Posted on / by Olympischesfeuer / in Allgemein, Gesellschaft / 1 comment

„Wünsche mir, dass es kein Hype ist“

Das große WM-Doppelinterview, Teil 2

 

Claudia Krobitzsch, Senior Managerin Diversität und Inklusion beim DFB, spricht mit Dennis Trautwein, Managing Director Deutschland und Frankreich von Octagon, über die WM. Beide ordnen den Fußball der Frauen ein und zeigen Chancen wie Herausforderungen auf. Dabei geht es auch um den drohenden und erst spät abgewendeten TV-Blackout.

[ALLGEMEIN | GESELLSCHAFT]

Von Frank Heike

 

Olympisches Feuer: Falls Menschen gar nicht wussten, dass es diesen Sommer eine WM im Fußball der Frauen gibt, erfuhren sie es, als das Gezerre um die Fernsehrechte begann. Der schwarze Bildschirm drohte. Was sagt uns das, Claudia?

Krobitzsch: Das ist ein klarer Fall von Ungleichbehandlung. Ich mache immer einen Test. Wenn ich ein Störgefühl habe, überlege ich: Wie wäre es bei den Männern? Es ist doch undenkbar, dass wenige Wochen vor Turnierbeginn, unklar ist, ob übertragen wird!

 

Olympisches Feuer: Die Fifa hatte einen vergleichsweise geringen Preis, aber der war den Öffentlich-Rechtlichen zu hoch. Wer ist schuld?

Krobitzsch: Es war ein Patt. Keiner wollte das Gesicht verlieren. Ich verstehe ja auch, dass ARD und ZDF dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino nicht auf den Leim gehen wollten, aber…

Trautwein: Es geht doch gar nicht darum die gleichen Beträge wie bei den Männern mit TV-Rechten umzusetzen. Es geht eben nicht um equal pay. Keiner erwartet das in diesem Zusammenhang. Im Fußball der Männer in eine solche Situation zu kommen, ist aktuell unvorstellbar. Aber ich finde die Diskussion gut! Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf das Thema Gleich- bzw. Ungleichbehandlung.

 

Olympisches Feuer: Oder liegt das Gezerre tatsächlich nur an den aus europäischer Sicht unattraktiven Anstoßzeiten am Vormittag?

Trautwein: Die hatten wir 2002 in Südkorea und Japan auch schon. Fußball ist ein globales Spiel. Ich finde, Neuseeland und Australien als Austragungsort grundsätzlich super. Da gibt es Wachstumspotentiale, die ganze Asian-Pacific-Region hat Potential. In Australien gibt es große Begeisterung für den Fußball der Frauen, da ist eine breite Fan-Base. Und Australien und Neuseeland sind auch mal ein entspannteres Spielfeld nach den vergangenen Jahren…

Octagon-Stratege Dennis Trautwein (Foto: Octagon)

 

Olympisches Feuer: Claudia, du magst den Vergleich zwischen dem Fußball der Frauen und dem der Männer nicht, die Bundestrainerin auch nicht – als Retterin des DFB will sie nicht auftreten, nach den schlechten Turnieren der A-Männer und der U21 zuletzt…

Krobitzsch: Wir leben in Zeiten voller schwerer Themen, da täte es gut, mal ausgelassen zu feiern. Ich glaube, die Leute wollen einfach ausgelassen erfolgreichen Fußball sehen, sie wollen endlich mal feiern. Letztes Jahr mit dem Finale in Wembley war das doch ein großartiger Beginn, das wollen alle fortführen. Insofern verstehe ich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, dass sie Erwartungen und Druck nicht schultern möchte, sondern lieber mit Leichtigkeit spielen.

