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„München ist das beste Beispiel“

Klaus Wolfermann, Speerwurf-Olympiasieger von 1972, hat Sportgeschichte geschrieben. Der gebürtige Franke (76) ist in der Szene immer noch aktiv. Er hat eine besondere Beziehung zur Stadt München – und ist darüber hinaus ein Befürworter einer erneuten deutschen Bewerbung um die Spiele. Im Interview anlässlich der European Championships von München in diesem Monat mit der DOG baut der ‚Hall-of-Famer‘ thematische Brücken zwischen damals und heute.

Von Hans-Jürgen Lorenz

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Olympisches Feuer: Herr Wolfermann, die European Championships in München stehen vor der Tür. Da schließt sich, wenn man so will, ein Kreis. 50 Jahre danach: Welche Erinnerungen und Gefühle verbinden Sie heute noch mit Olympia München 1972, den Spielen bei denen Sie Gold im Speerwurf gewannen? Die Tage begannen fröhlich und wurden tragisch unterbrochen durch den terroristischen Überfall auf die Mannschaft Israels.

Klaus Wolfermann: Es waren die besten Spiele, alle waren begeistert, Sportler und Zuschauer. Der Überfall war ein Schock! Man hatte ja damals noch nicht oft von Attentaten gehört und dann der Missbrauch des Sports – einfach unbegreiflich!

 

Olympisches Feuer: „The Games must go on“ sagte der damalige IOC Präsident Brundage. Olympia sollte über Terror und Politik siegen. Haben sich die Spiele in Folge in die richtige Richtung entwickelt?

Klaus Wolfermann: Das war richtig, wäre damals abgebrochen worden, wer weiß, ob es jemals wieder Spiele gegeben hätte. Die Spiele gehen den gleichen Weg wie die Gesellschaft, aber strukturell müsste einiges geändert werden. Der Gigantismus sollte abgebaut werden. Jedes Land will sich verständlicher Weise von seiner besten Seite zeigen, aber solche Bauten wie jetzt in Peking sind einfach unnötig, wenn sie hinterher nicht wirklich dauerhaft genutzt werden. Aber dass das IOC und so mancher andere Sportverband das scheinbar nicht wollen, haben ja die letzten Entscheidungen gezeigt! Die Ski-WM wurde nicht nach Garmisch vergeben, wo alles vorhanden ist, sondern an einen Ort, wo vieles neu gebaut werden muss.

 

„Danach war die Welt eine andere“

Olympisches Feuer: Sie hatten in München den hohen Favoriten Janis Lusis besiegt, Olympiasieger, Weltrekordler, fünfmaliger Europameister. Welche persönlichen Spuren hat Ihr Olympiasieg hinterlassen? Sie warfen später noch Weltrekord, wurden deutscher und sogar europäischer Sportler des Jahres.

Klaus Wolfermann: Das war für mich anfangs unfassbar und es hat längere Zeit gedauert, bis ich es wirklich verarbeitet hatte. Danach war die Welt eine andere, ich war plötzlich in die Öffentlichkeit katapultiert und musste viel dazulernen.

 

Olympisches Feuer: Sie sind Vorsitzender des FC Olympia, einer Vereinigung ehemaliger Medaillengewinner, die sich sozial betätigen und auch Sonderbotschafter der Special Olympics, waren auch Botschafter für eine deutsche Olympiabewerbung. Geben Sie uns bitte einen Einblick in diese Tätigkeiten.

Klaus Wolfermann: Zunächst einmal: Der FC Olympia entstand aus einem Stammtisch der oberbayerischen Medaillengewinner. Es wurden Fußballspiele für caritative Zwecke absolviert. Nach der Wende erweiterten wir die Teilnehmer auf Sportler aus den neuen Bundesländern, die mit viel Eifer dabei waren. So haben sich viele schöne Freundschaften entwickelt! Leider sind wir inzwischen so alt geworden, dass Fußball nicht mehr gespielt werden kann, auch weil der Nachwuchs einfach fehlt. Die Special Olympics machen großen Spaß, weil die geistig behinderten Athleten noch auf eine ganz einfache Art und Weise dabei sind und sich so herzlich freuen können! Da lohnt sich die Arbeit.

