sommer. Und während Laura auf Sponsoren angewiesen ist, spielen diese in Ralf Fährmanns Leben eher eine Nebenrolle. Auch wenn er sicherlich nichts dagegen hätte. Hoffentlich kommt er jetzt nicht auf dumme Gedanken (lächelt).

 

Olympisches Feuer: Wie arbeiten Sie mit den Medien zusammen – wie sieht Ihre Informationspolitik oder -Taktik aus?

Stefan Backs: Der Fußball nimmt sich generell viel zu wichtig, ich schließe uns Berater da auch gar nicht aus. Das alles beeinflusst das Leben von Frau Meier von gegenüber rein gar nicht. Und selbst angesichts der Vollblut-Fans, die jede noch so kleine Randnotiz bewegt und deren Alltag extrem danach getaktet ist, erlaube ich mir zu sagen: Die sollten das oder besser sich mal hinterfragen. Bei aller Lust auf Fußball. Meine Medientaktik ist derweil simpel: Ich strebe maximale Offenheit im Umgang miteinander an.

 

Olympisches Feuer: Ist das eher ein Mit- oder ein Gegeneinander?

Stefan Backs: Da verfahre ich nach Schiedsrichter-Prinzip: Wer mein Vertrauen einmal missbraucht oder Mist verzapft, sieht die gelbe Karte. Werde ich ein zweites Mal hintergangen, gibt’s Rot.

 

Olympisches Feuer: Raten Sie den Spielern im Umgang mit den Medien heutzutage bisweilen zu anderen Verhaltensmustern als früher?

Stefan Backs: Absolut. Seinerzeit folgte ich dem – beinahe ausschließlich – geschäftlichen Ansatz: Je mehr Öffentlichkeit für unsere Klienten, desto besser. Das hat sich komplett geändert. Heute vertrete ich die Auffassung: Weniger ist mehr. Ein Dozent an der Uni hat mich mal inmitten einer Prüfung in meinem Redeschwall, mit dem ich mein Unwissen überspielen wollte, unterbrochen und gesagt: ‚Wer viel redet, der weiß nix.’ Und ich sage heute entsprechend: Wenn ein Sportler besonders viel von sich preisgibt und sich ständig mitteilt, muss er es ja nötig haben. Da reicht es wohl nicht, die eigene Leistung sprechen zu lassen.

 

Olympisches Feuer: In diesem Sinne: Welche Zeile würden Sie über unser Interview setzen?

Stefan Backs: Siehe oben (lacht)

 

Frank Schneller (52), Sportjournalist und Themenproduzent aus Hamburg. Seine Laufbahn begann Frank Schneller beim SportInformationsDienst, arbeitete dann viele Jahre in der Redaktion der Sport-Bild. Seit 2001 arbeitet Schneller als Freelancer und ist seit 2011 Leiter des Reporter- und Dienstleister-Netzwerks Medienmannschaft.

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