Trautwein: Ich finde, das ist eigentlich eine schöne Gelegenheit! Sportlich und kommunikativ. Die Tatsache, dass es bei den Männern nicht so gut läuft, bietet eine Chance – das muss man nicht von sich weisen. Man darf Erfolge ruhig feiern. Die gibt es ja. Man hat erfolgreich akquiriert, neue Sponsoren an Land gezogen, anders als die Männer. Dazu hat es viele gute Geschichten aus dem Fußball der Frauen gegeben. Es gibt Grund, sehr selbstbewusst zu sein.

 

DFB-Frauen besetzen Themen bewusst und authentisch  

Olympisches Feuer: Ich habe das Gefühl, dass die großen Themen der Gesellschaft wie Gleichheit, Vielfalt, sexuelle Selbstbestimmung vom Fußball der Frauen viel besser abgebildet werden.

Krobitzsch: Auf jeden Fall. Das gilt auch für den DFB. Das ganze Team setzt sich viel für Diversität ein und wir als Verband stehen voll dahinter. Sie suchen sich Themen heraus, bewusst und authentisch. Dazu gehört, jetzt beim ganzen Turnier eine Kapitäninnen-Binde zu tragen, mit der Botschaft gegen Gewalt gegen Frauen. Die Mannschaft hat auch schon gemeinsam mit UN Women Aktionen dagegen gemacht. Sie setzten sich auch für sexuelle Vielfalt ein. Das machen sie ehrlich und authentisch und es kommt weniger schambelastet rüber als bei den Männern.

 

Olympisches Feuer: Müssten Sponsoren daraus nicht noch mehr machen, Dennis?

Trautwein: Für Sponsoren ist es das eine, sich damit zu schmücken. Das andere ist, das aber auch zu untermauern. Ich finde es gut, dass der Fußball der Frauen verstärkt als Plattform wahrgenommen wird, von der aus verstärkt Themen wie Vielfalt glaubhaft in den Vordergrund gestellt werden. Das hilft, um zu enttabuisieren. Es wäre ein super Effekt, wenn wir auch im Fußball der Männer offen über sexuelle Vielfalt sprechen können. Das muss ja perspektivisch das Ziel sein.

 

Olympisches Feuer: Ist der Fußball der Frauen da weiter als manche Partner?

Trautwein: Wahrscheinlich, aber das gute an einer Partnerschaft ist doch darüber gemeinsam zu lernen. Da ergibt sich die Chance für ein neues Themenfeld.

 

Olympisches Feuer: Für ein authentisches Storytelling auf Höhe der Zeit sind diese Themen doch ideal!

Trautwein: Na klar – diese Themen werden ja auch in der klassischen Werbung gespielt. Ich habe den neuen TV-Spot für Dove gesehen. Das macht schon etwas mit dir, wenn du drei Minuten etwas über Ess-Störungen hörst, ein Thema, über das nur wenig gesprochen wird. Die Gefahr ist: Man nutzt die Emotionalität, nur um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Genau deswegen muss es glaubhaft sein.

 

Olympisches Feuer: Besteht nicht die Gefahr, dass sich die Frauen an solchen Themen verheben wie die Männer in Katar?

Krobitzsch: Das glaube ich nicht. Sie haben ein gutes Gefühl dafür, wofür sie stehen, was sie wollen, was sie transportieren möchten. Sie machen das auch mit Leichtigkeit. Insofern: Verheben? Nö.

DFB-Managerin Claudia Krobitzsch (Foto: DFB)

 

Olympisches Feuer: Warum tut sich der männliche Profisport denn so schwer damit?

Krobitzsch: Auch im Männerfußball gibt es mutige Aussagen zu Depressionen oder Rassismus, die nicht an Kampagnen oder Marketingmaßnehmen geknüpft sind. Allerdings oft erst nach der aktiven Karriere. Im aktiven Teil wollen wohl wenige eine Andersartigkeit riskieren. Es hängt zu viel dran. Sie sind ausschließlich auf den Sport konzentriert.

 

Hoffnung auf Investitionen in die Breite

Olympisches Feuer: Welche Erwartungen habt ihr über den Sport hinaus an diese WM?