Seit 15 Jahren engagieren wir uns mit der Organisation von bis zu 15 sportlichen Veranstaltungen sehr für die KiO, die Kinderhilfe Organtransplantation, wo Familien mit organkranken Kindern vor und nach der lebensrettenden Operation auf vielfältige Art geholfen wird. Die Krankenkassen übernehmen ja nur Kosten, die die medizinische Versorgung garantieren. Aber im täglichen Leben fallen enorme Kosten an, welche die Familien selbst tragen müssen.

Anlauf zum großen Wurf: Klaus Wolfermann 1972 bei den Spielen von München. Gold und Weltrekord machten ihn zur Leichtathletik-Legende.

 

„Bürgerentscheide sind nicht der richtige Weg“

Olympisches Feuer: Zum Thema Olympia heute: Woran liegt es, dass in der Sportnation Deutschland beim Thema Olympiabewerbung kein Funke überspringt? Was muss man ändern?

Klaus Wolfermann: Unsere Bevölkerung müsste mehr eingebunden werden, indem man nicht nur die Kosten für das jeweilige Event aufrechnet, sondern die Wertigkeit von Olympischen Spielen und was in den jeweiligen Austragungsorten für die Infrastruktur getan wird – man hat ja mit München das beste Beispiel an der Hand! Die Bürgerentscheide sind für mich nicht der richtige Weg, weil dort meistens nur die Menschen abstimmen, welche die Spiele nicht habe möchten – leider sind die Sportliebhaber scheinbar zu bequem.

Ändern müsste man die Strukturen des deutschen Sports – da ist vieles nicht mehr zeitgemäß. Das beginnt beim Schulsport und bei der Weiterführung zum Spitzensport durch die Vereine und Verbände. Dabei ist nicht nur immer das Geld der Knackpunkt! Wenn viele Eltern schon gegen die Durchführung der Bundesjugendspiele sind, weil der “Leistungsdruck” zu groß ist, sieht man auch, wo das Problem liegt. Unsere Kinder werden zu “Weicheiern” erzogen und lernen nicht, auch mit Niederlagen umzugehen.

 

Olympisches Feuer: Sollte sich Deutschland für die Spiele 2036 bewerben? Die Rhein-Ruhr Region hat sich dieser Idee angenommen. Auf Berlin liegt noch immer der Schatten von 1936. Allerdings hat das NOK Israels mögliche Spiele 2036 in Berlin als „Ein großes Zeichen an die Welt“ genannt …

Klaus Wolfermann: Es wäre sehr schön, wenn Spiele wieder in Deutschland stattfinden – für jedes Land ist das immer in vielerlei Hinsicht ein Pluspunkt! Und 2036 wäre natürlich eine Gelegenheit, Deutschland nach 1972 noch einmal von seiner anderen Seite zu zeigen.

Wolfermann und Münchens Olympiaturm: Zwei Ikonen, auch 50 Jahre später noch …

 

„Ohne Geld geht’s nun mal nicht!“

Olympisches Feuer: Gigantomanie steht der olympischen Idee im Wege. Hat das Geld olympische Werte erdrückt?

Klaus Wolfermann: Ohne Geld geht’s nun mal nicht! Auch früher kosteten Spiel schon Geld und heute haben sie sich halt angepasst.

 

Olympisches Feuer: Welche Reformen werden benötigt für nachhaltige und saubere Spiele?

Klaus Wolfermann: Da müsste sehr viel passieren, aber so weit ist die Welt scheinbar noch nicht. Siehe oben.

 

Olympisches Feuer: Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Wie lebt Klaus Wolfermann heute? Welche Rolle spielt der Sport im Leben?

Klaus Wolfermann: Jeden Tag mindestens eine Stunde Sport, egal ob im eigenen Fitnessraum, oder durch Radfahren, Golfen, Skifahren, Ski-Langlaufen und andere Betätigungen. Und dann arbeite ich ja noch viel für KiO, das ist eine sehr zeitaufwendige Aufgabe! Aber bei diesen Veranstaltungen werden wir von vielen ehemaligen Athleten und Trainern unterstützt, die meine Bedenken in Richtung deutscher Sport voll teilen und aus ihren jeweiligen Sportarten genau die gleichen Probleme berichten: die ‚Alten‘ werden nicht um ihre Meinung und ihre Erfahrungen gefragt, die jungen Sportlern so hilfreich sein könnten! Wissenschaft darf nicht überbetont werden, die Praxis ist in vielen Bereichen wichtiger!

 

Hans-Joachim Lorenz ist Vizepräsident Kommunikation / Werbung der Deutschen Olympischen Gesellschaft e.V. (DOG)

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