Krobitzsch: Langfristig wünsche ich mir, dass der Fußball der Frauen diese Aufmerksamkeit halten kann. Dass es kein Hype ist, der wieder verflacht, sondern dass der Fußball der Frauen irgendwann wirklich gleichberechtigt ist.

Trautwein: Ich hoffe, dass wir weiter in die Breite investieren. Das liegt in der Verantwortung des Verbandes, die Strukturen weiter zu stärken. Das braucht es, um langfristig erfolgreich zu sein. Ich wünsche mir, dass wir weiterhin ein erfolgreiches Produkt am Markt haben, dass charmant und attraktiv ist und so für alle Player am Markt ein spannendes Spielfeld bietet. Ich habe mich in der Vergangenheit auch schon mal kritisch zum Abfall von Aufmerksamkeit und Investitionen nach der Heim-WM 2011 geäußert. Aber allein mit Blick auf die deutsche Bewerbung für die WM 2027 wird es das wohl kaum geben.

Krobitzsch: Zum Thema Breitensport und Prämien muss ich noch etwas sagen: Die Prämien bei einer WM kommen immer von der Fifa. Und die Nationalverbände entscheiden, wie sie sie weiter verteilen. Nur hat diesmal die Fifa ohne Absprache mit den Nationalverbänden bestimmt, wie viel sie den Spielerinnen auszahlen müssen. Das wurde einfach festgelegt. Und das ist Geld, das sonst auch in den Breitensport gegangen wäre. Das geht jetzt nicht mehr dahin. Da stellt sich also Herr Infantino hin ins Sonnenlicht und kann glänzen, welch hohe Prämien die Spielerinnen bekommen. Aber die Art und Weise der Kommunikation ist absonderlich.

Trautwein: Vor allem auch, weil mit Blick auf die WM-Bewerbung 2027 ohnehin ein höheres Invest aus dem DFB in den Breitensport gekommen wäre. Das war schon eine sehr verquere Kommunikation der Fifa.

 

Olympisches Feuer: Wo und wie werdet ihr die WM schauen?

Krobitzsch: Es gibt ein Public Viewing auf dem DFB-Campus. Insofern ist es Arbeit. Die Spiele am Wochenende baue ich in den Tag ein. Da gucke ich mit der Familie. Die englischen Spiele sind leider keine Arbeitszeit.

Trautwein: Ich habe Urlaub. Meine zwei Jungs werden loslegen, sobald die WM anfängt. Wir werden also gucken.

Krobitzsch: Jetzt, wo die WM auch im Fernsehen kommt!

Trautwein: Jetzt, wo die WM auch im Fernsehen kommt. (lacht)

 

 

Sportjournalist Frank Heike (52) schreibt seit vielen Jahren als Korrespondent regelmäßig für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Der gebürtige Flensburger ist zudem Mitglied der Hamburger Medienmannschaft. Neben Fußball und Handball gehören Sportbusiness-Themen inzwischen zu Heikes Kern-Expertise.

One thought

  • Die Fußball-Spielerinnen sollten bei der Diskussion um sexuelle Selbstbestimmung vorsichtig sein.
    Im Sport wie im Leben – das Leben als Vorbild mit seinen (bewährten zehn) Geboten des Zusammenlebens, und der Sport mit seinen Regeln, die ihnkonsequent befolgt letztlich zum ´Sport´ machen – sollten sich ohnehin Mann und Frau gegenseitig respektieren.
    Und bewußt sein, daß wenn es dazu noch Transgender gibt, auch immer mehr sportliche Wettbewerbe gewünscht werden, die diesen Bereich abdecken, welche indes den jetzigen ihre (ohnehin was den Frauen-Fußball betrifft beklagte mangelnde) Aufmerksamkeit nehmen werden und Wettbewerbs-Verzerrung Tür und Tor öffnen.

Schreibe einen Kommentar